Die "Gigafabrik" und der Bahnanschluss - Teslas Gleis ins Nirgendwo

Tesla kauft eine Gleisanlage direkt zu seinem Firmengelände in Grünheide. Betreiben darf die Firma die Strecke dort aber auch nach dem Erwerb nicht. Wie realistisch sind die Pläne für ein Zug-Shuttle bis vors Werkstor? Von Phil Beng
Die Geschichte vom Tesla-Gleis ist die eines großen Missverständnisses. Als der Automobil-Konzern im Januar 2020 dem Land Brandenburg das künftige Firmengelände in Grünheide (Oder-Spree) abkauft, geht der Investor davon aus, ein Komplettpaket zu übernehmen: Alles, was auf dem rund 300 Hektar großen Areal liegt, soll nun Teslas Eigentum sein.
Eine Kleinigkeit haben die Amerikaner aber übersehen. Eine Gleisstrecke, die sich in einer großen Kurve gen Süden durch den Kiefernforst windet, ist nicht Teil des Handels. "Da meinte Tesla, sie hätten das Gleis mitgekauft und haben aber erst, als es dann ernst wurde, mitbekommen: Hoppla, das geht ja gar nicht", erklärt Gerhard Curth, Vorstandschef der Deutschen Regionaleisenbahn (DRE).
Planungspanne berichtigt
Denn tatsächlich gehörte die Trasse nicht dem Land, sondern Curths privatem Bahnunternehmen. Die DRE hält nach eigenen Angaben das zweitgrößte nicht bundeseigene Bahnnetz in Deutschland. Unter anderem auch die rund drei Kilometer lange Strecke, die von der Regionalexpressroute 1 (Berlin – Frankfurt Oder) quer über das Tesla-Gebiet ins Gewerbezentrum Freienbrink führt. "Diese Strecke, die eine öffentliche Eisenbahnstrecke ist wie Berlin – Hamburg, wurde immer mit einem Gleisanschluss verwechselt", sagt Curth. Tesla sei das erst aufgefallen, als der Deal mit dem Land bereits in trockenen Tüchern war. "Bei der Eintragung haben sie erfahren: Da liegt aber noch öffentliches Recht drauf. Und da sind die bald verrückt geworden."
Die Panne in der Planung ist nun, zwei Jahre später, zumindest formal berichtigt worden. Ende Januar bestätigte das Brandenburger Infrastrukturministerium, dass Tesla nun auch die Gleisanlage direkt von der DRE gekauft habe. Über den Preis schweigen die Vertragsparteien, er soll sich aber am vergleichsweise günstigen Grundstückspreis orientiert haben. Für Curth eine ungewöhnliche Transaktion: "Das ist ein besonderer Verkauf. Eigentlich machen wir es umgekehrt und kaufen Strecken, damit wir dann ins Eigentum investieren."
Doch mit dem nachgeholten Kauf endet die Posse um Teslas Schienenanschluss nicht. Denn auch wenn das Gleis – also die Holzbohlen und der Schienenstahl – jetzt im Eigentum des Elektrobauers sind, zur Privatbahn wird die Anlage deshalb nicht. "Die Strecke und alles, was drauf liegt, gehört Tesla", so Curth. "Wir haben aber durch das Allgemeine Eisenbahngesetz das Recht und die Pflicht, die Eisenbahnstrecke zu betreiben. Und zwar öffentlich-rechtlich. Also kann auch Tesla keinen Einfluss auf den Eisenbahnbetrieb nehmen."
Gleisbett soll verlegt werden
Ein Dämpfer für Teslas Pläne. Die Aussicht, über einen werkseigenen Bahnanschluss zu verfügen, war für das Unternehmen des umstrittenen Visionärs Elon Musk einer der zentralen Punkte, die die Attraktivität des Standorts Grünheide ausmachten, neben dem üppigen Baugelände und der Nachbarschaft von Bundesautobahn und Großstadtflughafen.
Was fängt Musk nun also an, mit einer drei Kilometer langen, in die Jahre gekommen Gleisstrecke, auf die potenziell auch jeder andere Zugriff hat?
Die kurze Antwort: Weg damit. RBB-Recherchen zufolge stört sich Tesla am aktuellen Verlauf der Schiene. Perspektivisch soll sie verlegt werden, an den äußersten östlichen Rand des Firmengeländes. So will Tesla Platz schaffen, um perspektivisch weitere Fabriksgebäude zu errichten.
Immerhin hofft Musk darauf, in den kommenden Jahren sein erstes Werk in Europa durch weitere Ausbaustufen wachsen zu lassen. Irgendwann sollen dann statt der aktuell geplanten 500.000 E-Autos jährlich ganze zwei Millionen Teslas in Grünheide gefertigt werden. Doch dass diese Pläne umgesetzt werden, gilt schon wegen der knappen Wasserressourcen der Region als fraglich.
Zugshuttle direkt ins Werk
Fürs Erste also bleibt die Schiene, wo sie ist. Auch so könnte Tesla die Strecke durchaus nutzen. Die Idee: Mitarbeitende sollen künftig per Zug-Shuttle aus Erkner bis direkt vors Werkstor anreisen. Für die rund 14.000 Angestellten, die bei voller Auslastung in der Autofabrik und der angrenzenden Batteriefertigung tätig sein sollen, könnte eine solche Verbindung den Arbeitsweg erheblich vereinfachen. Viele von ihnen dürften aus dem Berliner Raum anreisen. Schon jetzt drängen sich zahlreiche Ingenieure, Bauarbeiter und Informatikerinnen zu den Stoßzeiten im RE1, um dann vom Wald- und Wiesenbahnhof Fangschleuse per Bus zum knapp vier Kilometer entfernten Tesla-Haupteingang chauffiert zu werden. Umständlich für eine Firma, die sich mit moderner Technik und effizienten Abläufen rühmt.
Tesla optimistisch, mit Bahn Pendelverkehr zu vereinbaren
Auf Nachfrage zeigt sich Tesla optimistisch, mithilfe der Deutschen Bahn den geplanten Pendelverkehr zu den Schichtwechseln organisieren zu können. Entsprechende Bestellungen liegen der Bahn aber noch nicht vor. "Es sind auch noch technische Anpassungen der Infrastruktur nötig", kommentiert ein DB-Sprecher auf Nachfrage des rbb.
Güterzüge hat Tesla auf der ehemaligen DRE-Strecke in den vergangenen zwei Jahren schon anrollen lassen, um Materialien für den Fabrikbau anzuliefern. Über die Schiene könnten künftig zudem fabrikfertige E-Autos abtransportiert werden, das soll die Straßen rund um Grünheide entlasten. Auch Personenzüge könnten laut der Eisenbahngesellschaft hier eines Tages rollen. Was dazu fehlt, sind Ertüchtigungen am Bestandsgleis, neue Signaltechnik und natürlich ein Bahnsteig, an dem die Beschäftigten ein- und aussteigen können. Dieser soll Tesla zufolge im Süden des Werksgeländes gebaut werden, zwischen Batterie- und Autofabrik.
Im Groben sind die Weichen für Personenzüge auf Teslas eigener Schiene also gestellt. Der Weg dorthin ist aber immer noch ein langer – die eine oder andere Umleitung durchs deutsche Planungs- und Eisenbahnrecht inbegriffen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 02.02.2022, 14:20 Uhr
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