Tiny Houses in Berlin - Wohnen auf 6,4 Quadratmetern

So 07.01.18 | 09:00 Uhr | Von Sylvia Tiegs
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Ein Tiny House (das Holy Foods House) auf dem Gelände des Bauhaus-Archiv in Berlin-Moabit (Quelle: Tiegs/rbb)
Audio: Inforadio | 05.01.2018 | Sylvia Tiegs | Bild: Tiegs/rbb

Wohnmobil war gestern, heute bieten die Tiny Houses Wohnen to go. Die Visionäre der Mini-Häuser wollen aber mehr: den Wohnraummangel in Großstädten lösen. Aber wie lebt es sich auf allerkleinstem Raum? Von Sylvia Tiegs

Freunde des kleinen Wohnens pilgern seit einem Dreivierteljahr nach Berlin-Tiergarten - auf das Gelände am Bauhaus-Archiv. Denn ein halbes Dutzend Tiny Houses steht hier: kleine Holzhäuschen, nicht größer als höchstens zehn Quadratmeter, auf Anhängern. Manche sind naturfarben, andere bunt angestrichen. Von außen sind sie eine Mischung aus schickem Bauwagen und nordische Blockhütte, von innen Wohnungen im Mini-Format.

Van Bo Le-Mentzel hat die Tiny-House-Schau ins Leben gerufen. Der Berliner Architekt mit Wurzeln in Laos kann sich seitdem vor Anfragen kaum retten. In einem der Tiny Houses wartet er auf den nächsten Interessenten. Ein Gasofen wärmt das Mini-Haus schnell auf,  rund um den Esstisch ist gut Platz für zwei Erwachsene. Die großen Fenster lassen viel Wintersonne ins Mini-Häuschen rein. "Tiny Häuser sind in der Regel bei fast allen Menschen unterschiedlicher Couleur und Schicht beliebt", sagt er.

Der Berliner Architekt Van Bo Le-Mentzel (Quelle: Tiegs/rbb)
Der Berliner Architekt Van Bo Le-Mentzel. | Bild: Tiegs/rbb

Reduziert auf das Wesentliche

Ein Tiny House kann ein eigenes, kleines Reich auf Rädern sein, mit dem man jederzeit weiterfahren kann. Oder eine feste Mini-Wohnung auf Zeit - als günstige Alternative zum Immobilienwahnsinn. Oder: eine ganz andere Art zu leben, reduziert auf das Wesentliche.

"Du brauchst unbedingt so eine gewisse Kultur, dass Du zum Beispiel Deine Jacke und Deinen Rucksack nicht auf die Stühle legst, weil damit wäre schon ein Viertel aller Sitzmöglichkeiten belegt", sagt Le-Mentzel. Außerdem lerne man, Wasser nicht zu verschwenden, denn man habe nur rund zehn Liter am Tag. "Du wirst anders kochen, anders abwaschen, anders duschen."

Übernachtungsmöglichkeiten auf dem Land

Auch für große Mengen an Besitz ist im Tiny House kein Platz. Inzwischen ist Michael Gehrig dazugekommen - einen Laptop unterm Arm und große Pläne im Kopf. Die will  Gehrig mit Le-Mentzel besprechen, denn er plant im brandenburgischen Großbeeren ein Natur- und Gesundheitszentrum mit Übernachtungsmöglichkeiten.

"Tiny Houses sind für uns interessant, weil Blockhütten sehr mit Aufwand verbunden sind, auch hinsichtlich der Baugenehmigung", erklärt Gehrig. "Eine kleine Blockhütte von vielleicht 50 Quadratmetern, sagte mir ein Bauanbieter in Berlin, kostet um die 100.000 Euro." Die kleinen Tiny Houses lägen dagegen zwischen 10.000 und 40.000 Euro.

"Der Tesla unter den Tiny Houses"

Le-Mentzel verkauft selbst keine Tiny Houses, dafür müsste Gehrig sich Baufirmen suchen. Aber der Architekt Le-Mentzel unterstützt das Konzept der kleinen Häuser - diese Art zu bauen und zu leben.

Er führt Gehrig auf das Ausstellungsgelände, das Le-Mentzel den "Campus" nennt. Jeder, der mag, soll hier an Tiny Houses mitbauen und mitdenken können - oder sie einfach nur angucken. Zum Beispiel das erste italienische Winzighaus. Hier steht es: mit Einbaubett und -schränken in edlem Design, ultramoderner Toilette und Dusche - todschicke neun Quadratmeter. "Der Tesla unter den Tiny Houses", meint Le-Mentzel lachend. Das Kontrastprogramm dazu steht gleich gegenüber: das TINY 100, ein günstiges Winzighaus, entworfen von Le-Mentzel selbst. Hier wohnt der Flaschensammler Heiko auf 6,4 Quadratmetern. "Den haben wir jetzt von der Straße geholt", sagt Le-Mentzel. "Wir wollen bezahlbare Wohnungen in der Stadt schaffen, und ich bin der Meinung, es muss eine Wohnung geben, die 100 Euro im Monat kostet."

Ein Tiny House (Summer School) auf dem Gelände des Bauhaus-Archiv in Berlin-Moabit (Quelle: Tiegs/rbb)
Eine Mischung aus Bauwagen und Blockhütte: ein Tiny House in Berlin. | Bild: Tiegs/rbb

Ein Haus für Weltenbummler

Tiny Houses als soziale Wohnidee - Le-Mentzel glaubt, dass darin die Zukunft liegt in Großstädten wie Berlin: Wenn Wohnraum immer knapper und immer teurer wird, müssen mehr Leute kleiner wohnen. Erzwingen aber, sagt er, könne man das natürlich nicht. Wer viel und gerne zu Hause ist und dort Platz braucht, der werde nicht in einem Tiny House wohnen. "Für diejenigen, die aber sehr, sehr viel draußen in der Welt sind, für die ist ein Tiny House geeignet, denn sie haben wenig Lebenserhaltungskosten und es ist für die Umwelt gut und es ist einfach auch befreiend."

Beitrag von Sylvia Tiegs

10 Kommentare

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  1. 10.

    "Tiny Houses sind das Stockholm-Syndrom des Wohnungsmarktes."

    Emma Curvers

  2. 9.

    sehe ich auch anders.
    ich brauche Raum-,
    habe das Wohnungsproblem anders herum gelöst.
    da Fachkrafte gesucht werden bin ich meiner Arbeit hinterhergezogen ,
    aus Berlin nach Meck -Pomm.
    Altes Haus , renovierungsbedürftig, aber bezugsfertig auf 3000qm eigenem Grund
    Kosten 40000€
    OK, mein Erspartes bin ich los, aber schulden-frei mit viel Platz.
    TInyhaus wär nichts für mich.
    Schon mein grosser Bücherschrank samt Inhalt würde die "Eingangshalle" sprengen,


  3. 8.

    Vielleicht sollte der Senat die leer werdenden Flughafenfelder Tempelhof und Tegel für solche Häuserprojekte kostengünstig zur Verfügung stellen.

  4. 7.

    Das sehe ich anders. Ich baue auch gerade ein Tiny House und werde dieses Frühjahr einziehen. Damit einher geht eine Reduzierung der Arbeitszeit von 70% auf 20% (als Ingenieur), dazu kommen geringfügige Einnahmen aus selbstständiger Arbeit im Tätigkeitsfeld meiner Wahl. Somit reduziere ich meinen Wohnraum auf das Wesentliche, gewinne damit aber Freizeit und aufgrund weniger wirtschaftlichen Zwängen auch Möglichkeit meiner Wunscharbeit nachzugehen.
    Für mich ist das Konzept TIny House daher ganz im Gegensatz zu ihrer Darstellung Möglichkeit aus der "Massenarbeiterhaltung" in 40Stunden-Job und Mietwohnung ohne große Flexbiilität auszubrechen ;-)
    Liebe Grüße!

  5. 6.

    Welch schöner Fortschritt: In der DDR sprach man, wenn die Menschen aufgrund ökonomischer Not und der Unfähigkeit des Systems in winzige Behausungen gezwängt wurden, von "Arbeiterintensivhaltung". In der BRD wird noch viel stärker klaustrophobieverursachendes "Wohnen" den Untertanen als schicker Lifestyle verkauft (wie üblich samt pseudo-intellektuellem Überbau). Woran man deutlich mal wieder die Überlegenheit unseres Systems erkennt.

  6. 5.

    Mein Gott, wie oft hat der RBB jetzt eigentlich schon von solchen , oder ähnlich tollen, architektonischen Absurditäten berichtet? Sowas soll jetzt also das Wohnraumproblem lösen , ja? Für wen denn? Sicher nicht für die Leute mit genug Kohle - die können dann auch in Zukunft in schönen Alt-und Neubauwohnungen, in den Innenstädten wohnen, oder sich ein Haus bauen lassen, am Halensee. Was soll`n das werden, mit diesen Minihäusern? Sollen hier dann in Zukunft auch Trailerparks enstehen, wie in den USA, die beim ersten Unwetter auseinanderfallen, oder was? "Wenn Wohraum knapper wird, oder teurer, müsse mehr Leute kleiner wohnen. Unglaublich - das hier ist nicht Peking, oder Tokio. Die Politik hat dafür zu sorgen, dass ehrlich arbeitende Menschen mit Einkommen für normale Menschen, sich eine ganz normale Wohnung leisten können und nicht in Hundehütten auf Rädern wohnen müssen. Gefäligkeitsjournalismus!

  7. 4.

    He, das ist doch mal eine willkommene Abwechslung zu den vielen Werbeanhängern im öffentlichen Verkehrsraum! Einfach abstellen die umgebauten Pferdeanhänger z.B. am Tempelhofer Ufer oder vielleicht am Mehringdamm (Hauptsache viel Verkehr gleich 50 cm weiter) und einziehen. Wie ich die Berliner Verwaltung kenne, wird diese sich das schon bieten lassen und hinnehmen. Immer schön den Zuzug hypen! Berlin auf dem Weg nach Chittagong!
    @Michael Gehrung: In Großbeeren würde ich mir übrigens auch ohne Baugenehmigung eine Blockhütte hinstellen, denn wer als Gemeindeverwaltung seine eigenen Einwohner von allen Seiten mit riesigen Gewerbegebieten einkesselt und den Nachbarn in Stahnsdorf noch ein 250 m hohes Windrad an die Gemarkungsgrenze hinknallen will, der wird garantiert auch innerorts tolerant sein und alle Hühneraugen zudrücken.

  8. 3.

    Perfekt zugeschnitten auf das hippe Leben eines Weltenbummler-Architekten, aber sowohl für Familien als auch in Innenstäden (wo man aufgrund des geringen Platzes mehrstöckig nach oben baut) ungeeignet.

  9. 2.

    Hallo, ich finde das Konzept von Tiny Houses echt spannend. Ich frage mich aber auch wo man solche Häuser hinstellen kann. Normale Baugrundstücke sind ja zum einen in der Regel deutlich zu groß und damit auch sehr teuer.

    Gruß
    Andreas

  10. 1.

    das nennt sich HAUS ?????
    jede Laube im Kleingarten ist konfortabler---
    jedes Wohnmobil praktischer
    wünsche dem Herrn viel Erfolg

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