Forschen, Testen, Speichern - Hoffnungsträger "grüner Wasserstoff" macht Schule

Mo 26.04.21 | 11:41 Uhr
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EWE Bohrturm Rüdersdorf Wasserstoff Kaverne
Bild: Eva Kirchner/rbb

Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft. Es geht um die Herstellung, aber vor allem die Speicherung. Dazu laufen beispielsweise in Ostbrandenburg richtungsweisende Projekte wie der Versuch, den im Power-to-Gas-Verfahren gewonnenen Wasserstoff unterirdisch zu lagern.

Was unterirdisch in 1.000 Metern Tiefe bei Rüdersdorf zehn Kilometer östlich von Berlin derzeit
passiert, kann nur erahnt werden: Künftig soll dort 100 Prozent reiner Wasserstoff gespeichert werden - der klimafreundliche Energieträger der Zukunft. Das ist jedenfalls der Plan des Versorgers EWE aus Oldenburg, der das Forschungsprojekt am Rande der Hauptstadt
betreibt. In der Kaverne können nach Angaben des Unternehmens nach Fertigstellung bis zu sechs Tonnen Wasserstoff eingelagert werden - ausreichend, um 1.000 Wasserstoff-Pkw volltanken zu können.

Hoffnung auf Wirtschaftlichkeit

Man gehe bereits in die Praxis, sagte EWE-Fachmann Paul Schneider. Getestet werde die sichere Speicherung von Wasserstoff, die Verträglichkeit von Materialien und der Reinheitsgrad nach der Entnahme aus der Kaverne - dem unterirdischen Hohlraum.

Ein Hohlraum mit den Ausmaßen eines Einfamilienhauses wird aus dem Salzgestein im märkischen Boden heraus gewaschen. An der Erdoberfläche wird in Kürze die Technik errichtet, damit das Unternehmen mit der sogenannten Aussolung beginnen kann: Mit Wasser aus einem nahen Teich. "Wasserstofftechnik soll damit großflächig wirtschaftlich und erneuerbare Energie speicherfähig und damit rund um die Uhr nutzbar gemacht werden", sagt Schneider.

Deutschland soll zur größten Wissensquelle in Sachen Wasserstoff werden

Bundesweit laufen einige Wasserstoff-Forschungsvorhaben. Das Bundesforschungsministerium fördert die Grundlagenforschung. "Ich möchte Deutschland weltweit zur größten Wissensquelle für den "grünen" Wasserstoff machen", betont Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU). Er sei ein zentraler Baustein zur Energiesicherheit des Hochtechnologielandes Deutschland.

"Grüner" Wasserstoff wird durch Elektrolyse hergestellt: Wasser wird durch Strom in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Stammt der Strom aus erneuerbaren Energien, heißt es "grüner" Wasserstoff. Die Bundesregierung will mit rund 700 Millionen Euro bis 2025 die
Forschung in dem Bereich weiter ankurbeln.

Elektrolysetest- und Versuchsplattform in Leuna geplant

Unter anderem die ostdeutsche Chemieregion benötigt große Mengen Energie. In Leuna etwa wollen Wissenschaftler mit einer Elektrolysetest- und Versuchsplattform herausfinden, wie grüner Wasserstoff im großen Stil und kostengünstig hergestellt, transportiert und gespeichert werden kann. Die Arbeiten an dem Projekt seien im Plan, wie ein Sprecher des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS in Halle sagt.

Die Pilotanlage soll den Angaben zufolge wie geplant in diesem Jahr starten. Darin sollen Wissenschaftler des Fraunhofer-Zentrums für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP (Leuna) und dem Fraunhofer-Institut IWMS aus Halle zusammenarbeiten. Sachsen-Anhalt
hat zudem den Anspruch, eine Wasserstoff-Modellregion in Deutschland zu werden. "Das Spannende ist, wie es gelingen kann, eine energieintensive Industrie klimaneutral umzubauen", sagt ein Sprecher des Magdeburger Wirtschaftsministeriums.

Nach der Braunkohle soll Wasserstoff kommen

Unter dem Namen "Hypos" arbeitet ein Netzwerk aus rund 130 Unternehmen, Instituten und Forschungseinrichtungen. Aufgabe ist, sich für die Herstellung, Speicherung, Verteilung und breite Anwendung von grünem Wasserstoff in den Bereichen Chemie, Raffinerie, Mobilität und Energieversorgung zu engagieren.

Auch anderswo tut sich viel. In der Lausitz setzt ein Netzwerk "DurcH2atmen" auf Wasserstoff speziell für die Zeit nach der Braunkohle. In Görlitz unterstützen das Land Sachsen und der Bund die Einrichtung einer Forschungsplattform für Wasserstofftechnologien mit 30,5 Millionen Euro. Unter dem Namen Fraunhofer Hydrogen Lab Görlitz (HLG) gehört es zu den Projekten für den Strukturwandel in der Lausitz. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette sollen neue technische Ansätze entwickelt und erprobt werden.

Unterirdische Lagerung in Rüdersdorf testen

In Rüdersdorf ist EWE mit seinem Investitionsvorhaben im Umfang von zehn Millionen Euro nach eigenen Angaben gut im Plan. Vier Millionen Euro stammen vom Unternehmen, der Rest aus dem Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie als
Förderung durch das Bundesverkehrsministerium. Die Steinsalzschicht beginnt in Rüdersdorf in 600 Meter Tiefe und reicht bis zu 3.200 Meter in die Erde. Das Salz stammt nach Firmenangaben aus einem Meer, dass es vor 250 Millionen Jahren im heutigen Brandenburg gab.

In den kommenden Monaten soll die Technik aufgebaut werden, um die Aussolung - die Ausspülung des Steinsalzes - zu starten, sagt EWE-Projektleiter Hayo Seeba. Über eine vorhandene etwa 54 Kilometer lange unterirdische Sole-Leitung wird das Wasser nach Heckelberg geleitet, wo sich in großer Tiefe von Natur aus bereits Salzwasser
befindet.

Erkenntnisse aus Rüdersdorf sollen großflächig genutzt werden

An dem Standort hat EWE bereits seit 2007 Speicher-Erfahrungen. Zwei der insgesamt 37 Erdgaskavernen des niedersächsischen Unternehmens befinden sich dort. Die bereits vorhandene Bohrung wurde für den Bau einer dritten Test-Kaverne genutzt. Nach Unternehmensangaben besitzt EWE 15 Prozent der deutschen Kavernenspeicher, die sich für die Lagerung von Wasserstoff eignen könnten.

EWE will künftig drei bis vier Terawattstunden Wasserstoff im Jahr speichern - etwa 100.000 Tonnen. Damit könnten 16 Millionen Wasserstoff-Autos vollgetankt werden. Wenn in Rüdersdorf alles gut klappt, könnten Erkenntnisse aus dem Projekt auf Kavernen mit dem 1.000-fachen Volumen übertragen werden. Wirtschaftlichkeit vorausgesetzt, wie das Unternehmen betont.

Sendung: Antenne Brandenburg, 26.04.2021, 10:30 Uhr

15 Kommentare

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  1. 15.

    Nicht so eingeengt denken. Wir werden auch in Zukunft einen Mix aus verschiedenen Technologien haben. Jede mit ihrem Vorteil. Die eierlegende Wollmilchsau gibt es auch in der Energiewirtschaft nicht.
    Wasserstoff hat den Riesenvorteil der Gewinnung wenn Energie vorhanden ist. Wenn wir alle mit dem Batterieauto im Sommer bei voller Sonne und gutem Wind im Stau stehen, können wir den schönen Ökostrom nicht nutzen aber die Elektrolyser ackern was geht und wir können nachts den Ökostrom des Tages tanken.
    Und da wo es auf Nutzlast ankommt, sind Batterien nunmal zu schwer. Wenn ein 40 Tonner >20 Tonnen Eigengewicht hat, nützt das nicht viel.
    Und was die Windräder und ihre Zukunft angeht, empfehle ich Vorsicht bei Prognosen über den technischen Fortschritt. Die ersten Heizkraftwerke hatten ein paar MW Leistung. Das macht heute ein mittlerer BHKW-Block.

  2. 14.

    Kaum, erst dann wenn der Normalbürger dazu genoetigt wird mit Bus und Bahn bzw mit demRad zu fahren, wird dann der Strom wohl reichen. Die heutigen gebraeuchlichen Energieerzeuger werden ja noch abgeschaltet und keiner will die Stromtrassen, Windraeder und Sonnenkollektoren vor der eigenen Haustür.
    Es gibt genug Buegerintiativen die dagegen angehen und auch durch kommen dem Sankt Florians Prinzip.

  3. 13.

    Wir haben gar nicht den Platz so viele Windräder zu bauen, dass wir genug Strom für Wasserstoffautos erzeugen können. Die Wirkungsgrade sind zu schlecht. Bei Batterieautos hingegen ist das eigentlich kein Problem und der entstehende Mehrbedarf an Strom wird natürlich schon seit langem in den Plänen für die Energiewende berücksichtigt.

  4. 12.

    Aha, also doch - man hört die immer mehr werdenden leisen Stimmen, die eine direkte Verbrennung im Verbrennermotor als sinnvoll ansehen, und damit modern mit der Zeit gehen. Das versteht man unter Einsatz verschiedener Antriebe, je nach Anwendungsfall. Die Tage der Technologiefeinde sind gezählt?

  5. 11.

    Strom kommt auch nicht aus derSteckdose, wenn jetzt alles auf eAutos umgestellt wird, braucht man wohl wieder konventione Kraftwerke um den Bedarf zu befriediegen, an jeder Leuchte eine Lademoeglichkeit, nicht jeder kann privat laden. Bei Wasserstoff braucht man natürlich auch den Strom, nur das man hier in Tanks und Kavernen speichert und an Tankstellen in kurzer Zeit
    wie eigentlich heute auch tankt. Nur Umweltfreundlich.
    Wasserstoff ist nur eine weitere Altanative, aber imAlltag
    brauchbar, bei längeren Szrecken, einfach zu betanken. Waehrend e Autos mehr was für den Nahbereich sind und da bei mir meist andersweitig bedient wird.

  6. 10.

    Elektroautos dürften sich kaum durchsetzen, da diese Wagen in der Praxis nur in beschränkten Umfang tauglich sind. Da ist das Problem der Ladesäulen insbesondere in Stadtgebieten. Stellen Sie sich Ladesäulen für alle Bewohner in Marzahn-Hellersdorf oder in Der Gropiusstadt vor. Die Reichweite ist zu gering und die Ladezeiten sind entschieden zu lang. Dazu kommt, dass die Batterien in der Herstellung eine sehr schlechte CO2 Bilanz haben und bei Unfällen ein hohes Sicherheitsrisiko besteht.
    Aus all diesen Gründen dürften die E-Autos sich schwer für Alle durchsetzen.

  7. 9.

    Wasserstoffautos machen energetisch einfach keinen Sinn. Vielliecht für Laster oder Schiffe, aber PKW sind mit Batterien viel besser bedient.

  8. 8.

    Noch was aus DDR-Zeiten: Wir hatten hier einen Betonteilproduzenten; meist Sockelsteine für Laubenaufbauten war sein Programm. Sehr zementsparend. Das Wasser lief wie durch einen Schwamm. Fachleute lästeren über den: Mischung 1: Kiesgrube. Meine mit PZ 350 gefertigten Blockfundamente Mischung 1:3 sehen heute noch wie damals aus. Form aus Stahlgerippe mit PVC--Platten. So hält eine Holzterrasse auf Blöcke Jahrzehnte. Mit Pflege. Tipps bei rbb24 . :=)

  9. 7.

    Für die Zementherstellung benötigt man keinen Sand. Normenkies allerdings für Normenbeton. Laborgeprüft auf Druckfestigkeit. Ich kenne das Gesamtproblem; Herr Neumann. Scharfer Kies ist kein Sand.

  10. 6.

    Zement ist bald nicht mehr im großen Stil. Es gibt bald keinen Sand mehr. S. ZDF Magazin Royale von Böhmermann zum Thema.

  11. 5.

    Den Verlauf der Solespülleitung kennt hier jeder und den Verlauf vom Kanal auch. Was ziert ihr euch ?

  12. 4.

    Es ist trauig das man erst jetzt Grundlagenforschung zum
    Thema Wasserstoff, dessen Lagerung und Anwendung be
    treibt.
    Zu meiner Schulzeit, ich bin einer von den geburtenstarken Jahrgängen, wurde die Brennstoffzelle
    von einnem größen deutschen Autokonzern, in einem Auto zur Verwendung gebracht. Dann aber, weil Spritmotoren gaengiger waren, nicht mehr weiter zur
    serieproduktion gebracht. Einzig die Japaner forschten weiter und es gibt Autos mit Wasserstoff etwas anfangen
    Können. Brennstoffzellen sind alsp nicht nur für ortsgebundene Generatoren etc. sondern auch für die
    normale Mobilität. Man hat nur einfach mal wieder die
    Forschung und Anwendung in Deutschland verschlafenen.

  13. 3.

    Die Aussolleitung verläuft vom Museeumspark ( liegt am Mühlenfließ ) wird durch das abgepumpte Tagebauwasser gespeist und verläuft über Berg und Tal auch durch das Ortszentrum ( am Rand ) und letztlich bergauf zum EWE-Speichergebiet Nähe TRAM88. Heckelberg hat poröse Gesteinsschicht. Dort lagert schon die Sole aus den Gasspeichern.

  14. 2.

    Habe mal als Schüler in einen Drehrohrofen von der Seite der Granalienzufuhr hineingesehen. Die kullern regelrecht der Brennstelle entgegen und werden dann nach dem Brand in z. B. Kugelmühlen zermahlen. Der Kugelabrieb ist dann Zuschlagstoff u. (Härtebildner ? ). Nun verbrennt aber H2 zu H2O. Kann mir nicht vorsellen, dass nur H2 verwendet wird.

  15. 1.

    Die Zementindustrie benötigt auch einen klimaneutralen Energieträger wie auch viele andere Wasserstoff als Ersatz für fossile Energieträger einsetzen wollen. Außerhalb des Sendegebietes des RBB plant z.B. Thyssen Krupp im ersten Schritt, Koks im Hochofen teilweise zu ersetzen und später sogar eine neuen Hochofen für Erdgas und H2 zu bauen. In der Luftfahrt wird ebenfalls über den Einsatz von H2 nachgedacht, entweder als Ausgangsstoff für synthetisches Kerosin oder ggf. auch zur direkten Verbrennung im Flugzeug.

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