Interview | Dudenhöffer zum Automarkt - "Kunden haben nicht die Geduld, unendlich lange auf ein Fahrzeug zu warten"

So 12.06.22 | 16:53 Uhr
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Fahrzeuge von Tesla werden in einer Fabrik hergestellt. (Quelle: dpa/Bob Daemmrich)
Bild: dpa/Bob Daemmrich

Lange Lieferzeiten und hohe Preise: Der Markt für Neufahrzeuge und junge Gebrauchte ist durch internationale Krisen und Lieferengpässe angespannt. Das werde sich aber wieder normalisieren, sagt Autoexperte Dudenhöffer.

Wer derzeit über den Kauf eines Neufahrzeuges oder eines Gebrauchten nachdenkt, muss starke Nerven und einen gutgefüllten Geldbeutel vorweisen. Durch internationale Krisen und gestörte Lieferketten haben sich Lieferzeiten verlängert und die Preise deutlich erhöht. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer spricht im Interview über die derzeitigen Probleme und macht Hoffnung auf bessere Zeiten.

rbb|24: Herr Dudenhöffer, Kunden klagen seit längerem über höhere Preise und längere Wartezeiten für Neufahrzeuge. Was sind die Gründe für die angespannte Marktsituation?

Ferdinand Dudenhöffer: Es gibt verschiedene Gründe, warum die Wartezeiten bei allen Fahrzeugen so lange sind. Der Hauptgrund sind fehlende Halbleiter. Mit Corona ist die Welt für die Digitalisierung neu erfunden worden, und es hat daraufhin einen Riesenbedarf in allen Branchen stattgefunden. Diese Nachfrage ist nach wie vor sehr hoch. Deshalb müssen neue Produktionsstätten für Halbleiter gebaut werden. So etwas dauert drei, vier Jahre. Solange diese noch nicht produziert werden können, werden wir mit dem Problem leben müssen. Anfang nächsten Jahres wird es aber besser.

Zur Person

Prof. Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte (Quelle: dpa/Bernd Thissen)
dpa/Bernd Thissen

Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer ist gelernter Wirtschaftswissenschaftler. Von 1996 bis 2008 war er Professor an der Fachhochschule Gelsenkirchen. Von 2008 bis 2020 war er Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. Derzeit ist er Direktor am Center Automotive Research in Duisburg.

Zwischendrin gibt es immer wieder Probleme. Zum Beispiel dadurch, dass in Shanghai oder in Peking Lockdowns sind und Transportketten reißen. Großes Problem ist auch der Ukraine-Krieg. Es gibt immer wieder solch einzelne Effekte. Diese lösen sich relativ schnell wieder auf. Das große Problem ist das Halbleiter-Problem. Wir brauchen nur noch eine gewisse Zeit, um es zu lösen.

Sind davon alle Autohersteller gleichermaßen betroffen oder gibt es da Unterschiede?

Es gibt Unterschiede. Elektroautos brauchen grundsätzlich mehr Halbleiter, mehr Chips als Verbrenner. Bei den Autobauern ist es so, dass einige in ihren Einkaufsprozessen ausgeglichener arbeiten, mehrere Lieferanten haben, um damit dann Produktionsausfälle ausgleichen zu können. Aber auch das geht nur eine Zeit lang. Toyota, die Koreaner Hyundai und Kia, BMW haben relativ stabile Einkaufs- und Zulieferprozesse. Bei Unternehmen wie VW oder Mercedes ist es in den letzten Jahren eher weniger stabil gewesen. Dort wird das neu aufgebaut. Aber grundsätzlich erreicht das Halbleiter-Problem alle. Bei dem einen früher, bei dem anderen später.

Und wie sieht die Situation bei Tesla in Grünheide (Oder-Spree) aus?

Bei Tesla, die jetzt in Grünheide Stück für Stück anfangen zu produzieren, ist es genau das gleiche Bild. Das Unternehmen konnte aber auf die Probleme schneller reagieren. Es ist ein unendlich dynamisches Unternehmen. Tesla reagiert sehr schnell mit Änderungen am Produkt, am Fahrzeug selbst, um beispielsweise auf Halbleiter verzichten zu können. Zudem kennt Elon Musk die Chipbranche und die IT-Branche sehr gut. Daher hat Tesla am Anfang sicherlich Lieferbeziehungen gehabt, die stabiler sind als bei anderen. Aber grundsätzlich gilt: Auch Tesla ist von der Halbleiterkrise betroffen.

Vor allem Elektrofahrzeuge sollen derzeit schwer zu haben und auch deutlich teurer sein. Liegt das nur an den fehlenden Halbleitern oder gibt es da noch andere Gründe dafür?

Dass man bei vollelektrischen Fahrzeugen mehr Halbleiter braucht, ist ein Grund, aber nicht der ausschließliche. Ein zweiter Grund ist, dass die Unternehmen derzeit auch Lieferprobleme bei den Batteriezellen, bei den Lithium-Ionen-Zellen haben. Die werden heute überwiegend aus China und aus Korea importiert.

Derzeit lässt in Erfurt die CATL ihre Fabrik langsam hochlaufen. Dort werden Batteriezellen gebaut. Auch im Saarland und in Salzgitter werden Produktionsstätten für die Batteriezellen geschaffen. Die heute fehlenden Fabriken sind auch beim derzeitigen Angebot der Elektroautos spürbar und erkennbar. Beide Engpässe - die Chips und die Zellen zusammen - bringen natürlich den Effekt, dass Elektroautos knapp sind und teurer.

Wird die Nachfrage nach Elektroautos auch im Hinblick auf die Mobilitätswende Ihrer Meinung nach darunter leiden, dass die Autos derzeit schwerer zu haben und deutlich teurer sind?

Kunden haben nicht die Geduld, unendlich lange auf ein Fahrzeug zu warten. Bei Standardfahrzeugen wartet man drei, vier, fünf Monate. Dauert es länger, springt der Kunde ab und kauft sich ein anderes Fahrzeug, findet eine Zwischenlösung oder nutzt sein derzeitiges Fahrzeug länger. Derzeit ist es so, dass durch die Umweltprämie, die bezahlt wird, noch ein großer Anreiz ist, Elektroautos zu kaufen. Aber da brauchen wir auch mehr politische Stabilität.

Habeck macht mit seinen Bemerkungen den Käufer des Elektroautos wenig Mut und ist damit eher schädlich für den Hochlauf der Elektromobilität.

Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer

Denn es ist unsicher, was Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vorhat. Er redet mal davon, dass die Plug-in Hybriden nächstes Jahr überhaupt nicht mehr gefördert werden sollen. Deshalb gehen alle davon aus, dass der Markt zusammenbricht. Er spricht gleichzeitig auch davon, dass er die Subventionen für die vollelektrischen Fahrzeuge zurückdrehen will. Das ist wirklich Gift für den Hochlauf der Elektromobilität. Wer solche unpräzisen Ankündigungen macht, der verunsichert Käufer. Habeck macht mit seinen Bemerkungen den Käufer des Elektroautos wenig Mut und ist damit eher schädlich für den Hochlauf der Elektromobilität.

Trotz hoher Preise und langer Wartezeiten für Neufahrzeuge machen die Autohersteller deutlich mehr Gewinn pro Fahrzeug und haben auch selten Rabattaktionen im Angebot. Nutzen die Hersteller die derzeitige Situation aus?

Wenn Kunden Schlange stehen, dann muss man nicht mit Rabatten um sie kämpfen. In der Situation ist man heute. Es gibt trotzdem Rabatte. Diese kriegt man dann, wenn man die lange Lieferzeit in Kauf nimmt. Also viele Fahrzeuge, wie zum Beispiel Tageszulassungen oder Vorführwagen mit wenig Kilometern, werden zu Listenpreisen, manchmal sogar über Listenpreise verkauft, weil man eine gewisse Knappheit hat. Das heißt, die Autohändler nutzen diese Situation aus, um dann mehr Gewinn zu machen. Das ist menschliches Verhalten, was man überall sieht.

Dieses Verhalten wird sich aber auch wieder entkrampfen. Wir werden in ein, zwei Jahren, je nachdem wie dann die Zulieferer-Engpässe sind, zu den Rabatten zurückkehren. Die heutigen Rabatte, die zum Beispiel bei Renault bis zu 20 Prozent hochgehen, erhält man derzeit, wenn man neun oder zwölf Monate auf das Fahrzeug wartet. Der Rabatt wird heute für die Lieferzeit bezahlt.

Sie gehen also davon aus, dass sich die angespannte Situation wieder entspannt?

Absolut gehen wir davon aus. Weltweit haben wir derzeit Überkapazitäten oder nicht genutzte Kapazitäten von gut 17 Millionen Fahrzeugen. Die könnten gebaut werden. Die Fabriken stehen, die Mitarbeiter sind dort eingestellt. Es fehlt an Zulieferteilen. Und diese Engpässe, die lösen sich jetzt langsam auf. Dieser Halbleiter-Engpass ist das größte Problem. Da wird man spätestens 2024 volle Verfügbarkeit haben. Es wird aber schon 2023 der Fall sein, dass die Situation deutlich besser wird. Wenn die Fabriken wieder mehr produzieren, dann wird der Kunde Stück für Stück und langsam wieder zum König.

Wenn die Fabriken wieder mehr produzieren, dann wird der Kunde Stück für Stück und langsam wieder zum König.

Ferdinand Dudenhöffer

Das Gleiche gilt auch für Gebrauchtwagen. Wer heute den Gebrauchtwagen hat und den irgendwann verkaufen will, der sollte ihn heute verkaufen. Denn in einem halben Jahr, in einem dreiviertel Jahr kann es sein, dass er wieder in der Saure-Gurken-Zeit sitzt und weniger für das Fahrzeug kriegt.

Das sind gute Neuigkeiten. Gehen Sie denn auch davon aus, dass sich die Benzin- und Dieselpreise wieder normalisieren?

Wenn man den Benzin- und Diesel-Markt beziehungsweise die Rohölförderung und die Rohölpreise weltweit beobachtet, sind auch immer, wenn politische Krisen auftauchen, auch höhere Preise zu erwarten. Hinzu kommt, wenn Engpässe durch beispielsweise Corona irgendwo auftreten, dass Lieferketten gestört sind. Der Ölmarkt reagiert dann relativ stark. Aber wir wissen, dass diese Situation immer nur zeitlich begrenzt war und die Preise dann wieder sinken.

Das Hauptargument für diese Überlegung ist: Es gibt viel zu viel Öl. Das können wir auch eigentlich nie verbrennen. Das heißt alle, die heute Erdölreserven haben, egal ob Saudi-Arabien, Venezuela, Russland oder andere Länder – alle haben ein Interesse, möglichst viel Profit aus ihren Vorräten zu beziehen. Deshalb hat sich die Opec auch entschieden, die Förderquoten zu steigern. Und wenn die Förderquoten gesteigert werden, haben wir ein größeres Angebot. Dann werden die Preise wieder Stück für Stück nach unten gehen. Je nachdem wie sich politische Krisen entwickeln, je nachdem wie sich dieser Ukraine-Krieg entwickelt, werden wir sehen, ob es schnell, mittelfristig oder erst längerfristig stattfindet. Aber nach spätestens zwei Jahren sollten die Benzin- und Dieselpreise wieder dort sein, wo sie vor dem Ukraine-Krieg gewesen sind.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview für rbb|24 führte Martin Krauß.

13 Kommentare

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  1. 13.

    "Aber nach spätestens zwei Jahren sollten die Benzin- und Dieselpreise wieder dort sein, wo sie vor dem Ukraine-Krieg gewesen sind."
    Wow - das beruhigt.

  2. 12.

    Passend dazu hat VW in Zwickau die Produktion von Zwei- auf Dreischichtbetrieb umgestellt wie ja auch in Emden die di erste Fertigungsstraße nach dem Umbau für E-Autos gerade hochläuft.

  3. 11.

    Man kann bemerken, dass er Vergangenes interpretiert ohne was Neues zu sagen...

  4. 10.

    Was der Dudenhöffer verlautbart, ist nahezu nie passend oder interessant. Seine Ansichten sind recht umstritten und die meisten versuchen ihn einfach zu ignorieren.
    Wer seinen Weg kennt, bemerkt, dass Klappern zwar zum Handwerk gehört, jedoch interne Infos der Automobilindustrie noch wichtiger wären.

  5. 9.

    "... die Autohändler nutzen diese Situation aus um mehr Gewinn zu machen. Das ist menschliches Verhalten, dass sieht man überall...".
    Menschliches Verhalten? Gerne redet man von unseren Werten, ob nun christlich, solidarisch oder europäisch. Verhalten sich also die Autohändler oder die Mineralölkonzerne nur "menschlich" oder sind das einfach nur die Spielregeln des Kapitalismus? Folglich Kapitalismus gleich menschlich?

  6. 8.

    Mögliche Gewinne schaffen Innovationanreize. Oder wollen Sie wieder Trabi fahren? Selbst beim Fahrrad hatten VEB Mifa-Werk Sangerhausen und IFA Zweiradkombinat Suhl den Anschluss an den Weltstandard verloren.

  7. 7.

    Zu DDR-Zeiten hat man mit Geburt eines Kindes auch gleich einen Trabi bestellt, Wartezeit dann ca. 18 Jahre :-))) Da war dann auch der Verkehr automatisch reduziert und die Straßen nicht ganz so voll :-)) Kleiner Scherz am Rande....

  8. 6.

    Die Preise müssten nicht zwangsläufig steigen, wenn die Gewinnausschüttungen reduziert würden. Das jedoch widerspricht dem derzeit herrschenden System.

  9. 5.

    Stimmt Der Markt für junge Gebrauchte ist angespannt. Ich wüsste zur Zeit keinen Autohändler, dessen Hof nicht überquillt mit gebrauchten Fahrzeugen. Die Auswahl ist riesengroß. Also abwarten und weiter das eigene alte Fahrzeug fahren. Und 2034 dann das letzte Auto kaufen und 20 Jahre fahren. Bin dann 95.

  10. 4.

    Naja, ich würde z.B. Magdeburg, Erfurt, Salzgitter und Saarbrücken nicht unbedingt in Asien verorten ;-)Das Ukraine-Problem ist durch eine Verlagerung der Fabrik nach Polen schon erheblich kleiner geworden. Auch einen Produktionsstandort als Ersatz für die im gezeigten Bild von Lockdowns betroffene Fabrik gibt es ja schon.

    Dabei liegt Dudenhöffer allerdings nur bedingt richtig, wenn er sagt, dass E-Auto mehr Chips brauchen. Es ist die Vielzahl an Assistenzsystemen, die zu einem erhöhten Bedarf führen. Die werden aber auch in Verbrennern verbaut wie die auch einen automatischen Notruf absetzen können müssen. Neben den derzeit nicht zu bekommenden Rabatten oder manchen Extras fehlen auch oft auch Bestellmöglichkeiten für Basisversionen. Da führt zu der auf den ersten Blick kuriosen Situation, dass trotz geringerem Stückzahl die Umsätze steigen.

  11. 3.

    Ja, es ist sehr komplex. Für mehr Produktionsstätten in Europa fehlen die Fach-und Arbeitskräfte und die Autos werden bestimmt noch teurer. Des weiteren gibt es für neue Produktionsstätten erhebliche Widerstände, Grünheide, Genshagen(ICE Service). Wie könnte die Lösung sein?

  12. 2.

    Ok,produzieren wir also hier. Arbeiten Sie also auch für das Gehalt der Asiaten? Nein? Dann können Sie sich ja mal ausrechnen was in Zukunft ihr Auto kostet.

  13. 1.

    Wir stellen also fest, bei Unterbrechung der Lieferketten, meistens aus Asien, die seit den 70ern viel beschwore "verlängerte Werkbank" klappt bei uns die Produktion zusammen. Lösung :es werden neue Produktionsstätten gebaut. Wo? Wieder in Asien. Wenn man da nicht mal endlich aus Fehlern gelernt hat!!

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