Internationaler Vergleich - Ist Tesla in Grünheide schnell oder chaotisch - oder beides?

Verpasste Zahlungsfristen, geänderte Baupläne und ein gefeuerter Bauleiter: Agiert Tesla in Grünheide chaotisch oder hat der Hals-über-Kopf-Stil der Kalifornier Methode? Ein Blick zu anderen Tesla-Werken in den USA und China gibt Aufschluss. Von Philip Barnstorf
Eigentlich soll die Tesla-Fabrik in Grünheide (Oder-Spree) im Juli 2021 in Betrieb gehen. Aber der Weg dahin ist steinig: Als die Bagger schon rollten, änderte Tesla immer wieder seine Baupläne. Im September drehte ein Wasserversorger der Baustelle den Hahn zu, weil Tesla eine Rechnung nicht gezahlt hatte, und im Dezember versäumten die Kalifornier, 100 Millionen Euro Sicherheitsleistung rechtzeitig zu zahlen.
Läuft da etwas schief? Kann Tesla das vom Unternehmen selbst vorgegebene Tempo nicht mehr mithalten und stolpert gerade über die eigenen Füße? Oder ist das normal bei den Kaliforniern? Für eine Antwort lohnt ein Blick in die USA und nach China, wo der Marktführer in der E-Mobilität schon Werke gebaut hat.
"In den USA ist alles verhandlungsfähig"
In Chicago berät Klaus Thiedmann deutsche Firmen, die in den USA investieren wollen. Er kennt sich aus mit US-amerikanischen Genehmigungsverfahren, die auch Tesla mit seinen Fabriken in Kalifornien, Nevada und New York durchlaufen hat. "In den USA ist alles verhandlungsfähig. Das gilt auch für Beziehungen mit Behörden", sagt der Anwalt der Kanzlei Thiedmann & Edler.
Dementsprechend sähen sich die US-Genehmigungsbehörden mehr als ihre deutschen Kollegen als Marktteilnehmer, die zwischen den verschiedenen Bundesstaaten um Industrie-Arbeitsplätze konkurrieren. Mit relativ viel Ermessensspielraum ausgestattet, verhandelten sie mit Investoren um eine gemeinsame Lösung, so Thiedmann weiter. Dementsprechend verhielten sich die Investoren: "Firmen bieten in der ersten Runde oft etwas an, von dem sie wissen, dass es noch nicht adäquat ist und dass man da noch was tun muss." Das entspricht Teslas Verhalten hierzulande, als das Unternehmen zunächst nur recht grob gestrickte Fabrikpläne einreichte und sie später änderte und präzisierte.
Deutsche Genehmigung dauert
In Deutschland sind solche Genehmigungsverfahren aber nicht üblich. Hier agiert das Landesumweltamt (LfU) normalerweise weniger als Verhandler, sondern stellt vor allem einfach sicher, dass die gesetzlichen Standards eingehalten werden. Teslas viele Planänderungen haben schon dazu geführt, dass die Fabrikpläne ein zweites Mal öffentlich ausgelegt werden mussten. Das LfU schließt auch eine dritte Auslegung nicht aus und die endgültige Genehmigung, die ursprünglich im Sommer 2020 erwartet wurde, ist bis heute nicht erteilt - was allerdings auch an Corona und den vielen Einwendungen aus der Bevölkerung liegt.
Bau in Rekordzeit in Shanghai
Und wie sieht es im chinesischen Shanghai aus, wo Tesla 2019 eine Fabrik eröffnet hat, die ungefähr so groß ist wie die in Grünheide geplante? "Hier in China tendiert man dazu, erstmal zu machen und dann zu sehen, was rauskommt, und gegebenenfalls nachzujustieren", sagt Rainer Burkardt, Berater für deutsche Investoren in Shanghai. Teslas Holterdipolter-Ansatz ist also auch dort nicht so ungewöhnlich wie in Deutschland. Und im fernen Osten läuft es bisher gut für Tesla. Nach nur 15 Monaten Bauzeit liefen 2019 die ersten Teslas vom Band. "Kein vergleichbares Projekt in Shanghai ist jemals schneller genehmigt und gebaut worden. Das war Rekord", sagt Wirtschaftsanwalt Burkardt.
China unterstützt Tesla - mit klarem Kalkül
Aber ohne die Unterstützung der Behörden hätte das nicht geklappt. Ein Beispiel: In China gibt es offiziell keinen privaten Landbesitz, weil alles Land "dem Volk" gehört. Stattdessen vergibt die Regierung temporäre Landnutzungsrechte an Investoren. Dafür brauchen die Behörden normalerweise ungefähr sechs Monate. "Bei Tesla waren das fünf Tage, wenn man den lokalen Medien glauben darf", berichtet Anwalt Burkardt von der Kanzlei Burkardt und Partner. Dahinter steht seiner Einschätzung nach ein eindeutiges Kalkül: "China hat sich ganz klar auf die Agenda gesetzt, Autos nach Europa beziehungsweise in die Welt zu exportieren", so Burkardt weiter. Tatsächlich hat Tesla schon 2020 mehr als 3.000 Modell 3 aus China nach Europa ausgeliefert.
Sonderbehandlung durch die Behörden?
Auch in Deutschland setzt Tesla offenbar darauf, dass die Behörden sich für eine erfolgreiche Ansiedlung ins Zeug legen. Und an einigen Stellen scheint die Rechnung aufzugehen: Noch nie vorher hat das Brandenburger Landesumweltamt einem Investor für ein Projekt so viele vorzeitige Zulassungen erteilt. Das Amt betonte dazu auf Nachfrage, dass die Tesla-Investition auch besonders groß sei. Außerdem ungewöhnlich: Als Tesla 100 MIllionen Euro Sicherheitspfand nicht rechtzeitig im Dezember zahlen konnte, gewährte zunächst das Landesumweltamt eine Extrafrist bis Anfang Januar. Das Land hat sie dann noch einmal verlängert. Das Landesumweltamt bestreitet auf Nachfrage nicht, dass das ein ungewöhnlicher Vorgang ist, und verweist abermals auf die schiere Größe der Investition.
Schnell aber gesetzeskonform
Aber während Tesla anscheinend auch hier auf kräftige Unterstützung der Behörden rechnen kann, stößt das Unternehmen auch an Grenzen: Das Landesumweltamt lässt sich den eventuellen Rückbau der vorzeitig zugelassenen Gebäude mit 100 Millionen Euro von Tesla absichern. Auch bei der endgültigen Genehmigung scheint sich das Amt gerade nach dem langwierigen Erörterungstermin im September die Zeit zu nehmen, die es braucht, um alle Anträge zu berücksichtigen. Gerade erst haben die Beamten ein mehr als 1.000 Seiten umfassendes Protokoll der achttägigen Diskussion fertiggestellt. Wichtig dabei: Es gibt keine eindeutigen Hinweise, dass die Behörden für Tesla Gesetze brechen können. Das zeigt etwa der teilweise Rodungsstopp durch das Berliner Oberverwaltungsgericht.
Fremdelt Tesla mit deutschen Beamten?
Aus den USA kennt Tesla also Behörden, die sich flexibel auch auf grobe Vorschläge einlassen, um dann Genaueres zu verhandeln. In China hat Tesla Beamte erlebt, die Genehmigungen viel schneller als gewöhnlich erteilen, mutmaßlich weil die Regierung große wirtschaftliche Hoffnungen auf das Projekt setzt. Deutsche Behörden erwarten dagegen eher einen fertigen Plan der Fabrik zur Genehmigung. Auch räumen sie Tesla zwar eine Sonderbehandlung ein - schon allein wegen der in Brandenburg einmaligen Größe des Projekts - können aber Verfahrensabläufe nicht so beschleunigen wie ihre chinesischen Kollegen. Tesla, das sich zu dem Thema auf Nachfrage bisher nicht geäußert hat, trifft in Brandenburg also auf Behörden, die das Unternehmen so noch nicht kennt. Da ist es wenig überraschend, dass es im Genehmigungsverfahren manchmal etwas drunter und drüber zu gehen scheint.
Sendung: Antenne Brandenburg, 22.01.2021, 14:10 Uhr.