Streit um Oder-Ausbaupläne - Neue Staustufen in Polen verlagern Probleme weiter stromabwärts

Fr 19.11.21 | 21:13 Uhr
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Symbolbild: Staustufen (Quelle: dpa/M. Kuehn)
Bild: dpa/M. Kuehn

Polen plant neue Staustufen für die Oder – ein umstrittenes Projekt, das unter anderem Umweltschützer kritisieren. Doch auch ohne die neuen Staustufen hätte der Fluss ein Problem. Von Fred Pilarski

Polen will die Oder ausbauen – viel stärker als dies bislang mit Deutschland verabredet wurde. Aus polnischen Unterlagen geht hervor, dass allein im Bereich der Grenzoder neun Staustufen geplant sind.

Umweltschützer kritisieren die Vorhaben. "Die Oder würde sich in eine Kette von Stauseen verwandeln, die Vielfalt der Lebensräume und Arten verlorengehen", sagt Sascha Maier, Gewässerreferent beim Bund für Umwelt- und Naturschutz. Fäulnisprozesse in den neu angestauten Flächen könnten zunächst zu einem klimaschädlichen Methanausstoß führen.

Andreas Schmidt von der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) in Karlsruhe hält einen Komplett-Ausbau der Oder, wie ihn Polen plant, nur theoretisch für machbar. "Da ist technisch nichts illusorisch dran", sagt er dem rbb. Solche Flussregulierungen würden jedoch etliche Milliarden kosten und seien wegen erheblicher Eingriffe in die Ökosysteme nicht mehr zeitgemäß.

Erosionsschäden hinter der letzten Staustufe

Doch ohne neue Staustufen gäbe es ein anderes Problem, wie man an der neuesten Staustufe der Oder in Malczyce, unterhalb von Breslau (Wroclaw) besichtigen kann. Die Fluss-Sperre lässt die Oder dort an die 400 Meter breit werden und erzeugt eine etwa viereinhalb Meter große Höhenstufe.

Nötig geworden sei der Bau durch Erosionsschäden, die von der nächsten stromauf liegenden Staustufe in Brzeg Dolny ausgegangen waren, erklärt Marian Szpak, Betriebsleiter in Malczyce. Die Oder hatte sich hinter der Staustufe mehrere Meter tief in ihr Bett gegraben. Der Flussquerschnitt war eingeengt, der Grundwasserspiegel in der Umgebung deutlich gesunken.

Das Problem verlagere sich stromabwärts

Frei fließende Flüsse schieben Sand und Geröll vor sich her. Bei stauregulierten Flüssen bleibt das Material in den Staustufen hängen, auf dieses Problem weist Szpak hin. Bekommen sie hinter der letzten Staustufe ihr natürliches Gefälle zurück, müssen aber die Last von Sand und Geröll nicht mitschleppen, graben sie sich tiefer ein. Die Probleme verlagern sich mit dem Bau jeder neuen Staustufe also immer weiter stromabwärts.

Für Wasserbauer wie Marian Szpak hieße die Konsequenz daraus, immer weiter zu bauen. Die Staustufen-Kaskade – einst von preußischen Wasserbauern am Oberlauf begonnen – müsste demnach die gesamte Oder bis zur Ostseemündung erfassen.

Erfahrungen vom Rhein

Das deckt sich mit den polnischen Regierungsplänen zum Komplett-Ausbau der Oder. Diese sind wiederum Teil einer noch größeren Vision: Der einer Donau-Oder-Elbe-Verbindung, die auch von Tschechien gefördert wird.

Was aber wäre die Alternative zum fortwährenden Staustufenbau? Der Rhein hat hinter der letzten Staustufe Iffezheim ein ähnliches Problem. Dort lässt die Bundeswasserstraßenverwaltung seit 1978 jedes Jahr Hunderttausende Tonnen Kies in den Fluss kippen, um die Erosion auszugleichen. Eine teure Lösung, die für die Oder technisch kaum übertragbar scheint. Dort ist das Flussbett nicht aus grobem Kies, sondern eher aus Sand. Der wäre dann buchstäblich wie gewonnen, so zerronnen. Langfristig stelle sich die Frage, so BUND-Experte Sascha Maier, ob ein Rückbau der Staustufen am Oberlauf nicht sinnvoller wäre.

Sendung: Antenne Brandenburg, 16.11.2021, 15 Uhr

11 Kommentare

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  1. 11.

    Sehr geehrter Herr Dominik,
    ist in Magdeburg das gleiche. Und in Hamburg wollen die bis Cuxhaven eine Elbvertiefung.
    Mit freundl. Grüßen

  2. 10.

    Gibt es irgendwo eine Berechnung was klimafreundlicher ist, Güter auf Wasserstraße oder auf elektrifizierte Bahnlinie?

    Gerne auch nochmal für Umweltfreundlichkeit. Das immer tiefer ausbaggern, Wasserbedarf für Kanäle, Begradigungen ....Bei ungefähr Klima Gleichstand bin ich persönlich 100% für natürliche Flüsse.

    Hier an der Elbe ist das einfach Irrsinnig. Riesa ist zb ein Super GVZ mit Kombi Straße/Schiene, aber über die Elbe geht in dem "Hafen" kaum was....

  3. 9.

    Schade das ich mich nicht so ausdrücken kann, dass man es versteht... das „im Kreis drehen“ bringt nichts mehr. Dann muss die Zeit es richten..

  4. 8.

    Da gibt es keinen kurzen oder langen Hebel. Einen Grenzfluss kann man nicht nur von einer Seite bewirtschaften.
    Soll Polen halbseitige Staustufen bauen. Wird wohl nix bringen und nicht lange halten. Beim Bahnübergang kann man das machen aber nicht mit Wasser, das findet seinen Weg immer der Schwerkraft folgend.

  5. 7.

    An dieser Stelle sitzen die Polen am längerem Hebel. Die brauchen nur anstauen und abwarten...ca. alle 10 Jahre m u s s weitergebaut werden, um den Sedimentabbau entgegenzuwirken, was einleuchtet. Besser ist, die deutsche Seite macht mit - oder?

  6. 6.

    Ich stimme dem BUND-Experten Sascha Maier zu, daß ein Rückbau der Staustufen am Oberlauf sinnvoller ist. Wenn Polen die Oder im Bereich der Staatsgrenze stauen will, geht da nicht ohne Deutschlöand. Sonst kann Polen auf seiner Seite eine Staumauer bauen und auf deutscher Seite kann die Oder frei fließen.

  7. 5.

    Alles nur eine Erfindung ODER wie?
    Der Ausbau der Schienenwege wäre auf jeden Fall schneller, billiger und umweltschonender.

  8. 4.

    Ich glaube auch das waren eher Studien was wäre wenn, was könnte man machen.. die jetzt hier so aufgebauscht werden.
    Ist nicht die Oder natürliche Grenze? Für so eine Staustufe müsste auch auf deutscher Seite gebaut werden.

  9. 3.

    Man kann nicht verstehen, warum Journalisten über Nachbarn so schreiben. „Auf Augenhöhe“ ist was anderes. Ist bei der Bezahlung von polnischen Fachkräften auch so, obwohl die aus einem Land kommen, das bei Pisa weit vor uns liegt. Die arrogant anmutende deutsche Sicht auf die polnische Ausbildung bedeutet, dass man als Deutscher dann auch nicht ernst genommen wird. Aus polnischer Fachsicht, bekommen wir eine schiffbare Oder von See zu See, ähnlich der Havel. Was für eine Möglichkeit für die Kräfte der Natur...Und die Polen brauchen uns nicht dafür, weil wir nur reagieren können. Entweder wir machen konstruktiv mit oder lassen es halt. Was ist wohl besser?

  10. 2.

    Bitte verlangen Sie nicht das unmögliche vom rbb. Ausgewogenheit beim Thema Oder liegt dem Sender fern. Es ist leider nicht der MDR oder der NDR. Und was hier gesagt wird ist einfach Unsinn, Polen plant überhaupt keine Staustufen.

  11. 1.

    Als Deutscher mit guten Verbindungen zu Bewohnern in Oberschlesien vermisse ich die etwas ausgewogenere Betrachtung. Die Oder ist für Polen eben auch ein Wirtschaftsgut und eine Wasserstraße, die eine hohe wirtschaftliche Bedeutung erreichen kann und ähnlich der, wie sie die im Vorkriegsdeutschland auch hatte. Da war die Oder schiffbar von Cosel in Oberschlesien bis nach Stettin. Auch die Ansiedelunggen von Teslar und anderen größeren Unternehmen in Odernähe auf deutscher Seite lassen die Frage aufkommen, warum wird die Oder nicht mehr genutzt, um den Massengüterumschlag umweltschonend auf das Wasser zu verlagern. . Der jetzige Zustand ist Ergebnis eines von Deutschland angezettelten furchtbaren Krieges, womit die Oder zunächst auf die Stunde Null zurückgeworfen wurde. Das muss so bleiben.

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