Interview | Start der Erdbeerernte in Brandenburg - "Der Anbau im Freiland lohnt sich nicht mehr"

Di 16.05.23 | 13:38 Uhr
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"Herzförmige reife Erdbeere"; © rbb
Audio: rbb24 Inforadio | 16.06.2023 | Stephan Ozsvath und Thomas Bröcker | Bild: rbb

Die Erdbeerernte hat in Brandenburg auf einem Hof in Jacobsdorf (Oder-Spree) offiziell begonnen. Doch es steht nicht so rosig um die Frucht. Warum immer weniger Erdbeeren hierzulande angebaut werden, erläutert Thomas Bröcker vom Gartenbauverband.

rbb24: Wie läuft die Erdbeersaison an?

Thomas Bröcker: Insgesamt läuft sie etwas später an, weil der April relativ kalt war, das heißt, er war nicht unnormal kalt. Er war so wie in den 1980er Jahren. Daher sind die Termine so wie früher, also sieben bis zehn Tage später.

Brandenburger Spargelbauern klagen, dass der ausländische Spargel die Märkte flutet, der heimische deswegen weniger Absatz findet. Wie es das bei den Erdbeeren aus? Wie groß ist die Konkurrenz aus Südspanien?

Die Konkurrenz ist schon groß, und dazu kommt auch noch die Lage der einzelnen Betriebe. Hier im Osten Brandenburgs ist es die polnische Seite, die sehr viel niedrigere Löhne hat. Und ansonsten ist Spanien schon die dominante Macht auf dem Markt. In der Folge hat deutschlandweit der Erdbeeranbau abgenommen. Hintergrund für diese Entwicklung ist der hohe Mindestlohn und die Bundespolitik im Pflanzenschutz.

Wie groß ist denn der Preisunterschied, wenn man als Verbraucher jetzt eine Schale kauft? Wie groß ist da die Preisspanne?

Ich kann das nur an einem Beispiel von Montag beleuchten: Ich war da in einem Rewe-Markt. Da standen die ersten deutschen Erdbeeren. Sehr gute Qualität muss ich sagen, aber da lag die 500-Gramm-Schale bei 4,30 Euro. Die spanische Ware war mit 1,79 bis 1,89 Euro deutlich günstiger. Die Deutschen sehen besser aus, die schmecken auch besser. Aber durch die Politik sind die umso vieles teurer. Da wird es schwierig, die tatsächlich auch zu verkaufen.

In Sachen Ökobilanz: Da kann man die deutsche Erdbeere mit besserem Gewissen verzehren als die Spanische?

Das ist ganz sicher so. Bei der spanischen Erdbeere gibt es in bestimmten Anbaugebieten das Wasserproblem. Wir fahren praktisch das Wasser, das in Spanien fehlt, mit Gemüse und Obst sozusagen hier zu uns, wo wir hier eigentlich immer noch genug Wasser haben. Auf der anderen Seite stehen die Transportkosten und die Ökobilanz durch das Herfahren.

Zur Person

Thomas Bröcker, Geschäftsführer des Obstbaubetriebes Apfelgalerie, prüft die Entwicklung der Süßkirschblüten am 23.04.2021 auf einer Plantage.(Quelle:dpa/P.Pleul)
dpa/P.Pleul

Thomas Bröcker ist Vorsitzender der Fachgruppe Obstbau beim Gartenbauverband Berlin-Brandenburg.

Sie haben es schon angedeutet: Warum gibt es immer weniger Erdbeer-Anbauflächen?

Weil sich der Anbau im Freiland nicht mehr lohnt. Das meiste entwickelt sich unter Folie oder Glas, weil die Pflanzenschutzpolitik in Deutschland so ist, wie sie ist. Das heißt die ständige Beschränkung der Mittel auf der einen Seite und die Zunahme an Schädlingen durch das warme Wetter auf der anderen Seite. Das beißt sich einfach. Wenn ich keine Resistenz-Strategie betreiben kann, kann ich auch keinen Pflanzenschutz machen.

Können Sie das mal übersetzen? Heißt das mehr Pestizide oder was wäre die Alternative?

Das heißt nicht mehr Pestizide. Es muss letztlich eine gewisse Auswahl geben, dass man auch mal wechseln kann, dass ich zum Beispiel die Kirsch-Essig-Fliege, die ein eingewandertes Riesenproblem ist, auch irgendwie noch bekämpfen kann. Das ist ein Problem des Bio- und des konventionellen Anbaus.

Was genau stört Sie denn an den Vorgaben?

Mich stört, dass ich im Grunde genommen durch die Beschränkung der Möglichkeiten keinen normalen Pflanzenschutz mehr betreiben kann. Das kann ich im Bio-Bereich genauso wenig. So ist im Grunde keine kostengünstige Produktion mehr möglich. Ich kann das Risiko nicht mehr beherrschen, außer ich gehe unter Glas und Folie, weil ich da den Wettereinfluss nicht habe.

Wir kennen beispielsweise Bilder aus Almeria in Südspanien. Dort gibt es riesige Felder unter Glas oder Folie - riesige Gewächshäuser. Was müsste anders sein, damit auch Sie effektiv Erdbeer-Anbau effektiv und lohnend betreiben können?

Also wir brauchten in Europa eine einheitliche Pflanzenschutzpolitik sowie auch eine einheitliche Sozial- und Finanzpolitik. Das heißt letztendlich, dass die nationale Abgrenzung, die auf den kleinen Erzeuger wirkt, im Grunde konterkariert wird durch die niedrigen Preise im Handel, der international agiert. Der Handel tut so, als gäbe es nationale Grenzen gar nicht.

Was müsste sich ändern?

Es müssten einheitliche soziale Bedingungen und Löhne in Europa her. Das wäre eine Grundvoraussetzung, dass die Differenzen nicht ausgenutzt werden können. Und zum zweiten müsste beim Pflanzenschutz zur wissenschaftlichen Betrachtung zurückgekehrt werden und nicht zum Erzählen von Geschichten.

Was heißt denn das?

Wir sind einfach durch diesen Streit zwischen Öko und Konventionell in den vergangenen Jahren in eine Politik gekommen, die von Marktabgrenzungs-Erzählungen der Biobranche beherrscht ist. Damit können die 90 Prozent, die wirklich die Nahrungsmittel produzieren, nicht leben. Die werden dabei den Bach runtergehen.

Wir schreiben uns mal einen Wunschzettel an die Politik. Was steht da drauf?

Erstens: einheitlicher Pflanzenschutz in Europa. Zweitens: einheitliche Mindestlöhne in Europa. Drittens: Hilfe beim Schutz vor den Folgen der Erderwärmung und durch neue Schädlinge.

Heißt das, dass die Erdbeerbauern unterm Strich schon Opfer des Klimawandels sind?

Sie sind Opfer der Politik, nicht des Klimawandels. Der Klimawandel ist im Grunde aus meiner Sicht landwirtschaftlich schon noch beherrschbar. Aber nicht, wenn die Werkzeuge dafür weggenommen werden.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Stephan Ozsváth

Sendung: rbb24 Inforadio, 16.05.2023, 09:45 Uhr

24 Kommentare

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  1. 24.

    ich kaufe nur deut. erdbeeren .... schon aus dem grund, euch zu unterstützen, aber auch vor allem wegen dem Geschmack!!! und ehrlich.... ob das nun 3 oder 5 kostet ist mir egal.... lecker kostet nunmal etwas mehr als billig..... fertig

  2. 23.

    OK, lass uns treffen und blind verkosten :-) es ist kein Soilent Green...

  3. 22.

    Tatsächlich brauche ich und braucht man diese Sachen auch nicht. Man überlebt ohne Avocado aus Peru.

  4. 21.

    Bevor ich so'n roten Pestiziddrops von jwd vernasche, hole ich mir lieber was heimisches. Ok, ist teurer - muss ja auch nicht jeden Tag sein. Die Preise bei den heimischen Angeboten werden bestimmt in der nächsten Zeit auch etwas sinken - wie jedes Jahr und wenn man das mal so vergleicht ...
    1 KG Erdbeeren / 1 Schachtel Kippen / 1 McDoof- oder WürgerKing-Schlabberpapp / 3 Stunden Parkhaus / 1 Standardwäsche fürs "HeilixBlechle" / ...

  5. 20.

    Das sie von Indoorfarming, Aquaponik, etc noch nichts gehört haben, dafür kann ich nichts!
    Ich schrieb das auch nur unter der Bedingung von Stromüberfluss!

    Ansonsten kaufe Tomaten am liebsten von den Niederländern -> den vertraue ich generell mehr, als Deutschen oder anderen, und ich mag die Kombi von HighTec und Pflanzenanbau, und wie sie Flächenoptimierung betreiben!

  6. 19.

    Dann gäbe es nie wieder Wasabi, Thunfisch, sog. „Seelachs“, Orangensaft, US Beef von freilaufenden Rindern, Chia, Paranüsse, Bananen, Zitronen, Avocados, usw. usw. Nur mal als Bespiel. Die Idee ist aber grundsätzlich zu begrüßen.

  7. 18.

    Wir kaufen nur spanisches, griechisches, italienisches, deutsches und polnisches Gemüse, welches Sonne abbekommen hat. Niederländisches meiden wir konsequent. Die Gründe sind bekannt.

  8. 17.

    Unter Kunstlicht in Nährlösung gewachsene Tomaten können nicht besser schmecken als unter realer Sonne gezogene Sorten. Das schließt sich von vornherein aus. Da hilft auch keine Lobbyarbeit.

  9. 16.

    und wie immer jammern alle der Bauernverband der es hinnahm das die Produktionen ausgelagert worden sind, die Händler über sinkende Einnahme der Heimischen Produkte und der Endkunde über stetig steigende Preise. und alle haben sie erfolgreich das Theater hier ausgelöst ihr solltet mal alle in euch gehen. (Emissionshandel, Co2 Bilanz)

  10. 15.

    Und jeder bekommt für ein kg deutsche Erdbeeren einen Rentenpunkt zusätzlich!!!!!!!!!!

  11. 14.

    "der Geschmack niederländischer Tomaten und anderen Gemüses ist ja hinreichend bekannt"
    Der vierte Aggregatzustand von Wasser ;-).

  12. 13.

    Also, die holländischen Tomaten sind geschmacklich WEIT vorn inzwischen, jedenfalls die kleinen und mittleren. Die spanischen und polnischen schmecken nur nach Wasser, null Aroma, null Süße. Niederländer sind keine Blödmänner, die haben die richtigen Sorten, den richtigen Dünger, den optimalen Anbau und... Gasheizungen mit inländischem Gas im Treibhaus ;-) wenn die Sonnenstunden ausbleiben.

  13. 12.

    Ich kaufe aus Spanien tatsächlich nur noch Schinken °=° aber KEIN Obst und Gemüse mehr. 1. Es schmeckt nicht 2. Die Pestizide... 3. Die Ökobilanz 4. Was es in Deutschland gerade nicht gibt, muss gerade nicht auf den Tisch (regiosaisonal)

    Klar, gibt's billiges Obst oder Gemüse, aber wenn die Inflation es mir nicht erlaubt, deutsches Essen zu kaufen, kaufe ich lieber keins als was schlechtes. Das hilft den Brandenburger Bauern nicht, sorry, aber vielleicht dem Umdenkprozess. Der muss nämlich stattfinden. Keiner braucht Weihnachten Erdbeeren oder jetzt gerade Weintrauben aus INDIEN! Wein! Indien! Blaubeeren aus PERU! Ne, echt nicht. Das alles gibt's auch hier, nur jetzt gerade nicht. Wir brauchen keine Klimakleber, wenn wir im Alltag mal ein bisschen die Augen aufhalten und den Kopp anschalten.

    Dann kauft man sich ein bisschen später EINE Schale Erdbeeren, die auch so schmecken, und nicht 3 Schalen aus Spananien, wo man nur Wasser schmeckt (was ja verzweifelt gesucht wird).

  14. 11.

    Die Welt wurde bekehrt, deutsche Erdbeerbauern haben ordentlich tu tun und schmecken werden die Erdbeeren auch, in ausreichender Stückzahl.
    Was bei der Energie funktioniert, funktioniert auch bei den Erdbeeren.
    Oder umgedreht?
    Es gehrt voran. Mit Moral und deutlichen Worten. Man muss nur „die Natur machen lassen“... und zurückstecken, verzichten für eine bessere Welt?
    Man kann aber auch fleißig zuhören und jene die Arbeit machen lassen, die etwas schaffen wollen. Denn dafür ist der Mensch da.

  15. 10.

    " Um gesunde Erdbeeren interessiert sich da niemand. Ist doch auch bei Tomaten, Gurken "

    optische Kaumasse ohne jeden Geschmack , aber teuer , aufgepeppt mit Gewürzen oder Sahne

  16. 9.

    " Pflanzen sogar unterirrdisch anbauen! - I " ???

    Pflanzen machen Photosynthese, dazu benötigen die Sonnenlicht und CO² , Sonnengereifte Produkte haben einen fruchtspezifischen Geschmack, andere nicht, schmecken nur wässerig

  17. 8.

    -> Wir müssen da von den Niederländern lernen, " ?

    der Geschmack niederländischer Tomaten und anderen Gemüses ist ja hinreichend bekannt

  18. 7.

    "Der Anbau im Freiland lohnt sich nicht mehr"

    wie beim Spargel , Aufgabe der regionalen Produktion , zukünftig die Produkte aus Peru und Mittelmeerländern , Transport ? egal

  19. 6.

    Ich finde zwischen Glas und Folie, gibt es gigantische Unterschiede, auch in der Gestaltung.

    Möglichst viel unter Glas anzubauen, macht uns Unabhänigig von Klimawandel, schützt relativ gut gegen Invasive Arten, und macht Pestizide überflüssig!

    -> Wir müssen da von den Niederländern lernen, nicht von Südeuropa! -> nicht zu vergessen, das sobald wir Strom im überfluss haben, können wir damit Wasser filtern, und Pflanzen sogar unterirrdisch anbauen! - In ungenutzen Bunkern, alten Kellern, alten Parkhäusern aus der Zeit, indem es in den Städten noch private PKW gab…

    Aquaponik, Schwimmende Solar/Feld/Entsalzungsanlagen, es ist technisch so viel Möglich, und es wäre so viel wichtiger, als Wegwerfkrempel!

  20. 5.

    " "Der Anbau im Freiland lohnt sich nicht mehr"

    also auf weniger regionale Erdbeeren einstellen

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