Gründer-Schmiede "A32" in Berlin - Start-ups legen das Fundament für die Siemensstadt 2.0

Sa 23.03.19 | 09:21 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Berlins Bürgermeister Michael Müller (SPD) bei einer Präsentation von Siemens in Berlin am 22.03.2019 (Quelle: rbb/ Schöbel)
Video: Abendschau | 22.03.2019 | Martin Küper | Bild: rbb/ Schöbel

Wo früher die erste Mehrzweck-Elektro-Lokomotive gebaut wurde, sollen jetzt Start-up-Gründer ihre Ideen entwickeln. Siemens präsentiert das Gründerforum "A32" als ersten Schritt zum 600 Millionen Euro teuren Berliner Innovationscampus. Von Sebastian Schöbel

Siemens-Vorstand Cedrik Neike legt die Messlatte gleich mal richtig hoch: "Ich freue mich darauf, dass der nächste Werner von Siemens - oder die nächste Werner von Siemens - hier sitzt." Gemeint sind einerseits natürlich der geniale Erfinder und Gründer des wohl bekanntesten Berliner Konzerns, andererseits das "A32 Entrepreneurs Forum Berlin", eine gut 100 Jahre alte Fabrikhalle an der Nonnendammallee gleich neben dem Dynamowerk. Der Name "A32" leitet sich übrigens recht unkreativ von der Nummerierung der Halle ab. Hier, wo einst die erste Mehrzweck-Elektrolokomotive gebaut wurde, sollen nun auf gut 6.000 Quadratmetern Fläche Gründer von Start-ups ihre Ideen entwickeln und Produkte zur Marktreife bringen. Alles Hand in Hand mit der Industrie - vor allem mit Siemens.

Dass Neike so viel Hoffnung in die jungen Firmen steckt, hat aber noch einen anderen Grund: Sie sind auserkoren worden, die Vorboten einer massiven Transformation der Siemensstadt zu sein. Das "A32"-Gründerforum soll nämlich der erste Schritt sein hin zum großen 600 Millionen Euro teuren Innovationscampus, der die Siemensstadt komplett verwandeln wird. "Hier soll ein Stadtteil der Zukunft entstehen, der Produktion, Forschung, Lernen, Arbeiten, Wohnen und Leben beispielhaft integriert", so Neike.

Vorgänger des "A32" entwickelt schon seit 2017 Innovationen

Dabei ist das "A32 Entrepreneurs Forum" gar nicht neu, sondern eine bereits bestehende Gründer-Schmiede in neuem Gewand. Den Vorgänger, genannt "Startup Incubator Berlin", gibt es an gleicher Stelle bereits seit 2017. Gegründet wurde er von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR). 19 Teams arbeiten inzwischen hier, unterstützt durch Expertenworkshops, Kontakte zur Industrie und Fördermittel von Land, Bund und der Europäischen Union.

Ein Elektroroller von Siemens (Quelle: rbb/ Schöbel)
Recycelte Solarpanele als Mini-Kraftwerke | Bild: rbb/ Schöbel

Dabei sind junge Unternehmerinnen und Unternehmer wie Lisa Wendzich. Ihre Firma "SunCrafter" hat "zellulare, erneuerbare Energiesysteme aus gebrauchten Solarmodulen" entwickelt. In der Praxis sind das etwa mannshohe Aufsteller, die auf einer Seite mit flachen Solarpanelen beklebt sind, eine Batterie haben und als sehr mobile, sehr günstige und vor allem nachhaltige Stromquellen quasi überall aufgestellt werden können. Gedacht waren sie eigentlich für Krisengebiete und Flüchtlingslager, sagt Wendzich. Doch nun kommen immer mehr Anfragen aus Großstädten. Die Mini-Kraftwerke können etwa bei Veranstaltungen als coole Handyladestationen dienen oder am Straßenrand Elektroscooter aufladen. "Der verrückteste Fall war ein innovativer Friedhof in Österreich, der das angefragt hat."

Eine Fahrzeug am Siemensstandort in Berlin (Quelle: rbb/ Schöbel)
Lastentrike | Bild: rbb/ Schöbel

In Nordrhein-Westfalen, wo Wendzich ihr Unternehmen in einer Laube gegründet hat, fand sie allerdings zu wenig Unterstützung. Also kamen sie und ihr Team nach Berlin. "Wir hatten ein ganz kleines Büro um die Ecke und sind im nächsten Schritt hier in den Inkubator gekommen", also die "Firmenbrutkammer" der Hochschule für Wirtschaft und Recht - aus dem nun das "A32"-Gründerforum geworden ist.

Das hat nun mehr Möglichkeiten, mehr Platz und mehr Partner, allen voran die sechs Berliner Fachhochschulen und Siemens. 6.000 Quadratmeter Fläche sehen Start-ups zur Verfügung. Sie bekommen jede Menge Beratung und können Kontakte zur Industrie knüpfen, sagt HWR-Präsident Andreas Zaby. "Dann können sie hier das Unternehmen erdenken und innerhalb eines Jahres erste Prototypen entwickeln." Dafür gibt es neben Fördermitteln vor allem ein Jahr lang mietfreie Räumlichkeiten. Erst später, wenn die Gründer Geld verdienen, müssen sie zahlen.

Blick in einen Raum bei Siemens in Berlin (Quelle: rbb/ Schöbel)
Im A32 Gründerforum | Bild: rbb/ Schöbel

Neues wirtschaftliches Potenzial für die Stadt und für Siemens

Oder aber ein großes Unternehmen wird auf die Innovationen aufmerksam und greift zu - Siemens zum Beispiel. Der Konzern erhofft sich viele innovative Ideen auch für das eigene Produktportfolio. Die Wege zum "A32"-Forum sind kurz: Die jungen Unternehmer sind an ihrem Standort in der Nonnendammallee von den Siemensianern regelrecht umzingelt. Ganz nebenbei wird durch die enge Anbindung innovativer, junger Unternehmen auch neues wirtschaftliches Potenzial für die Stadt geschaffen - und Fachkräfte werden an die Spree gelockt, statt sie an andere Standorte wie London oder Paris zu verlieren. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) weist bei der Eröffnungsveranstaltung dann auch mit einem Augenzwinkern darauf hin, dass das Projekt "nicht ganz uneigennützig" ist. "Aber das ist legitim, wir bieten eine Chance."

Die Chance gilt allerdings nicht nur für die Jungunternehmer, die schon heute im "A32"-Gründerforum Apps für Mieterbeschwerden, Onlineplattformen für Apotheken oder elektrische Lastentrikes entwicklen. Der Inkubator wird von Siemens nun als erster, konkreter Schritt hin zum großen Innovationscampus präsentiert. Der nächste Meilenstein wird dann im Mai folgen, wenn der 76 Millionen Euro teure Industrie- und Wissenschaftscampus startet. Im Sommer startet dann der städtebauliche Wettbewerb für den gigantischen, 600 Millionen Euro teuren Siemens Innovationscampus.

Sendung: Abendschau, 22.03.2019, 19:30 Uhr

Beitrag von Sebastian Schöbel

3 Kommentare

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  1. 3.

    Seit einigen Jahren frohlockt der Senat, Berlin ist Start-up Hauptstadt!

    Und das kommt dabei heraus:
    https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2019/03/berlin-steuerkraft-pro-einwohner-sinkt-steuern.html

  2. 2.

    Der Ort ist super, die jungen Gründer ebenfalls! Aber wenn Politiker und Vorstand antanzen, wird so ein idiotischer Trubel gemacht, dass es schon peinlich ist die Aussagen zu lesen. In den letzten drei Tagen zum Ereignis, wurde erst alles auf Hochglanz im Incubator gebracht. Heuchler. Nix Neues.

  3. 1.

    Der "Startup Incubator Berlin" ist nicht der Vorgänger des A32 und besteht parallel auch weiter. Das A32 ist der Siemens eigene CoWorking Space und wird auch durch Siemens betrieben. Der Startup Incubator ist das Gründungszentrum der HWR und nur Mieter im A32. Genauso wie viele andere Startups die nicht einem Hochschulinkubator zugehörig sind.

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