Corona-Ausbruch in Schlachtbetrieb - Fall Tönnies mit Folgen für Brandenburger Viehproduzenten

Mi 24.06.20 | 19:31 Uhr | Von Tony Schönberg
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Symbolbild: Schlachtbetrieb in Brandenburg. (Quelle: dpa/J. Zick)
Video: Brandenburg Aktuell | 24.06.2020 | R. Wittig/A. Goligowski | Bild: dpa/J. Zick

Der Corona-Ausbruch in einem Schlachthof der Firma Tönnies wirkt sich auch auf Landwirte in Brandenburg aus. Produktionsketten sind unterbrochen, die Halter können ihre Tiere nicht absetzen. Jetzt fordert der Bauernverband regionale Schlachtbetriebe. Von Tony Schönberg

Nach dem Ausbruch des Coronavirus unter Mitarbeitern von Deutschlands größtem Fleischverarbeiter Tönnies im Kreis Gütersloh (Nordrhein-Westfalen) bekommen auch Brandenburgs Bauern die Folgen zu spüren. Das äußerten mehrere Vertreter des Landesbauernverbands zu Wochenbeginn auf Anfrage des rbb.

Absatzstau bei Brandenburger Schweinen

Dem Vorsitzenden Henrik Wendorff zufolge schlachtet Tönnies auch Tiere von Erzeugern aus Brandenburg. Dort komme es derzeit zu einem Absatzstau besonders bei Schweinen. Grund dafür sei die Produktionsteilung in der Tierhaltung: In Brandenburg wurden allein im vergangenen Jahr etwa eine Millionen Ferkel geboren, so Wendorff. Die Mast und Fleischverarbeitung geschehe allerdings wegen länderübergreifender Netzwerke oft in anderen Bundesländern.

Wegen verzweigter Firmenstrukturen der Produzenten sei "auch schwer abschätzbar, wie viele Tiere zu Tönnies geliefert werden", sagt Wendorff über die Brandenburger Betriebe.

"Die unterschiedlichen Verarbeitungsprozesse sind eng aufeinander abgestimmt. Der Bauer bekommt eine Terminvergabe vom Schlachtbetrieb, gibt seine Tiere ab und stallt anschließend bei sich neu ein", erklärt der Verbandsvorsitzende. Aufgrund der engen Taktung sei das System vom Ferkel bis zum fertigen Fleischprodukt sehr anfällig für Störungen, und das sei nun beispielsweise bei der Schließung von Tönnies zu sehen.

Der Tierstau trifft nun die hiesigen Landwirte schwer, sagt der Vorsitzende des Südbrandenburger Bauernverbandes Thomas Goebel: "Das ist ein ganz großes Drama, denn die Tiere müssen weiter versorgt werden und weiter fressen. Und wir wissen ja aus der Vergangenheit, dass das Futter jetzt mit mehr Tieren knapp ist."

Appell an Fleischproduzenten: "erstmal Ruhe bewahren"

Ähnliches berichtet auch Vizepräsident Heiko Terno. Er befürchtet, dass der wachsende Bestand nicht ohne Weiteres von anderen Unternehmen aufgefangen werden könne. Terno fügt hinzu: "Die Bauern bekommen da schon Angst und wir als Bauernverband mahnen an, nicht in Panik zu verfallen und damit den Preis zu versauen, dass aus der Not heraus die Bestände zum Schlachten angeboten werden. Man muss jetzt erstmal Ruhe bewahren."

Offiziell 140 Schlachtbetriebe in Brandenburg

Nach Angaben der Brandenburger Landesregierung auf eine Anfrage der AfD-Fraktion vom Februar dieses Jahres, sind aktuell 140 Schlachtbetriebe in Brandenburg zugelassen. Zur Verarbeitung von Schweinen sind davon 102 Höfe behördlich genehmigt, die allein 2019 knapp über eine Millionen Tiere geschlachtet haben. Laut Henrik Wendorff ist allein die Zahl der Betriebe jedoch nicht aussagekräftig, da viele Unternehmen mit nur geringen Kapazitäten in der Statistik erfasst sind. "Die, die wir noch haben, sind kleine bis individuelle Höfe. Bei großen Höfen sieht es dünn aus. Dort sind wir auf überörtliche Betriebe angewiesen."

Allein der einzig verbliebene Brandenburger Großbetrieb in Perleberg (Prignitz) schlachtet Wendorff zufolge knapp eine Millionen Schweine pro Jahr - also den überwiegenden Teil in der Mark. Die Tiere kämen teilweise auch zur Verarbeitung aus anderen Bundesländern, während Brandenburg wiederum ebenfalls Paarhufer exportiere.

"Wir brauchen neue Schlachtbetriebe"

Der Bauernverband fordert aufgrund der aktuellen Situation von der Politik eine Notbetrieb, um die wachsenden Bestände abzubauen. Im Sinne der Regionalität und um gegen kommende Krisen gewappnet zu sein, müssten zudem neue Großschlachtwerke in Brandenburg her. Heiko Terno sagt dazu: "Wir haben sechseinhalb Millionen Menschen zu versorgen und den riesigen Markt Berlin. Wir wollen ja regionale Verarbeitung. Aber wenn das Tier einmal das Land verlassen hat, kommt das Fleisch nicht mehr zurück."

Siegurd Heinze, parteiloser Landrat von Oberspreewald-Lausitz, reagierte auf die Forderungen und will die Vorschläge in der Landespolitik mit einbringen. Allerdings glaube er nicht an eine Umsetzung, da sich das auch betriebswirtschaftlich gestalten lassen müsse. "Das ist der Hauptgrund dafür, dass die Betriebe, die es in Brandenburg mal gab, eben nicht mehr existieren und wirklich nur noch die ganz großen am Markt präsent sind", sagte Heinze, "und solange es dort keine auskömmlichen Preise gibt, wird es auch schwer sein zu sagen, dass jedes Bundesland einen eigenen Schlachtbetrieb braucht."

Corona-Ausbruch bei Wiesenhof folgenlos für Königs Wusterhausen

Ein weiterer Corona-Ausbruch im Geflügelschlachthof Geestland von Wiesenhof [ndr.de] in Wildeshausen (Niedersachsen) hat dagegen vorerst keine Auswirkungen auf Brandenburg. Dort sind von 1.100 Mitarbeitern 23 positiv auf das Coronavirus getestet worden. Auf Anfrage des rbb teilte die PHW-Gruppe, zu der Wiesenhof gehört, am Mittwoch mit, dass der Standort in Königs Wusterhausen (Dahme-Spreewald) nicht betroffen ist. Dort seien bislang keine Fälle aufgetreten. Auch habe es keinen Austausch von Beschäftigten zwischen den Standorten gegeben. Eine Reihentestung der Mitarbeiter ist nicht geplant. Allerdings könnten sie sich laut des zuständigen Gesundheitsamtes freiwillig testen lassen.

So bleibt es dabei, dass in Brandenburg bislang kein größerer Corona-Ausbruch in einem Schlachtbetrieb bekannt ist. Die Auswirkungen des Coronavirus sind vor allem als Folge wie im Fall Tönnies zu spüren. Allein dort sind bislang mehr als 1.500 Mitarbeiter positiv auf Covid-19 getestet worden - und haben eine Diskussion über die Zustände bei der Fleischproduktion in Großbetrieben ausgelöst [wdr.de].

Sendung: Antenne Brandenburg, 24.06.2020, 14:30 Uhr

Beitrag von Tony Schönberg

24 Kommentare

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  1. 24.

    Die Bauernverbände halten wie die Landesministerien ihre Fahnen in den Wind! Nun auf einmal sollen die Schlachthöfe regional und mit Festanstellung geführt werden. Wer glaubt, dass das so kommt, muss plemmplemm sein. Die Lobby sind die jeweiligen Bauernverbände. Wer von denen hat da Rückgrat? Jeder dort sieht zu, dass er sein Pöstchen behält.

    Fakt ist, die Verbände und die jeweiligen Minister wissen seit Jahren!!!! um diese schäbige Mensch- und Tierbehandlung. Der Moloch sitzt im Büro und das muss grundlegend gesäubert werden. Ich wiederhole mich nur, wenn ich sage: Hier wird höchstens unter den Teppich gekehrt... und fast alles bleibt beim Alten.

  2. 23.

    P.S.: Antwort an mich selbst: Die Idee, sich die Pflanzen am Wegesrand oder mitten in der Stadt anzugucken kam nach einer Sendung des rbb vor einigen Jahren. Diese Sendung wird immer mal wieder gezeigt; ich gucke sie mir immer wieder gerne an. Es könnten ruhig mal neue Sendungen über Pflanzen und Tiere in unserer Stadt kommen.

  3. 22.

    Den Giersch kennst Du bestimmt. Der wächst quasi überall. Was ich übrigens seit Jahren hier in Berlin beobachte: Überall in der Stadt wächst Rucula. Der ist im Moment wegen seiner gelben Blüten besonders gut zu sehen. Ich war vorhin hier in Westend unterwegs und hätte mir auf den Bürgersteigen eigentlich einen schönen Salat zusammenstellen können. Um zum Thema zurückzukommen: Ich esse gerne Fleisch. Doch ich ertappe mich auch immer mehr dabei, dass ich dabei an das Tier denke, welches wegen mir sterben musste.

  4. 21.

    Gut das Du hier den Löwenzahn erwähnst. Als Knirps wurde mir doch tatsächlich mitgeteilt, dieser sei giftig. Obwohl ich immer gerne mit der Pusteblume gespielt und den milchigen Saft aus die Stengel gedrückt habe. Über den Giersch muß ich jetzt mal nachschauen. Kenne ich gar nicht.

  5. 20.

    Ja, bei mir ist es wirklich so, wie es oft "gepredigt" wird: Ich esse weniger Fleisch, aber bewusster. Es gibt auch viele tolle vegetarische Sachen, die man sich aufs Butterbrot machen kann. Ich habe z.B. neulich einfach Löwenzahn aus dem Garten genommen: es hat echt toll geschmeckt; angenehm bitter. Nur mit dem Giersch komme ich nicht klar...

  6. 19.

    „Tierstau“ - was für ein Wort. :-( Ein Wort mehr, welches verdeutlicht, welchen Wert diese Lebewesen haben. Einen reinen Produktionswert. Fleischboykott für mich die einzige Alternative. Denn auch Biofleisch ist nicht = Biofleisch und Tierwohl.

  7. 18.

    Es ist doch nichts neues, dass es in Deutschland diese ausländischen Lohnsklaven gibt. Die Politik sieht tatenlos zu und viele Verbraucher schreien nach immer mehr billigen Waren.
    Das Ergebnis sind dann schlechtere Qualität, grausame Tierhaltung und unmenschliche Zustände in den Unterkünften der Lohnsklaven. Das Kapital kennt keine Menschlichkeit und Gnade. Es handelt nach dem ökonomischen Prinzip: Mit minimalen Aufwand den größtmöglichen Nutzen zu erreichen und so die Gewinne zu maximieren. Was dann in Deutschland nicht geht verlagern wir ins Ausland. Egal wieviele Menschen und wieviel Natur dabei zu Grunde gehen.
    Ich hoffe nun, dass aus den Sprechblasen unserer Politiker Taten werden und auch auf das Umdenken der Verbraucher. Manchmal ist weniger eben mehr und auch besser.

  8. 17.

    "Fleischverzehr sollte per Gesetz verboten werden". Mit dieser Forderung sollten Sie sich an die ZDF-Sartire heute-show wenden. Dann kann die ganze Nation über so eine Forderung mitlachen.

    Aber auch Ihr restlicher Kommentar entbehrt nicht einer gewissen Komik. Wir legen unsere Fleischindustrie lahm und helfen dem Dikatorenstaat Türkei wirtschaftlich auf die Beine. Da kann man eigentlich nur laut loswiehern.

  9. 16.

    Ich find das gut das es mal kracht. Vielleicht finden sich ja noch einige Fleischer in Brandenburg die noch selber schlachten dürfen und jetzt endlich mal wieder frisches Fleisch anbieten können. Wie viele haben wir noch in Brandenburg mit Schlachterlaubnis? Ganze 2 ?

  10. 15.

    Weil offensichtlich zuviele Menschen Fleisch-und Wurstwaren so billig wie möglich kaufen wollen,statt weniger davon zu essen und dafür dann auch mehr zu bezahlen.
    Wieso Politik und alle sonst Verantwortlichen jetzt aus allen Wolken fallen,weiß ich nicht. Nach all den Fleischskandalen hätte man längst dafür sorgen können, dass Tiere aus der Region auch regional in örtlichen Schlachtbetrieben von Festangestellten geschlachtet und regional angeboten werden. Das ist besser für die Tiere, für die Angestellten in Schlachtbetrieben und für die Verbraucher. Allerdings hat das eben seinen Preis .
    Wichtig ist aber auch,dass der höhere Preis unbedingt einer besseren Tierhaltung zugute kommt und uns das ,auch mit der neuen "Fleischampel" vorgegaukelt wird.

  11. 14.

    Fleischverzehr sollte per Gesetz verboten werden, außer Schaf und Ziegenfleisch. Dieses Fleisch könnte man aus der Türkei importieren, wo diese Tiere artgerecht gehalten und geschlachtet werden, würde dort auch die Wirtschaft ankurbeln.

  12. 13.

    Das kann eh weg, dieses ekelfleisch braucht so und so kein Mensch mehr und man hat eine Infektionsquelle weniger, win win sozusagen.

  13. 12.

    Hallo, was wird sich hier aufgeregt? Das Problem mit den Schlachtbetrieben und der Viehhaltung ist doch schon jahrelang bekannt. Immer wenn ein grausames Video im TV oder sonst wo gezeigt wird, dann ein kurzer Aufschrei in den Medien und beim Bürger. Kurze Zeit später eine neue Schlagzeile, alles vergessen und wieder billiges Grillgut eingekauft.
    So auch jetzt wieder. Aktuell und seit einigen Wochen stehen ab und zu die Schlachthöfe im Focus, morgen dann die Demos und wenn Corona wieder im Griff ist, dann läuft es wieder genau so wie es der Kunde an der Theke fordert.
    So ist nun mal das kapitalistische System. Erst kommt das Fressen und dann die Moral.

  14. 11.

    Hallo Markus. Sehe ich ebenso. Bin schon fast runter vom Fleischessen. Da kann einem echt der Appetit vergehen. Und wenn’s denn mal sein muß nur Biofleisch.
    Ebenso stimme ich den Kommentaren 4 und 7 vollends zu.

  15. 10.

    Die Tiere leben nur um gefressen zu werden. Ohne Zucht kein Tier. Quasi Rohstoffe.

  16. 9.

    Wenn man so viele Tiere hält muss man ehrlicherweise auch zugeben, dass ein drittel des Fleisches nach China exportiert wird. Die Fleischindustrie drohte doch abzuwandern. Doch bloß wohin? Es ist wirklich ein furchtbarer Kreislauf in den letzten 20 Jahren entstanden. Egal ob man selber viel Fleisch isst oder nicht es wird sich nichts ändern. Nächstes Jahr ist alles wieder vergessen und die Tiere sind weiterhin auf Achse.

  17. 8.

    Jo...! Ich bin (nicht mehr) dabei! Man reflektiert zu selten, habe ich bemerkt. Was hier zutage tritt, ist eine Sauerei sondergleichen. Aber: es liegt alles am System!

  18. 7.

    Bauern mit Überschuss: schlachten, selber essen! Sorry... wenn uns so ein Mist angedreht werden soll aus der Tönnies-Bude, möge bitte allen das Gejammer im Halse stecken bleiben! Selbst, wenn ich als Landwirt Grips im Kopp habe und meine Tiere "ordentlich" groß ziehe, halbwegs verantwortungsvoll, endet doch mein Verständnis genau da, wo diese Schweinderl bei einem Großschlachtbetrieb abgegeben werden - und in einer Schimmelbude verwurstet oder beim Tönnies in Supermarktasietten verpackt werden.

    Warum genau fällt IMMER wieder die Fleisch- und Wurstbranche durch Skandale auf? Ekelig!!

  19. 6.

    nach neuesten Erkenntnissen ist die Klimaanlage in den Schlachthöfen die Vierenschleuder. also wird auch Brandenburg noch Ausbrüche bekommen. leider

  20. 5.

    ... Grammatik (Sprachlehre) schreibt man mit doppelten "m" und die Rechtschreibung ist die Orthographie nicht die Grammatik.
    Also, wer schreibt jetzt hier fürchterlich?

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