Initiative "OpenSchufa" - Berliner NGOs wollen die Schufa durchleuchten

Fr 16.02.18 | 17:14 Uhr
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Das Logo der Schufa in Berlin an der Geschäftsstelle der Schufa Holding AG im Mariendorfer Damm. (Quelle: dpa/Jens Kalaene)
Bild: dpa/Jens Kalaene

Die Bank verweigert einen Kredit, der Telefon-Anbieter einen Handyvertrag? Dahinter kann ein schlechter Schufa-"Score" stecken. Wie der sich zusammensetzt: Geschäftsgeheimnis der Schufa. Zwei Berliner NGOs wollen das ändern - und die Auskunftei ist empört.

Mit der Initiative "OpenSchufa" wollen zwei Berliner Nichtregierungsorganisationen mehr über den Bewertungs-Score von Deutschlands größter Auskunftei erfahren. Seit Donnerstag sammeln Algorithm Watch und die Open Knowledge Foundation gemeinsam Spenden, um eine Software zu entwickeln, die Schufa-Auskünfte systematisch analysieren soll.

"Wir wollen auf diese Weise Belege dafür finden, dass die Schufa Dinge tut, die sie nicht tun sollte", sagt Matthias Spielkamp, Journalist und Gründungsmitglied der NGO Algorithm Watch zu rbb|24. Indizien dafür gebe es schon seit Langem: "Wir vermuten, dass zum Beispiel mit veralteteten Daten gearbeitet wird oder dass Namensverwechslungen zu Problemen führen."  

Die Schufa habe mit ihren Informationen Einfluss auf vieles, was im Leben wichtig ist, sagt Spielkamp. Ob beim Abschluss eines neuen Handyvertrags, bei der Suche nach einer Mietwohnung oder beim Einkauf im Internet - die Scoring-Werte von Auskunfteien entscheiden darüber, wer einen Vertrag bekommt und wer nicht, wer auf Rechnung zahlen darf und wer Vorkasse leisten muss, wer einen günstigen Kredit bekommt und wer höhere Zinsen zahlt. Auf diese Weise wollen Unternehmen und Banken ihre eigenen Risiken reduzieren und Verbraucher vor der Überschuldung schützen.

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Über jeden Zehnten sind negative Daten gespeichert

Mehr als einhundert Firmen sammeln in Deutschland Personendaten wie Name, Geburtsdatum, Geburtsort und Anschrift sowie die "Kredithistorie" mit Anzahl der Konten, Kredite, Handy- und Leasingverträge, unbezahlte Rechnungen oder Insolvenzen. Mit Hilfe dieser Daten und einem jeweils eigenen mathematisch-statistischen Verfahren (Scoring) schätzen sie das Zahlungsverhalten eines Verbrauchers ein und verkaufen diese Werte an Banken und Händler.

Die Schufa als führende Auskunftei hat nach eigenen Angaben Daten zu 68 Millionen Menschen gespeichert. Bei rund zehn Prozent der Verbraucher sind diese auch negativ. Dabei handele es sich um "säumige Zahler", so die Schufa.

Das generelle Verfahren steht nicht im Fokus der Kritik von "OpenSchufa". Es gehe darum, es nachvollziehbarer zu machen, so Spielkamp, und mögliche Schwachstellen der Methode aufzuzeigen.

Schufa: Score ist "wissenschaftlich überprüft und aussagekräftig"

Die Schufa reagierte am Donnerstag mit einer langen Stellungnahme und warf den Organisatoren vor, "OpenSchufa" sei "irreführend und "klar gegen die übergeordneten Interessen von Wirtschaft, Gesellschaft und den Wirtschaftsstandort Deutschland gerichtet". Schon jetzt sei das Verfahren zur Scoreberechnung für Behörden und Aufsichten transparent. Es sei "wissenschaftlich überprüft und aussagekräftig".  

"OpenSchufa" leiste Vorschub für Missbrauch und Betrug und führe die Allgemeinheit unter dem Deckmantel der Transparenz in die Irre. "Denn wer, wenn nicht derjenige, der seinen Score manipulativ verbessern möchte", fragt die Schufa, "sollte ein Interesse daran haben, die Details eines wissenschaftlich anerkannten und in der Praxis bewährten Berechnungsverfahrens zu kennen?"

Die Schufa kritisierte zudem, es sei "irritierend", dass die NGO Algorithm Watch von der Bertelsmann Stiftung finanziell unterstützt wird. Zum Bertelsmann-Konzern gehört die Auskunftei "Arvato Infoscore", ein Konkurrent der Schufa.

Laut tagesschau.de erklärten sowohl "AlgorithmWatch" als auch Bertelsmann-Stiftung auf Nachfrage, dass "AlgorithmWatch" seine Projekte unabhängig führt.

Mit Daten gegen die Datensammler

Das Interesse der Verbraucher an der Initiative ist groß: Am Freitagmittag waren bereits mehr als 20.000 Euro zusammengekommen, 50.000 Euro brauchen die Organisationen, um das Projekt umzusetzen. Das Crowdfunding läuft noch bis Mitte März.

Mit dem Geld soll anschließend eine Software entwickelt werden, die es Verbrauchern ermöglicht, ihre Selbstauskunft problemlos an "OpenSchufa" zu übermitteln und dabei den Datenschutz zu beachten, also etwa keine Informationen zur eigenen Identität preiszugeben. 10.000 Datensätze wollen die Initiatoren sammeln; Journalisten von Spiegel und Bayerischem Rundfunk sollen sie anonym auswerten.

Einmal im Jahr können sich Verbraucher von den Auskunfteien kostenlos mitteilen lassen, welche Informationen über sie gespeichert sind, etwa über das Portal selbstauskunft.net. Die Organisatoren von "OpenSchufa" hoffen, dass sich möglichst viele Verbraucher mit ihren Daten melden, die in der Vergangenheit schon mal Probleme mit der Schufa hatten. "Es wäre toll, wenn vor allem diejenigen mitmachten, die einen geringen Score haben", sagt Matthias Spielkamp. Wobei der Begriff "gering" missverständlich ist: Schon ein Score von unter 97 Prozent könne zu Problemen führen.

 

7 Kommentare

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  1. 7.

    Ich finde ganz einfach, dass die Interessen der Menschen den Interessen der Wirtschaft übergeordnet sein sollten. Die Wirtschaft soll dem Wohl des Menschen dienen. Dies stellt die Aussage der Schufa-Stellungnahme oben infrage.

    Das zeigt mal wieder deutlich, dass wir bereits in einem totalitären Überwachungssystem leben, in dem Persönlichkeitsrechte und Bürgerrechte von den Konzernen beschnitten und ausgehebelt werden. Und der Staat unterstützt jene natürlich, denn er ist von Wirtschaftsinteressen abhängig.

    Wer auch noch für eine solche gelebte Dystopie plädiert, kann sich meiner Ansicht nach gleich einsargen lassen.

    Danke an alle aufgeweckten Leute, die nicht vollkommen verblendet sind und solche emanzipatorischen Projekte wagen wie "Open Schufa"!

    Die Verbindung mit der Bertelsmann-Stiftung bremst das Projekt hoffentlich nicht zu sehr aus. Hauptsächlich wird es ja eh durch Crowdfunding finanziert und eine solche Summe in einer so kurzen Zeit – Chapeau! Weiter so.

  2. 6.

    Die SCHUFA ist wichtig, damit diejenigen enttarnt werden, die über ihre Verhältnisse leben. Erst kaufen und dann nicht zahlen können! Die SCHUFA warnt, ganz einfach!

  3. 5.

    Ich weiß nicht, was alle gegen den Schufa-Score haben. Es ist ein zusätzlicher Service, den die Schufa ihren teilnehmenden Unternehmen (Banken, Versandhändler, Telefongesellschaften etc.) zusätzlich (!) anbietet, damit diese den Kunden nicht zwingend selbst scoren müssen. Keines dieser Unternehmen ist verpflichtet, den Schufa-Score abzurufen, geschweige denn ihn zu verwenden. Wenn ich als Kunde einen schlechten Score habe und bei einem Versandhändler auf Rechnung bestellen will, wird der es wahrscheinlich ablehnen, es sei denn, ich bin bereits Stammkunde. Dann habe ich zwei Möglichkeiten: Entweder ich wähle eine andere Bezahlmethode (zahlen muss ich sowieso) oder ich suche mir einen anderen Händler, der den Schufa-Score nicht nutzt. So einfach ist das.
    Händler wollen und müssen schließlich ihr Ausfallrisiko minimieren, sonst zahlen die ehrlichen Kunden für die unehrlichen mit und/oder der Händler geht pleite. Ehrliche Kunden werden das wohl kaum wollen!

  4. 4.

    Ihre Aussagen sind nicht korrekt. Es gibt auch bei der Schufa Speicherfristen für die dort eingetragenen Merkmale, auch die Negativen. Die Speicherfristen ergeben sich aus dem Bundesdatenschutzgesetz. Was bei der Schufa über Sie gespeichert ist, dürfen Sie einmal im Jahr kostenfrei anfragen. Die Schufa ist zur Angabe aller über Sie gespeicherten Daten verpflichtet. Es kostet Sie nur die Briefmarke. Sollte etwas falsch sein, ist die Schufa zur sofortigen Löschung verpflichtet.

  5. 3.

    Ich glaube die Schufa ist der ,, Liebe Gott''. Da werden Daten nach Lust und Laune gespeichert. Wer einmal negativ war der bleibt es ein Leben lang. Ich begrüße es wenn den Leuten mal auf die Finger und unter den Schlips geschaut wird.

  6. 2.

    Ich hoffe der SCHUFA geht es endlich mal so richtig an den Kragen.

    Gegen Bonitätsauskünfte spricht ja grundsätzlich nichts, so wie es aber die SCHUFA veranstaltet, macht es einen sittenwidrigen Eindruck - zumal diese oftmals auch alles andere als korrekt arbeiten - mit weitrechenden, existenzbedrohenden Folgen.

    Ich wünsche dem Projekt gegen die SCHUFA bestes Gelingen!

  7. 1.

    Ein besserer Ansatz wäre:
    "Opendata" (bzw. eine Tarnfirma wird zahlendes Mitglied der SCHUFA; ggf. finanziert mithilfe von Spenden.
    Die Bürger erlauben Opendata ihren Score monatlich abzufragen. (Meine Hausbank (Santanderbank) macht das vierteljährlich.)
    Im Gegenzuzug erhalten die Bürger den Score monatlich von Opendata kostenlos mitgeteilt. Die Bürger kommentieren den Score mit ihren wirtschaftlichen Aktivitäten, die den Score vermutlich beeinflusst haben könnten.
    Wer den Score nicht kommentiert, der erhält ihn zukünftig nicht mehr mitgeteilt.

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