Interview | Start der Erdbeerernte in Brandenburg - "Der Anbau im Freiland lohnt sich nicht mehr"
Die Erdbeerernte hat in Brandenburg auf einem Hof in Jacobsdorf (Oder-Spree) offiziell begonnen. Doch es steht nicht so rosig um die Frucht. Warum immer weniger Erdbeeren hierzulande angebaut werden, erläutert Thomas Bröcker vom Gartenbauverband.
rbb24: Wie läuft die Erdbeersaison an?
Thomas Bröcker: Insgesamt läuft sie etwas später an, weil der April relativ kalt war, das heißt, er war nicht unnormal kalt. Er war so wie in den 1980er Jahren. Daher sind die Termine so wie früher, also sieben bis zehn Tage später.
Brandenburger Spargelbauern klagen, dass der ausländische Spargel die Märkte flutet, der heimische deswegen weniger Absatz findet. Wie es das bei den Erdbeeren aus? Wie groß ist die Konkurrenz aus Südspanien?
Die Konkurrenz ist schon groß, und dazu kommt auch noch die Lage der einzelnen Betriebe. Hier im Osten Brandenburgs ist es die polnische Seite, die sehr viel niedrigere Löhne hat. Und ansonsten ist Spanien schon die dominante Macht auf dem Markt. In der Folge hat deutschlandweit der Erdbeeranbau abgenommen. Hintergrund für diese Entwicklung ist der hohe Mindestlohn und die Bundespolitik im Pflanzenschutz.
Wie groß ist denn der Preisunterschied, wenn man als Verbraucher jetzt eine Schale kauft? Wie groß ist da die Preisspanne?
Ich kann das nur an einem Beispiel von Montag beleuchten: Ich war da in einem Rewe-Markt. Da standen die ersten deutschen Erdbeeren. Sehr gute Qualität muss ich sagen, aber da lag die 500-Gramm-Schale bei 4,30 Euro. Die spanische Ware war mit 1,79 bis 1,89 Euro deutlich günstiger. Die Deutschen sehen besser aus, die schmecken auch besser. Aber durch die Politik sind die umso vieles teurer. Da wird es schwierig, die tatsächlich auch zu verkaufen.
In Sachen Ökobilanz: Da kann man die deutsche Erdbeere mit besserem Gewissen verzehren als die Spanische?
Das ist ganz sicher so. Bei der spanischen Erdbeere gibt es in bestimmten Anbaugebieten das Wasserproblem. Wir fahren praktisch das Wasser, das in Spanien fehlt, mit Gemüse und Obst sozusagen hier zu uns, wo wir hier eigentlich immer noch genug Wasser haben. Auf der anderen Seite stehen die Transportkosten und die Ökobilanz durch das Herfahren.
Sie haben es schon angedeutet: Warum gibt es immer weniger Erdbeer-Anbauflächen?
Weil sich der Anbau im Freiland nicht mehr lohnt. Das meiste entwickelt sich unter Folie oder Glas, weil die Pflanzenschutzpolitik in Deutschland so ist, wie sie ist. Das heißt die ständige Beschränkung der Mittel auf der einen Seite und die Zunahme an Schädlingen durch das warme Wetter auf der anderen Seite. Das beißt sich einfach. Wenn ich keine Resistenz-Strategie betreiben kann, kann ich auch keinen Pflanzenschutz machen.
Können Sie das mal übersetzen? Heißt das mehr Pestizide oder was wäre die Alternative?
Das heißt nicht mehr Pestizide. Es muss letztlich eine gewisse Auswahl geben, dass man auch mal wechseln kann, dass ich zum Beispiel die Kirsch-Essig-Fliege, die ein eingewandertes Riesenproblem ist, auch irgendwie noch bekämpfen kann. Das ist ein Problem des Bio- und des konventionellen Anbaus.
Was genau stört Sie denn an den Vorgaben?
Mich stört, dass ich im Grunde genommen durch die Beschränkung der Möglichkeiten keinen normalen Pflanzenschutz mehr betreiben kann. Das kann ich im Bio-Bereich genauso wenig. So ist im Grunde keine kostengünstige Produktion mehr möglich. Ich kann das Risiko nicht mehr beherrschen, außer ich gehe unter Glas und Folie, weil ich da den Wettereinfluss nicht habe.
Wir kennen beispielsweise Bilder aus Almeria in Südspanien. Dort gibt es riesige Felder unter Glas oder Folie - riesige Gewächshäuser. Was müsste anders sein, damit auch Sie effektiv Erdbeer-Anbau effektiv und lohnend betreiben können?
Also wir brauchten in Europa eine einheitliche Pflanzenschutzpolitik sowie auch eine einheitliche Sozial- und Finanzpolitik. Das heißt letztendlich, dass die nationale Abgrenzung, die auf den kleinen Erzeuger wirkt, im Grunde konterkariert wird durch die niedrigen Preise im Handel, der international agiert. Der Handel tut so, als gäbe es nationale Grenzen gar nicht.
Was müsste sich ändern?
Es müssten einheitliche soziale Bedingungen und Löhne in Europa her. Das wäre eine Grundvoraussetzung, dass die Differenzen nicht ausgenutzt werden können. Und zum zweiten müsste beim Pflanzenschutz zur wissenschaftlichen Betrachtung zurückgekehrt werden und nicht zum Erzählen von Geschichten.
Was heißt denn das?
Wir sind einfach durch diesen Streit zwischen Öko und Konventionell in den vergangenen Jahren in eine Politik gekommen, die von Marktabgrenzungs-Erzählungen der Biobranche beherrscht ist. Damit können die 90 Prozent, die wirklich die Nahrungsmittel produzieren, nicht leben. Die werden dabei den Bach runtergehen.
Wir schreiben uns mal einen Wunschzettel an die Politik. Was steht da drauf?
Erstens: einheitlicher Pflanzenschutz in Europa. Zweitens: einheitliche Mindestlöhne in Europa. Drittens: Hilfe beim Schutz vor den Folgen der Erderwärmung und durch neue Schädlinge.
Heißt das, dass die Erdbeerbauern unterm Strich schon Opfer des Klimawandels sind?
Sie sind Opfer der Politik, nicht des Klimawandels. Der Klimawandel ist im Grunde aus meiner Sicht landwirtschaftlich schon noch beherrschbar. Aber nicht, wenn die Werkzeuge dafür weggenommen werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Stephan Ozsváth
Sendung: rbb24 Inforadio, 16.05.2023, 09:45 Uhr