Bund übernimmt Kontrolle - Wie Brandenburg auf die Treuhandverwaltung der PCK-Raffinerie in Schwedt schaut

Fr 16.09.22 | 19:42 Uhr
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PCK Raffinerie GmbH Schwedt (Quelle: imago images/Thomas Lebie )
Audio: Antenne Brandenburg | 16.09.2022 | Helge Oelert | Bild: imago images/Thomas Lebie

Nachdem die PCK-Raffinerie in Schwedt unter Treuhandverwaltung gestellt wurde, gab es Lob und Kritik aus der Region. Vor allem die Beschäftigten kritisierten die Entscheidung. Die Politik zeigt sich überraschend einig. Von Juan F. Álvarez Moreno

Die Entscheidung der Bundesregierung, die PCK-Raffinerie in Schwedt unter staatliche Kontrolle zu bringen, ist in Brandenburg überwiegend positiv aufgenommen worden. Bisher wurde das PCK mehrheitlich vom russischen Ölkonzern Rosneft kontrolliert. Kritik gab es vor allem an dem Tempo der Entscheidungsfindung und auch an der Unklarheit, woher das Öl für Schwedt kommen soll.

Aus der Belegschaft kamen auch kritische Stimmen. "Mal sehen, was da rauskommt", sagte ein Beschäftigter dem rbb vor dem Eingangstor der Raffinerie. "Ich hoffe, ich behalte meinen Job". Ein anderer Mitarbeiter sagte, er erwarte nichts Gutes von der Treuhand. "Es ist ja ein Geschäftsmodell, das Geld verdient."

Ein weiterer Angestellter sagte, er finde es nicht in Ordnung, "jemandem wegzunehmen, was ihm gehört". Damit ist die Treuhandverwaltung gemeint, die am Freitag durch die Bundesnetzagentur übernommen wurde. Für die Lage der Mitarbeiter fand der Mann deutliche Worte: "Wir werden schon genug beschissen, von vorne bis hinten abgezogen, jetzt wollen sie das nochmal nutzen, um uns nochmal eine reinzuwürgen", sagte er.

Begriff "Treuhand" im Osten problematisch

"Wir haben die Treuhand verhängt und damit sichern wir den Bestand dieses Standortes“, sagte der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Michael Kellner (Grüne), dem rbb in Schwedt. "Wir halten Wort: Ich komme her mit Beschäftigungsgarantien, mit einem großen Zukunftsprogramm für die Uckermark, für Schwedt. Es ist ein guter Tag heute", sagte Kellner.

Das Wort Treuhand sei für viele Menschen im Osten problematisch, sagte dagegen der Intendant der Uckermärkischen Bühnen, André Nicke, dem rbb. "Mit Begriffen wie Treuhand erzeugt man bei Menschen aus meiner Generation unter Umständen Angststarre, da es sehr negative Erfahrungen aus dem Beginn der 1990er Jahre gibt", so Nicke. Man müsse den Begriff neudefinieren und zu einem Erfolg führen.

PCK-Betriebsrat und Gewerkschaft zufrieden

"Alle Kolleginnen und Kollegen arbeiten seit Monaten im Angesicht einer existenzbedrohenden Unsicherheit unter extremem Druck", sagte die PCK-Betriebsratsvorsitzende Simona Schadow. "Mit dem Zukunftspaket von Bund und Land sehen wir uns in unseren Protesten der vergangenen Monate bestätigt", sagte sie weiter. Die Belegschaft sei bereit, sich den Herausforderungen zu stellen.

Die Zusagen für Investitionen von Bundesregierung und Land Brandenburg wertete Schadow als "eine handfeste Grundlage" für den Weiterbetrieb der Raffinerie und die Entwicklung des Standorts. "Gleichwohl sind Fragen in den Details offen. Wir werden uns dabei als Betriebsrat weiter unserer Verantwortung stellen."

Auch die Gewerkschaft IGBCE begrüßte die Entscheidung der Bundesregierung. "Die Beschäftigten in Schwedt können aufatmen! Der Einstieg des Bundes und das Zukunftspaket sichern nicht nur ihre Jobs, sondern zeigen auch neue Perspektiven für den Standort auf“, sagte Rolf Erler, Bezirksleiter der IGBCE in Berlin-Mark Brandenburg.

Die Politik greife die zentralen Forderungen von IGBCE und PCK-Betriebsrat auf, sagte Erler weiter: dernvollumfänglichen Weiterbetrieb der PCK-Raffinerie, Garantien für Arbeitsplätze und Entgelt und umfangreiche Investitionen in Infrastruktur. "Das nun von Bund und Land vorgestellte Zukunftspaket werten wir dafür als belastbare Grundlage", so der Gewerkschaftler.

Unternehmensverbände und Zukunftsbündnis sehen Chancen für Schwedt

Zustimmung kam auch aus der Wirtschaft: "Es ist richtig, dass der Bund die Kontrolle bei PCK übernimmt. Wir brauchen eine Lösung, die die Raffinerie und die Arbeitsplätze langfristig sichert", sagte Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg. Das Ziel müsse ein wirtschaftlicher Betrieb sein, der ohne dauerhafte Staatshilfen funktioniere. "Sonst stünde die Anlage früher oder später zur Disposition." Wichtig sei vor allem eine ausreichende Versorgung mit Rohöl, weil sonst das Risiko bestehe, dass Russland kurzfristig nichts mehr liefere.

Konstanze Fischer vom Zukunftsbündnis Schwedt sagte, sie sehe auch Chancen für den Standort. "Was wäre der beste Fall für Schwedt gewesen? Nicht, dass alles einfach so weitergeht", sagte sie. "Öl ist ein endlicher Rohstoff. Die Politische Lage geht auch dahin, dass wir sagen, wir wollen unabhängig werden. Erneuerbare Energien müssen ins PCK integriert werden. Das wäre unter Rosneft langfristig gesehen nicht gut gelaufen", so Fischer weiter.

Landrätin kritisiert Entscheidung

Die Landrätin der Uckermark, Karina Dörk (CDU), kritisierte die Entscheidung der Bundesregierung. "Jetzt muss eine der erfolgreichsten europäischen Raffinerien, die jährlich 1,5 Milliarden Euro Energiesteuer und 500 Millionen Umsatzsteuer bezahlt und die seit Jahren Millionenbeträge in Umwelt- und Sicherheitstechnik investiert hat, mit circa einer Milliarde Euro Steuergeld gestützt werden."

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hätte das Öl-Embargo gegen Russland ab Neujahr überdenken müssen, so die Landrätin weiter. Eine Versorgung mit russischem Rohäl bis 2026, wie in der EU verhandelt, sei möglich gewesen, so Dörk. Das würden andere EU-Staaten so tun. Dörk hatte in der Vergangenheit das geplante Öl-Embargo mehrfach kritisiert.

Linke im Landtag fordert dringende Gespräche mit Polen

Die CDU-Fraktion im Brandenburger Landtag begrüßt das Entgegenkommen des Bundes. "Die ausgesprochene Beschäftigungsgarantie für die nächsten zwei Jahre bringt den Menschen etwas Planungssicherheit", teilte der Vorsitzende der Fraktion, Jan Redmann, mit. Doch es sei noch offen, wie Schwedt ausreichend mit Rohöl versorgt werden soll.

"Wir wissen, dass dafür die Pipeline nach Rostock erst in ein bis zwei Jahren ausreichend Kapazitäten besitzt. Mit Danzig gibt es aber noch keine verbindlichen Verträge“, kritisierte Redmann. Das müsse schnell geschehen, damit Ostdeutschland in ausreichendem Maße Diesel, Benzin und Kerosin zur Verfügung stehen, so der CDU-Politiker. Seine Partei ist Teil der Landesregierung, im Bundestag ist die jedoch die größte Oppositionspartei.

Andreas Büttner (Linke), Landtagsabgeordneter aus der Uckermark, forderte den Bund auf, für die PCK Schwedt eine "hundertprozentige" Arbeitsplatzgarantie abzugeben, auch für die Zulieferfirmen. "Denn sie können nichts dafür, dass die Bundesregierung entschieden hat, die Druschba-Pipeline abzuschalten", sagte Büttner. "Wir müssen gucken, dass wir eine vernünftige Ölversorgung hinbekommen, deswegen muss jetzt dringend mit der polnischen Regierung gesprochen werden, dass auch über Danzig Öl geliefert werden kann über den Hafen."

Auch aus der Fraktion von BVB/Freie Wähler kam Kritik. Dere Abgeordneter Philip Zeschmann sagte zwar, er begrüße die Entscheidung, das PCK unter Treuhandverwaltung zu stellen. Hierdurch biete sich den Angestellten eine größere Sicherheit. Doch eine dauerhafte Garantie sei nur möglich, wenn auch die Arbeitsgrundlagen gewährleistet bleiben. "Hierzu gehört eine Absage an den von der Bundesregierung geplanten Importstopp russischen Öls ab 2023. Dies kann sich das PCK, das kann sich Brandenburg nicht erlauben", so Zeschmann. Man müsse zuerst die Versorgungssicherheit aus anderen Quellen schaffen.

Treuhandverwaltung auf sechs Monate befristet

Die Treuhandverwaltung wurde am Freitag wirksam und ist zunächst auf sechs Monate befristet. Die Kosten dafür haben die betroffenen Unternehmen zu tragen. Die Bundesnetzagentur kann damit Mitglieder der Geschäftsführung abberufen und neu bestellen sowie der Geschäftsführung Weisungen erteilen. Rechtliche Grundlage der Treuhandverwaltung ist eine Regelung im Energiesicherungsgesetz.

Am PCK sind 1.200 Mitarbeiter beschäftigt. Die Raffinerie stellt 90 Prozent der Versorgung in Brandenburg und Berlin sicher.

Sendung: Antenne Brandenburg, 16.09.2022, 16:15 Uhr

Mit Material von Helge Oelert

4 Kommentare

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  1. 4.

    Es ist ja nur rund die Hälfte eingefroren. Das sieht Russland auch nie wieder, das geht als Reparation an die Ukraine.

    Die andere Hälfte schmilzt rasch dahin und die Staatseinnahmen sinken massiv.

    Ist eben so wenn man zum allergrößten Teil ein Entwicklungsland mit eben vielen Rohstoffen ist.

  2. 3.

    " deswegen der 10% Budgetschnitt im Haushalt." Das könnte auch mit den eingefrohrenen Staatsvermögen im Ausland zusammenhängen. Eigentlich ist genug Staatsvermögen da und die Schulden sind auch extrem niedrig, der Staat Rußland kommt nur nicht an sein Vermögen ran. Also nicht bankrott aber auch nicht liquide.

  3. 2.

    Klar als Staatskonzern eines Landes welches sein Nachbarland mit einem brutalen Vernichtungskrieg überzieht sollte man sich Gedanken machen, ob Investitionen in die kritische Infrastruktur Deutschlands sicher sind.

    Alle anderen brauchen sich keine Sorgen machen.

    Die Sanktionen von 2014 waren Symbolpolitik. Danach haben Daimler und andere noch fröhlich in JV Militär LKW für Russlands Armee gebaut.

    Jetzt ist Russland von westlicher Technologie abgeschnitten und die Staatseinnahmen brechen zusammen, deswegen der 10% Budgetschnitt im Haushalt. Russland kann sein Gas nicht anderweitig verkaufen, gibt keine große Leitung nach China und LNG Kapazitäten sind ca. 10-15% von NS1.

    Selbst Schuld, Blut und Boden Ideologie war noch nie intelligent....

  4. 1.

    Vorläufig ist das PCK wohl gerettet, obwohl ich der Meinung bin, dass letzte Wort dazu ist noch nicht gesprochen. Sicher machen sich andere ausländische Investoren nun auch Gedanken darüber, ob ihre Betriebe in Deutschland sicher sind oder ob sie auch enteignet werden können. Ich halte das Ölembargo nach wie vor für falsch weil es nichts bringen wird, außer Schäden für unsere Wirtschaft. Seit 2014 verhängen wir Embargos, welches hat Russland bisher richtig getroffen? Kein einziges.

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