Umweltkatastrophe in Brandenburg - Institut: Bis zu 50 Prozent der Fische in der Oder sind tot
Von einem "Fischsterben gigantischen Ausmaßes" spricht Umweltminister Vogel - und fordert im Brandenburger Landtag deutliche Konsequenzen. Fest scheint derweil zu stehen: Bis sich die Oder erholt hat, werden Jahre vergehen.
Nach dem massiven Fischsterben in der Oder hat der Brandenburger Umweltminister Axel Vogel (Grüne) eine bessere Katastrophenprävention gefordert. Der internationale Warn- und Alarmplan für die Oder müsse dringend überarbeitet werden, sagte Vogel am Dienstag bei einer Sondersitzung des Umweltschusses im brandenburgischen Landtag in Potsdam. Der bisherige Plan sei zu Havarie-orientiert.
Auf der Suche nach dem Auslöser des Fischsterbens war ein hoher Salzgehalt des Flusses gemessen worden. Dieser sei bisher nicht meldepflichtig gewesen, sagte Vogel. Berücksichtigt werden müsse jedoch, dass genehmigte Einleitungen durch die Erderhitzung ganz andere Folgen haben könnten als früher. Die Temperatur der Oder habe in den zurückliegenden Wochen lange über 25 Grad gelegen.
Vogel: Wasser der Oder noch nicht in Ordnung
Bei der aktuellen Umweltkatastrophe seien mehrere Faktoren zusammengekommen, darunter auch extremes Niedrigwasser und extrem hohe Temperaturen, sagte Vogel. Ein weiterer Faktor sei wohl die festgestellte Algenart, die einen hohen Salzgehalt und hohe Temperaturen brauche. Die Alge allein hätte jedoch "nicht diese Auswirkungen haben können".
Die Oder weise alle möglichen schädlichen Stoffe auf und sei "alles andere als ein Klarwasserfluss", sagte Vogel. Entwarnung könne derzeit noch nicht gegeben werden, obwohl wieder Fische in der Oder unterwegs seien. Auch aktuell sei das Wasser in der Oder für die Lebewesen noch nicht wieder in Ordnung, meinte der Minister. Bei Versuchen seien Wasserkrebse eingesetzt worden, die in kurzer Zeit tot gewesen seien. "Daran sehen wir, es gibt zumindest für Kleinlebewesen noch toxische Stoffe in der Oder", so Vogel.
"Fischsterben, wie wir es noch nie hatten"
Vogel bezeichnete das Fischsterben in der Oder als eine Umweltkatastrophe ungeahnten Ausmaßes. "Ein Fischsterben, wie wir es noch nie hatten - zumindest seit 1989 - mit gigantischem Ausmaß", sagte Vogel weiter im Umweltausschuss.
Allein in der Verbrennungsanlage der Raffinerie PCK Schwedt seien bereits 22 Tonnen Fischkadaver entsorgt worden, weitere 88 Tonnen seien dort zur Vernichtung angemeldet, sagte Vogel. In einer weiteren Anlage in Rüdersdorf seien bereits 8 Tonnen verbrannt worden, "und viele Tonnen toter Fisch sind noch gar nicht erfasst."
Die polnische Feuerwehr hat nach eigenen Angaben bislang 202 Tonnen tote Fische aus der Oder geborgen. Die Feuerwehr habe entlang des gesamten Flusslaufs 159 Ölsperren aufgestellt, um verendete Fische aufzufangen und zu bergen, sagte der Sprecher der Feuerwehr-Hauptverwaltung am Dienstag.
Bis zu 400 Tonnen toter Fische
Die Berufsfischer der Oder gehen nach eigener Aussage davon aus, dass sich der Fischbestand in zwei bis drei Jahren wieder erholen könnte. Zu hoffen sei, dass hinter dem Fischsterben eine nur kurzfristig giftige Substanz stehe und sich diese nach und nach verdünne, sagte Lars Dettmann, Geschäftsführer des Landesfischereiverbands Brandenburg-Berlin. Dann könnte sich das Leben im Fluss erholen. Nach Dettmanns Schätzung sind inzwischen mehr als 200 Tonnen Fisch verendet.
Das Institut für Binnenfischerei schätzt, dass zwischen 25 und 50 Prozent der Fische in der Oder getötet wurden. Das seien etwa 200 bis 400 Tonnen, sagte der wissenschaftliche Direktor, Uwe Brämick, am Dienstag im Umweltausschuss. Brämick zufolge leben rund 50 Arten in der Oder, 14 seien nach Beprobungen gefunden worden und davon alle Größen, berichtete er.
Brandenburg könne nur wenig gegen den polnischen Oder-Ausbau tun
Mit Blick auf den laufenden Ausbau der Oder auf polnischer Seite sagte Axel Steffen, Abteilungsleiter im Brandenburger Umweltministerium, rbb24, dass die Mittel Brandenburgs, Widerspruch dagegen einzulegen, begrenzt seien. Steffen mahnte aber, bedingt durch den Klimawandel gebe es das Phänomen niedriger Flusspegel in ganz Europa. Das müsse man beim Ausbau des Flussbetts berücksichtigen. Es sei ein Eingriff in ein Ökosystem. Wenn irgendwo an einer Schraube gedreht werde, kann das insgesamt zu einer Katastrophe führen, so Steffen wörtlich. Der Ausbau sollte eingestellt werden, zumindest bis die Ursachen der aktuellen Katastrophe komplett geklärt seien.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 23. August 2022, 19:30 Uhr