Europas größte Jobbörse für Geflüchtete - The German Dream
Endlich eigenes Geld verdienen. Viele Geflüchtete und Migranten wünschen sich nichts sehnlicher, als einen Job zu finden und sich in Deutschland zu integrieren. Wie schwierig das ist und wo es Hoffnung gibt, zeigte sich auf der dafür größten Jobbörse. Von Tom Garus
Zwei Syrer – der eine im Anzug mit Namensschildchen, der andere mit seinen Bewerbungsunterlagen in der Tasche. Der 22-jährige Nedal Ahmad hat einen Ausbildungsplatz in der Berliner Rederei Riedel, sein ein Jahr jüngerer Kumpel Jwan Cheikhmous sucht noch nach einer Ausbildung zum Zahntechniker. Die beiden Freunde sind sich ähnlich, stammen aus derselben syrischen Stadt, Qamischli, im Nordosten des Landes, ihre Familien kennen sich noch aus Syrien. Doch nur Nedal hat es bislang geschafft, Jwan will es noch schaffen: Den Start in ein Leben mit Arbeit in Berlin, auf der Jobbörse für Geflüchtete und Migranten im Neuköllner Estrel.
Die Bundesagentur für Arbeit lädt gemeinsam mit dem Hotel Estrel bereits zum dritten Mal zu Europas wohl größter Jobmesse für Geflüchtete und Migranten. Sie soll den Menschen die Integration in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Somit soll die Gesellschaft langfristig gefördert werden, sagt Bernd Becking, Chef der Arbeitsagentur für Berlin und Brandenburg. "Mit dieser Plattform schaffen wir die Voraussetzung dafür, dass etwa 4.000 Geflüchtete, die wir eingeladen haben, auf 200 Arbeitgeber treffen, die hier über 3.000 Stellen anbieten", sagt Becking.
Die Ingenieurin findet keine Angebote
Das Unternehmen Wall ist dabei, Bayer, die Volkssolidarität und auch Coca Cola. Der Getränkekonzern habe seit Jahren Probleme, seine Ausbildungsstellen zu besetzen. Fachkräfte zur Wartung von Cola-Automaten fehlen, Azubis in der Lebensmitteltechnik und im Lager, berichtet Personalerin Magdalena Engler und hofft auf passenden Nachwuchs: "Wir haben gehört das viele Unternehmen sehr gute Erfahrungen gesammelt haben. Wir haben mitbekommen, dass vergangenes Jahr tatsächlich 200 Stellen besetzt werden konnten, was super ist für einen Tag Ausstellen."
Gekommen ist auch die Türkin Sezin Ucbilek aus Istanbul. Sie ist Chemieingenieurin und etwas enttäuscht von der Jobbörse. Für Akademikerinnen wie sie ist das Angebot nicht groß. Gesucht werden Lokführer, Pflegepersonal, Mechatroniker, Gastronomen, Sicherheitspersonal, Logistikmitarbeiter. Viele Berufe mit "körperlichem" Schwerpunkt, findet eine Gruppe Studierender, doch in diesen Feldern tue sich etwas auf dem deutschen Arbeitsmarkt.
Die Motivation unter den Geflüchteten und Migranten sei hoch, die Abrecherquoten nach Erfahrung von Matthias Olbrich vom Personaldienstleister Tremonia nicht höher, als sonst: "Ich habe lieber ausländische Mitarbeiter, als deutsche Mitarbeiter, weil die wirklich zuverlässig sind", sagt Olbrich. "Die Motivation ist ganz anders. Die Deutschen sehen es häufig entspannt: 'Ich könnte ja auch woanders arbeiten'. Wenn ein ausländischer Arbeitnehmer die Chance bekommt, dann nimmt er die auch wahr."
Tausende Geflüchtete in Berlin in Beschäftigung gebracht
Bis Anfang 2016 dümpelten die Zahlen der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen unter Geflüchteten deutschlandweit um die 100.000. Doch noch im gleichen Jahr gab es einen ersten Sprung nach oben. 2017 dann legte die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Neubeschäftigungen kräftig zu, um knapp 100.000 auf heute 273.000 Beschäftigte aus nichteuropäischen Herkunftsländern. So auch in Berlin, berichtet Arbeitsagentur-Chef Bernd Becking: "Wir haben in den vergangenen zwei Jahren 9.400 Geflüchtete in Beschäftigungen gebracht auf dem Berliner Arbeitsmarkt. Wenn die Menschen beschäftigt sind, können wir sie mit Mitteln der Agentur weiterqualifizieren und sie dann zu Fachkräften machen."
Er sagt aber auch, dass es oft noch bei der Sprache hapere und es hin und wieder Defizite in der Schulbildung bei Geflüchteten und Migranten geben. "Manche Geflüchtete bringen nur vier Grundschuljahre mit. Das ist sehr wenig." Zum Teil müsse ganz von vorn angefangen werden, etwa bei der Alphabetisierung, sagt Becking. "Die Kammern, wie die Handwerkskammer, machen bei den praktischen und theoretischen Prüfungen keine Ausnahmen für Geflüchtete."
Manchmal müssen bürokratische Monster bekämpft werden
Davon lässt sich Jwan aus Syrien nicht abschrecken. Mithilfe seines Kumpels Nedal übt er Deutsch. Zahntechniker zu werden, ist sein Ziel. Ein halbjähriges Praktikum habe er bereits in der Türkei absolviert. Sein Asylantrag ist positiv, er darf in Deutschland arbeiten. Allerdings ist das begrenzt auf die kommenden drei Jahre. Denn länger gilt sein Aufenthaltstitel nicht, kritisiert Matthias Olbrich. "Die Leute möchten arbeiten, können aber nicht. Es ist wie ein Teufelskreis: Sie bekommen nur befristete Verträge, weil ihre Arbeitserlaubnis nur befristet ist – länger dürfen die Unternehmen sie gar nicht einstellen, das wäre illegal." Bei den Unternehmen führt das wiederum zu großen Unsicherheiten, weil sie schlicht nicht wissen, wie lange sie mit ihren Arbeitnehmern rechnen können.
Mit solchen bürokratischen Monstern hat auch Personaler Christian Dewald Bekanntschaft gemacht. Als er seinen Schützling Nedal Ahamd in der Reederei Riedel aufbauen wollte, habe es Schwierigkeiten gegeben, Förderanträge und Weiterbildungsmaßnahmen durchzusetzen. "Von Antrag bis Abschluss vergehen teilweise sieben bis acht Monate. Das kollidiert mit den Vorstellungen mancher Bewerber, die denken: 'Morgen habe ich schon den Bentley vor der Tür.' Das ist einfach nicht möglich. Wir müssen das Bewusstsein schaffen, dass nicht alles von jetzt auf gleich geht."