Sechs Nächte die Woche, fast rund um die Uhr hat der Fruchthof auf dem Berliner Großmarkt geöffnet - eine Halle, so groß wie die "Mall of Berlin". "Früchte Franz" ist seit 1965 an der Beusselstraße - als eines von noch zwei Familienunternehmen.

Das Geschäft im Fruchthof hängt nicht mehr so stark von den Jahreszeiten ab - heute können Firmen wie Franz alles zu jeder Jahreszeit besorgen. Manches kommt mit dem Flugzeug, das meiste aber mit dem Containerschiff. Papayas aus Südamerika zum Beispiel sind gut drei Wochen lang unterwegs. LKWs bringen sie von den Häfen Rotterdam und Hamburg nach Moabit.

Gegen 0 Uhr parken die ersten Laster an der Laderampe. Bis zu 200 donnern die vierspurige Zufahrt jede Nacht herunter. Seinen Spargel zum Beispiel bestellt Franz morgens in der Pfalz, mittags fährt der LKW los - und dockt rechtzeitig um zwei zum Entladen an.

Gucken, riechen, schmecken - die drei Gebote der Reifeprüfung. Detlef Zimmermann kontrolliert eine Lieferung Trauben. Als 17-Jähriger hat er auf dem Großmarkt angefangen, heute ist er 57 und sein Rücken und seine Schulter sind kaputt. "Wenn ich länger als zwei Wochen raus bin, hab ich die ersten Tage danach nur noch Muskelkater", sagt Zimmermann.

Sefa Akkuş arbeitet seit 36 Jahren im Fruchthof, immer war er Verkäufer. Aber seine Arbeit hat sich geändert: Früher kamen die Kunden zu ihm an den Stand, dann stritt er mit ihnen um den Preis. Heute kommt kaum noch einer.

Stattdessen fährt der 58-Jährige vollgepackte Paletten durch die Halle, füllt Lieferscheine auf seinem Klemmbrett aus, nimmt Bestellungen am Telefon auf. Es fällt ihm schwer, sich an die neuen Zeiten zu gewöhnen.

Morgens um 5 Uhr: Links gibts bitteren Kaffee und ausgezeichneten Börek. Rechts können die Arbeiter und Händler ihr Glück versuchen, "Bild", "Hürriyet" und "Sabah" lesen. Die meisten hier kennen sich seit Jahrzehnten.

In der Halle hört man Deutsch, Arabisch, Vietnamesisch, Russisch,  - aber am häufigsten immer noch Türkisch. "Abi und "Dede", sagen die Händler liebevoll zueinander, "großer Bruder" und "Opa".

Der Großmarkt ist voll vermietet, noch heute gehört er dem Land Berlin. Die Händler hier haben ihre Stände nur gepachtet. Eine Gruppe von 100 Unternehmern will ihn übernehmen und als Genossenschaft weiterführen. Aus ihrer Sicht muss das Gelände dringend modernisiert werden. Aber der Senat hat die Pläne vor kurzem abgelehnt.

"Es gab mal 1.000 Obsthändler in Berlin, heute gibt's vielleicht noch 200. Wenn die zweimal in der Woche einkaufen, kommt für uns nicht viel zusammen", sagt der Chef Thomas Franz. Deshalb beliefert er Restaurants, Hotels, Großkantinen. Diese Ladung Champignons ist für die Arbeitsagentur vorgesehen.

Frischgepresster Limettensaft, fertige Salatmischungen in Plastikbeuteln: Franz konzentriert sich mehr und mehr auf Convenience. Denn die großen Supermarktketten brauchen den Gemüsegroßmarkt nicht mehr. Und bald kommt auch noch "Amazon Fresh" dazu.

Früher waren es 300, heute sind es 51 Händler im Fruchthof. Die Großen werden größer, die Kleinen verschwinden. "Ich glaube: So wie jetzt wird es den Großmarkt in 20 Jahren nicht mehr geben", sagt Henrik Franz (rechts).

Wenn die ersten Berliner sich verschlafen aus ihren Betten schälen, wird es im Großmarkt schon wieder ruhiger. Um sechs Uhr haben die meisten Kunden ihre Einkäufe erledigt. Gegen neun Uhr fahren die Rollläden an den Ständen herunter. | Zur Reportage | Zum Video | Weitere Bildergalerien