Erneuerbare Energien in der Corona-Krise - "Bei Windrädern müssen keine Beschäftigten danebenstehen"

Di 16.06.20 | 11:05 Uhr | Von Dilan Polat
  21
Symbolbild: Dicht stehen die Windräder eines Windenergieparks an Einfamilienhäusern nahe Nauen (Brandenburg). (Quelle: dpa/P. Pleul)
Audio: Antenne Brandenburg | 15.06.2020 | Autorin: Dilan Polat | Bild: dpa/P. Pleul

In der Corona-Pandemie sank der Stromverbrauch von Firmen, auch in Brandenburg. Kraftwerke wurden runtergefahren, auch weil Personal fehlte. Gleichzeitig stieg der Anteil erneuerbarer Energien im Netz - diese zeigten sich deutlich krisenfester. Von Dilan Polat

Die Corona-Pandemie hat auch den Strommarkt durcheinandergebracht. Durch die sinkende Nachfrage bei Industriekunden ist der Strompreis an der Börse zunächst stark gesunken - derzeit normalisiert er sich wieder. Eine weitere Erkenntnis: Die sogenannten erneuerbaren Energien wurden während der Corona-Krise vermehrt eingespeist.

Rekord bei der Einspeisung

Traditionell ist Brandenburg die Region, in der viele Solar- und Windkraftanlagen stehen und entsprechend auch Energie einspeisen. Dirk Biermann ist beim Übertragungsnetzbetreiber "50 Hertz" für den Systembetrieb zuständig. Sein Unternehmen speist den Strom der verschiedenen Versorger in das gesamtdeutsche Netz ein. Dort verzeichnet Biermann Zuwächse: "Im vergangenen Jahr hatten wir schon 60 Prozent erneuerbaren Anteil am Stromverbrauch. In diesem Jahr ist das weiterhin gestiegen. Wir haben im Februar sensationell die 100-Prozent-Marke geknackt." Das lag laut Biermann einerseits an günstigen klimatischen Bedingungen, doch zu Beginn der Corona-Krise habe sich diese Tendenz verstärkt gezeigt.

"Stabiler und krisenresistenter"

Seit der Corona-Krise liegt die Einspeisung von erneuerbaren Energien in das Stromnetz bei bis zu 80 Prozent. Das ist auch darauf zurückzuführen, dass sich die Erneuerbaren bei niedrigen Strompreisen lohnen: Bei der Nutzung fossiler Energieressourcen fallen auch Brennstoffkosten an, so dass klassische Kraftwerke zu Zeiten des Corona-Lockdowns mit sinkendem Stromverbrauch der Industrie oft nicht hochgefahren wurden.

Annalena Baerbock von Bündnis 90/Die Grünen sieht vor allem in der Dezentralität einen Krisenvorteil der erneuerbaren Energien: "Sie sind stabiler und krisenresistenter. Kraftwerke waren betroffen, weil Mitarbeiter nicht zur Arbeit kommen konnten, da nicht immer der Mindestabstand gehalten werden kann. Das ist bei Windkraft- und Solaranlagen natürlich ganz anders. Da müssen keine Beschäftigten danebenstehen und die Stromproduktion ist nicht betroffen, wenn eine Belegschaft ausfällt." Vor allem bei zukünftigen Krisenszenarien seien Großkraftwerke in Bezug auf Angriffe auf die kritische Infrastruktur eher im Visier als viele dezentrale Anlagen, sagt Baerbock.

EWE AG Jahrespressekonferenz der Region Brandenburg/Rügen_in der MItte: Jörg MüllerEWE AG Jahrespressekonferenz der Region Brandenburg/Rügen

Ausbau bei Windkraft stockt auch in Brandenburg

Brandenburg verzeichnete 2019 im Vergleich zu anderen Bundesländern immer noch die stärksten Zubau-Raten bei Windkraftanlagen. Doch im Vergleich zu den Jahren zuvor ist der Ausbau ins Stocken geraten. Damit die Akzeptanz von Windkraftanlagen in der Bevölkerung steigt, hat die Landesregierung vergangenen Juni das Windenergieanlagenabgabengesetz beschlossen. Mit dem Gesetz werden Kommunen, in denen Windenergieanlagen stehen, an den Erträgen beteiligt.

Trend zur Dezentralität und Direktvermarktung

Ob der kommunal betriebene Wärmespeicher im Uckermärkischen Nechlin, der das ganze Dorf versorgt, oder die Solaranlage auf dem eigenen Dach - Dezentralität ist bei der Strom- und Wärmeproduktion im Trend. Wichtig sei bei der Entwicklung der erneuerbaren Energien aber auch die Anbietervielfalt, so Jörg Müller, Vorstandsvorsitzender des Energie-Unternehmens Enertrag: "Wenn das nur vier oder fünf große Firmen machen, vermute ich sehr stark, dass es nicht so viele Ideen geben wird, wie wenn tausende kleine Anbieter von grünem Strom sich hier beteiligen können. Das ist das Entscheidende: Ändert das Erneuerbare-Energien-Gesetz so, dass alle ihre erzeugte Energie selbst verbrauchen, selbst speichern und selbst nutzen können!"

Der regionale Energie- und Erdgasversorger EWE bekommt zunehmend Anfragen von Brandenburger Häuslebauern. Sie wollen Unterstützung bei der Installation solcher Anlagen, sagt EWE-Generalbevollmächtigter Ulrich Müller: "Da spielt einerseits die Bestrebung nach Autarkie eine Rolle und andererseits natürlich auch mit Sonnenstrom etwas für die Nachhaltigkeit und zur Energieversorgung insgesamt zu tun." Dieser Trend entwickele sich sehr stark, aber leider seien dabei diejenigen bevorteilt, die ein eigenes Dach haben. Für diejenigen ohne eigenes Dach gelte es ebenfalls geeignete Modelle zu finden, so Ulrich Müller weiter.

Deckelung der EEG-Umlage durch das Konjunkturpaket

Ein wichtiges Signal kommt derweilen von der Bundesregierung. Im kürzlich beschlossenen Konjunkturpaket [tagesschau.de] ist vorgesehen, die EEG-Umlage aus Mitteln des Bundeshaushalts im kommenden Jahr auf 6,5 Cent/kWh und 2022 auf 6,0 Cent/kWh zu deckeln. "Diese Senkung ist nicht viel und insofern wird das der Endverbraucher nicht wirklich merken. Da geht es um ein paar Euro im Jahr", sagt Dirk Biermann von der Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz. Allerdings sei dies eine bemerkenswerte Zahl, die nur mit erhebliche Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt möglich ist, um die EEG-Umlage so niedrig zu halten, so Biermann. Die Förderung der erneuerbaren Energien ist also gesichert, egal wie sehr der Strompreis krisenbedingt schwankt.

Sendung: Antenne Brandenburg, 15.06.2020, 19:40 Uhr

Beitrag von Dilan Polat

21 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 21.

    @Adrian "Wirtschaftlichkeit ist mir erstmal ziemlich wumpe" Das ist doch mal ne erfrischend ehrliche Aussage. Wirtschaftlichkeit ist aber keine Nebensache, sondern Butter und Brot. Wir alle sind auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen, dass bei jeder Tätigkeit der Nutzen den Aufwand übersteigt (nichts anderes bedeutet "wirtschaftlich"). Wenn es umgekehrt ist, bedeutet das gesellschaftlichen Schaden, den jeder einzelne spürt. Das ist inakzeptabel.

    "wenn es darum geht den Klimawandel zu stoppen" Das ist unmöglich. Das Klima wandelt sich seit die Erde sich dreht, dagegen kann die Menschheit nichts tun. Wenn ich den Satz wohlwollend uminterpretiere in "Den Anteil Deutschlands an der menschengemachten Erwärmung neutralisieren", dann bedeutet das eine Abkühlung um 1/20 Grad, soviel wie wenn man vom 1. in den 2. Stock umzieht. Das ist völlig wertlos und keinen Aufwand wert, selbst wenn es gelänge.

  2. 20.

    Wirtschaftlichkeit ist mir erstmal ziemlich wumpe wenn es darum geht den Klimawandel zu stoppen. Die einzigen wirtschaftlichen Fragen sind, welche CO2 freie Technologie die günstigste ist. Fossile Konkurrenz braucht man überhaupt nicht zu betrachten, und Kernkraft ist deutlich teurer als Wind, Sonne und Speicher. CO2 aus der Luft saugen und irgendwie den Permafrost kühlen, damit der sein Methan nicht freigibt, ist auch nicht grade billig.

  3. 19.

    Hier ist eine Weitwinkelaufnahme einer energiegewendeten Region:

    https://frischerwindimnorden.files.wordpress.com/2017/02/blick_nach_dithmarschen.jpg

  4. 16.

    Es werden vielfach keine neuen Windräder gebaut, weil schon die alten trotz Subventionierung durch die EEG Umlage nicht wirtschaftlich zu betreiben waren. Jedem zweiten Windrad im MV droht der Abriss,

    "Hintergrund: Die üppige finanzielle Förderung der Windenergie durch das sogenannte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) war im Jahr 2000 auf eine Frist von 20 Jahren begrenzt worden. Das heißt: Für alle Anlagen, die bis zu dem Zeitpunkt zwischen Boltenhagen und Usedom errichtet wurden, gibt es ab dem Jahr 2021 keine Subventionen mehr. Und ohne staatliche Zuschüsse lassen sich Windräder nicht mehr rentabel betreiben"
    (Ostseezeitung). Viele Kommunen suchen händeringend Lösungen, wie sie die Verlustbringer wieder los werden, die ihnen in der rotgrünen Subventionseuphorie als sichere Einnahmequellen vorgegaukelt wurden. Googeln sie doch einfach mal "windräder unwirtschaftlich"

  5. 15.

    Mal ehrlich, wenn ich mir so das Bild von Dilan Polan ansehe, wer möchte in dem Dorf wohnen?

  6. 14.

    Beton und Stahl braucht man u.a. für die Herstellung der Windräder, und zwar ziemlich viel davon. Das ist allerdings eine Anwendung von Stahlbeton, die wir nicht brauchen.

    " Durch die EEG sinken die Preise massiv an dieser Börse." Die sog. Strombörse ist weder für die Kostenbelastung der Verbraucher noch für die volkswirtschaftliche Gesamtbelastung durch die "Energiewende" ein geeignetes Messinstrument. Der Löwenanteil der Energiewende-Kosten wird nämlich an der "Strombörse" vorbei über die EEG-Umlage eingetrieben, weitere Energiewende-Kosten stecken in den Netzentgelten die ebenfalls nichts mit der Strombörse zu tun haben.

  7. 13.

    Also soviel ich weiß, wird die EEG-Umlage in die stromintensiven Industrien wie Betonherstellung und Stahl gesteckt. Diese armen Industriezweige werden unterstützt, damit der Strom dort nicht zu teuer wird. Wieviel Stahl und Beton wir davon wirklich brauchen ist hier einmal die Frage. Dem Verbraucher wird suggeriert der EEG-Strom sei an sich so teuer in der Produktion.
    Des weiteren gibt es die Leipziger Strombörse. Zum einen gibt es dort keine staatliche Kontrolle. Die Stromriesen (meist Kohlelobby) machen munter ihre Preisabsprachen. Durch die EEG sinken die Preise massiv an dieser Börse. Aber um so mehr EEG genutzt werden, steigt die EEG-Abgabe für den Verbraucher.

  8. 11.

    ""Bei Windrädern müssen keine Beschäftigten danebenstehen" - Ein weiterer dieser geflügelten Sätze der Grünen Diplompolitikerin Baerbock.

  9. 10.

    Es macht halt keinen Sinn Windkraftanlagen auf 60 Jahre auszulegen, wo sich die Technik noch rasant verbessert. Alte Anlagen durch leistungsstärkere zu ersetzen ist ein wichtiges Standbein des Windkraftausbaus.

  10. 9.

    Bei Windrädern bleibt Niemand mehr stehen !!! Das stimmt. - Windräder versauen nämlich ganze Brandenburger Landschaften. Aber die Bauernlobby und die Windkraftlobby wird wenigstens reich dabei. Und als Politiker, bzw. gut Verdiener, kann man sich ja, einen Windpark-freien Wohnort aussuchen. Und wenn Berlin, durch all die Windkraftanlagen im Umland, keine Frischluft mehr bekommt, ist wahrscheinlich auch egal. Für Frischluft gibt es jetzt ja schon Corona Masken. Windräder benötigen auch etwas zur Energiegewinnung, nämlich unsere Luft zum atmen und das wird die Großstadt Berlin, als Erste merken. Die Hauptwindrichtung ist Westwind, bzw. Nordwestwind. Und im Westen und Nordwesten, stehen Hunderte Anlagen, die, die Frischluft für Berlin abfangen und verbrauchen.

  11. 8.

    Richtig. Aber das Strompreisgefüge wird trotzdem beeinflusst sein. Wenn Kohlestrom nicht mehr zu Dumpingpreisen verkauft werden kann, steigt der Strompreis generell etwas an, was auch den erneuerbaren zu Gute kommt.
    Ich stellte in meinem Kommentar lediglich die erwähnten "marktüblichen" 2ct/kWh in Frage.

  12. 7.

    Wer Öko -Strom bezieht dem dürfte die Co 2 Bepreisung egal sein , denn 100% Öko gleich 0 % Co 2.
    Oder erliege ich da doch einem Irrtum?

  13. 6.

    Ganz so simpel wir Diplomkommentator franzke hier schreibt ist es aber auch nicht. Vergessen sie nicht, dass in Zukunft CO2 signifikant bepreist wird, was sich mitunter auf die Strompreise auswirken wird.

  14. 5.

    Natürlich sind sie "krisenfest", weil sie sich per Gesetz am Geld anderer Leute bedienen. Dass dafür niemand arbeiten muss ist aber falsch, die Dinger müssen gebaut und gewartet werden, und dafür wird mehr menschliche Arbeitskraft pro kWh verbraucht als bei Kraftwerken. Allerdings wird diese Arbeitskraft völlig nutzlos verbraten, wir hätten auch ohne Windräder genug Strom.

  15. 4.

    Natuerlich muessen Windkraftanlagen auch gewartet werden. Es wurden extra Hotels direkt auf der offenen Nordsee gebaut, um das Wartungspersonal der Anlagen zu beherbergen. Im uebrigen stehen Windkraftanlagen hoechstens 20 bis 25 Jahre, danach muessen sie abgerissen werden.

    Moderne Kernkraftwerke sind auf 60 Jahre Laufzeit spezifiziert, in den USA hat die NRC sogar einzelne Reaktoren bereits fuer 80 Jahre Laufzeit freigegeben, z.B. Turkey Point in Florida.

    Es sind uebrigens die Erneuerbaren Energien, die unsere Strompreise explodieren lassen.

  16. 3.

    ........da müssen keine Beschäftigten daneben stehen, tja Frau Baerbock wenn die Grünen an die Macht kommen sollten, und danach die komplette Industrie Deutschlands abgewickelt ist, muss niemand mehr irgendwo daneben stehen.

  17. 2.

    In der DDR hätte man einfach Windraddrehkontrolleure eingestellt. Arbeitsplätze sind ja wichtig, sieht man bei der Braunkohle.

Nächster Artikel

Das könnte Sie auch interessieren