Befristeter Anbau auf Brachflächen - EU-Kommission will im Ukraine-Krieg heimische Lebensmittelproduktion ankurbeln

Mi 23.03.22 | 18:28 Uhr
  17
Symbiolbild: Brach- und Ausgleichsflächen. (Quelle: F.Herrmann/Blickwinkel)
Audio: Antenne Brandenburg 23.03.2022 | Robert Schwaß | Bild: F.Herrmann/Blickwinkel

Wegen Putins Krieg bleiben die Lieferungen aus den Kornkammern der Ukraine und Russlands aus. Die EU-Kommission will die eigene Lebensmittelproduktion erhöhen und nimmt dafür auch Brachflächen ins Visier.

Die russische Invasion in der Ukraine bringt in erster Linie unvorstellbares Leid über die heimische Bevölkerung. Doch schon jetzt wird vor globalen Folgen des Krieges gewarnt. Die Ukraine und Russland sind wichtige Getreide-Produzenten. Ernteausfälle kann vor allem in ärmeren Ländern zu Lebensmittel-Knappheit führen.

Doch auch in der EU werden Vorkehrungen getroffen. Die EU-Komission hat am Mittwoch angesichts befürchteter Importausfälle von Getreide aus der Ukraine und Russland Pläne für eine gesteigerte Lebensmittelproduktion in der EU vorgestellt. Die Abhängigkeit der europäischen Landwirtschaft von Energie- und Futtermittelimporten zu verringern sei "mehr denn je eine Notwendigkeit", teilte die Kommission in Brüssel mit. Eine Lebensmittelknappheit in der EU drohe jedoch nicht.

Das plant die EU-Kommission

Zur Ankurbelung der Produktion plant die Kommission, vorübergehend die Bewirtschaftung von Brachflächen zu gestatten, die eigentlich zur Förderung der Artenvielfalt dienen sollen. Auf diesen Flächen sollen nun vor allem Futterpflanzen wie Soja und Mais angebaut werden dürfen, die in der Tiermast eingesetzt werden. Bislang kam mehr als die Hälfte des Maises in der EU aus der Ukraine.

Um europäische Bauern bei Preisschwankungen und bei der Produktion zu unterstützen, soll es zudem rund 500 Millionen Euro an Finanzhilfen geben. Davon sind der Kommission zufolge rund 60 Millionen Euro für Bauern in Deutschland vorgesehen.

Die Mittel sollen aus der sogenannten Krisenreserve für den Landwirtschaftsbereich kommen, die im EU-Haushalt für das laufende Jahr vorgesehen ist. Den Vorschlägen müssen noch die Mitgliedstaaten und das EU-Parlament zustimmen.

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Verbände befürchten, dass mit dem Bebauen von Brachflächen die Ziele für eine nachhaltigere Landwirtschaft untergraben werden könnten.

Kritik von vereinzelten Brandenburger Landwirten

Timo Scheib, Landwirt aus Biesdorf bei Wriezen und Mitglied der "Freien Bauern", baut auf seinen 250 Hektar Land verschiedene Getreidesorten an. "Die Puffer- und auch Randstreifen, die wir haben, ist nicht die Masse. Die meisten haben ihren schlechtesten Boden für die Stilllegung hergegeben. Da jetzt innerhalb dieses Jahres noch irgendwelche Lebensmittel zu produzieren, ist Quatsch. Das Einzige, was jetzt noch wäre, wären Sonnenblumen oder Sommerfrüchte wie Erbsen oder Mais", erklärt er in Bezug auf die Maßnahmen der EU-Kommission. Deshalb solle schon jetzt die Pflicht zur Stilllegung von vier Prozent der gesamten Ackerflächen in der EU für 2023 aufgehoben werden, findet Timo Scheib.

EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski schloss das am Mittwoch zumindest nicht gänzlich aus. Eine Entscheidung solle im Laufe des Jahres fallen, so der Pole. Für Scheib ist jedoch schon jetzt klar, "dass wir zivilen Ungehorsam machen und die vier Prozent trotzdem anbauen und da auf Subventionen verzichten".

Auch für den Vorsitzenden des Brandenburger Bauernverbandes, Henrik Wendorff, geht die Nutzung stillgelegter Flächen in die richtige Richtung. Er stellt fest, dass "Mangel an verfügbarem Dünger und Saatgut eine vollumfängliche Nutzung der Stilllegungs-, Brachflächen auch in Brandenburg behindert".

Sinnvoller sei es dagegen, so Wendorff, den Weg zur Klimaneutralität (Green Deal) flexibler zu gestalten, ohne die grundsätzliche Umsetzung in Frage zu stellen. "Gerade auf heimischem Acker, auf Flächen, die uns zur Verfügung stehen, muss Produktion stabilisiert werden. Hier können an der einen oder anderen Stelle auch Vorgaben hinsichtlich Insektenschutz, Biodiversität, Artenvielfalt oder auch Reduzierung von Pflanzenschutz und Düngemittel zeitweise zurückgestellt werden."

Sendung: Antenne Brandenburg, 23.03.2022, 16:40 Uhr

Mit Material von Robert Schwaß

 

17 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 17.

    Ich nehme an, der Klatschmohn soll für die zum Insektenschutz eingerichteten und nun zur Disposition gestellten sogenannten Blühstreifen bzw. -flächen stehen.

  2. 16.

    Der Mohn wurde vieleicht ausgewählt, weil die Ukraine nicht nur für Anbau von Weizen bekannt ist, sondern auch für Mohn, beides bekannte und sehr gefragte Exportartikel.

  3. 15.

    Im Tiergarten wurden auch schon mal Kartoffeln angebaut, alles nichts Neues.

  4. 14.

    Das Thema Regiosaat hat mir mal ein Berater für Naturschutz nahgelegt. Die Naturschutzbehörden verlangen Regiosaat bei Ausgleichsmassnahmen, dabei gibt es in Brandenburg kaum regionales Saatgut, obwohl die EU das seit längerem fordert.
    Wobei wir mit dem ZALF in Müncheberg über einen Leuchtturm im Bereich landwirtschaftlicher Forschung verfügen.
    Immerhin 50% vom Land finanziert.
    Wäre sicher mal eine tiefere Recherche der 4ten gewalt sinnvoll.


  5. 13.

    Das ist EU Politik, da hatten die Grünen noch nie eine Mehrheit.

  6. 12.

    "heute ist gefühlt jeder zweite Jugendliche dem Fleische nicht besonders zugeneigt" - ist eine Lebensphase wie andere Lebensphasen auch. Man stelle sich vor: Die Eltern wären vegan. Dann würden die Teens anders sein wollen und die einseitige Ernährung kritisieren...?

  7. 11.

    Beruhigt mich zu lesen, dass die EU mal etwas lockern möchte - aber (scheinbar) befristet.
    Da frage ich mich widerum was wichtiger ist - ein Schmetterling oder ein Brot?
    Tendenziell würde ich mich immer für's Brot entscheiden. Auch auf längerer Sicht.

  8. 10.

    Gut kommentiert. So manche "Greenwasher" wollen durch Verzicht das Problem lösen, wobei der Fordernde auch gleich der Schiedsrichter ist? Man ahnt schon, wo das hinführt.
    Beim äußerst wichtigen Saatgut sollte man etwas länger "verweilen". Dieses Thema, es selber vor Ort zu erzeugen, hat ja auch den Charme, alte patentgeschützte Gewinnstrukturen aufzubrechen, da die zwar notwendigen Margen an manchen Stellen schon fast "mafiaähnliche" Zustände entwickelt haben. Einfach ist es nicht, aber mit Wollen doch machbar. In wieweit das zu Brandenburg passt weiß man nicht, am Prozess der Herstellung liegt es sicher nicht...

  9. 9.

    Schon vergessen, das ist grüne Politik. Es sollten mehr Biogasanlagen gebaut werden und E 10 wurde einegführt. Ab diesem Zeitpunkt wurde verstärkt auf Mais- und Rapsanbau umgestellt. Landwirtschaft ist kein Garten, da baue ich an was mir gefällt. Von der Landwirtschaft müssen die Erzeuger leben.

  10. 8.

    Super - da hat´s im Kopp echt nicht "klick" gemacht... anstelle jetzt die K...e mit der miesen Tierwirtschaft einzuschränken, wird Futtermais auf ökologische Ausgleichsflächen geklatscht. Damit das 1-Euro-Lidl-Fleisch am Schluss nicht verkauft und weggeschmissen wird. Unfassbar!

  11. 7.

    Dar Bauer baut das an, was er glaubt am besten zu verkaufen. Da hilft auch kein ideologisches Wünschen von weniger Fleischverbrauch, wenn der Verbraucher nicht mitspielt.
    Etwas Planung heißt nicht gleich Planwirtschaft.
    Lenken kann man das nur über Preise und Marketing.
    Die junge heranwachsende Generation scheint die Nahrungswende aber zu vollziehen. Das Wort Vegetarier gab es in meiner Jugend überhaupt noch nicht und heute ist gefühlt jeder zweite Jugendliche dem Fleische nicht besonders zugeneigt.

  12. 6.

    Bericht gelesen?
    Welcher Landwirt ahnte vor dem Winter, dass Putin komplett durchdreht? Wenn nichtmal die Ukrainer bis kurz vor Kriegsbeginn es kaum für möglich gehalten haben.
    Russicher und ukrainischer Weizen ist für DEU und EU kaum relevant, wurde bislang zumindest kommuniziert. Da hängen eher Afrika und der nahe Osten dran. Achtung nächste Flüchtlingswelle!
    Für die Brachflächen ist auch nicht von Weizen sondern von Futtermitteln die Rede. Viel mehr dürfte da auch nicht mehr wachsen. Ist ja nicht umsonst Brachland.
    Für Deutschland im speziellen dürfte die momentante Trockenheit das größere Nahrungsmittelproblem werden.
    So schnell ändert sich die Welt. Voriges Jahr war Klärschlamm noch ein Entsorgungsproblem. In diesem Jahr sind die Bauern froh, wenn sie noch etwas bekommen können.
    Thema Saatgut. Es gibt schon länger eine EU-Richtlinie regionales Saatgut zu produzieren. Mindestens ein Bundesland hat es wohl richtig verschlafen ausreichend Kapazitäten aufzubauen. Welches wohl?

  13. 5.

    Der Artikel scheint sich nicht recht entscheiden zu können, ob es hier nun um Futtermittel oder Lebensmittel geht. Pflanzliches als Lebensmittel anzubauen, wäre vor allem bei der derzeitigen Lage mit Krieg, Klimakrise und Co. weitaus sinnvoller. Die Menschen werden ja wohl mal in der Lage sein, auf Fleisch zu verzichten, damit alle mehr zu essen zu haben und die nächsten Jahre gut überstehen. Hab wirklich keine Ahnung, wie man jetzt noch auf ressourcenverschwendende tierische Lebensmittel baut.

  14. 4.

    Wenn ich lese, das die EU sich der Probleme annehmen will, wird mir Angst und Bange. Zu allgegenwärtig sind bei mir noch die unglücklichen Versuche Impfstoffe bei Coronaausbruch zu beschaffen. Die ebenso misslungenen Versuche etwas gegen die hohen Energiekosten zu tun. Nun versuchen es die Damen und Herren mit der Landwirtschaft. Da kann ich nur sagen “Leute kauft Kämme, es kommen lausiige Zeiten”.

  15. 3.

    Was für ein Quatsch. Wie wäre es stattdessen mal ein bisschen weniger Mais und Raps in den Tank von Autos zu kippen? Schon hätten wir eine Menge Fläche für Lebensmittel. Oder vielleicht einfach mal ein bisschen weniger Fleisch produzieren.

  16. 2.

    Bisschen spät um an sowas zu denken.
    Winterweizen hätte schon letztes jahr in der erde sein müssen.
    Aber gut. Es kommt ja noch ein Winter.
    Viel erfolg bei der Nahrungsbeschaffung.
    Ich baue mein eigenes Zeug an

  17. 1.

    Warum da jetzt Klatschmohn als Teaserbild für diesen Artikel zum Thema Nahrungsmittel vom Feld gewählt wurde, erschließt sich mir nicht.
    Also wenn Mohn als Nahrungsquelle, dann hätten einige doch sicher gerne den Schlafmohn als Grundnahrungsmittel.. ;-))

Nächster Artikel