Berliner Forschungsprojekt Zesys - Die Kunst, ein Kabel unter der Erde zu finden
Wenn Baugruben eröffnet werden, gibt es manchmal böse Überraschungen: Da liegen Kabel, von denen niemand etwas wusste. Mit etwas Pech sind es zentrale Stromkabel, so wie im Februar in Köpenick. Ein Berliner Forschungsprojekt versucht, solche Leitungen zu orten.
Im Februar wurden bei Bauarbeiten in Köpenick zwei Erdkabel beschädigt, zehntausende Haushalte im Südosten der Stadt waren zwei Tage lang ohne Strom. Damit so etwas in Zukunft nicht mehr passiert, wollen Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus der Region unterirdische Leitungen jetzt besser schützen.
Einer, der bereits länger an dem Thema forscht, ist Andreas Pilawski. Der Ingenieur hat lange für einen Versicherungskonzern gearbeitet und Schäden von Kunden aufgenommen, wenn bei Bauarbeiten mal wieder eine Gas-, Wasser-, Strom- oder Telefonleitung gekappt wurde. Der Schaden sei zu Beginn zwar überschaubar, wachse dann aber schnell an, sagt er.
Besonders hoch sind oft die Folgekosten
Pro Jahr werden in Deutschland rund 100.000 Leitungen beschädigt, sagen die Leitungsbetreiber. Die Sachschäden belaufen sich auf bis zu 500 Millionen Euro – ganz zu schweigen von den Folgekosten, wenn Unternehmen nicht arbeiten können oder Krankenhäuser keinen Strom haben.
Ein Grund, weshalb Bauarbeiter so oft Leitungen treffen, ist gewissermaßen hausgemacht. Es gebe hierzulande hunderte Netzbetreiber, aber keinen einheitlichen Standard, wie sie ihre Kabel zu beschreiben haben, kritisiert Andreas Pilawski. Und dann gebe es Unterlagen, die sehr akribisch auf Papier gezeichnet seien – allerdings schon vor 40 oder 50 Jahren: "Das Papier hat sich im Laufe der Zeit verändert, gestaucht, gewellt, wurde dann gescannt – und mittlerweile hat man den digitalen Fehler mit übernommen. Wenn man dann auf der Baustelle steht und sich nur darauf verlässt, ist man auch verlassen", sagt Pilawski.
Die Brille für die erweiterte Realität
Um das Risiko von Leitungsschäden zu minimieren, haben Andreas Pilawski und seine Kollegen von der Berliner Forschungseinrichtung Zesys ein Projekt ins Leben gerufen: Gemeinsam mit Tiefbauunternehmen, Messtechnikern und Startups aus dem Osten der Republik entwickeln sie Ansätze, wie man unterirdische Leitungen besser schützen kann. Es geht unter anderem darum, fehlerhafte Pläne zu korrigieren, Leitungen zu orten und ein Alarmsystem aufzubauen. Vorstellbar seien dabei bestimmte Hilfsmittel und Dienstleistungen, zum Beispiel AR-Brillen (Augmented-Reality), sagt Pilawski: "Da kann man dann die Baustelle wirklich am Anfang ablaufen, unter sich die Leitungen sehen und entsprechend auch Baumaschinenführer einweisen." AR-Brillen sind mit zahlreiche Sensoren ausgestattet und scannen gewissermaßen die Umgebung.
Viele Unternehmen beteiligen sich an der Forschung
Auch die Frage, was im Schadensfall passiert, wollen sich die Initiatoren vorknöpfen. Denn wartet man zu lange, wenn ein Bagger eine Wasserleitung gesprengt hat, gehen die Schadenszahlen enorm in die Höhe, betont Projektleiter Andreas Pilawski. Unterstützung kommt vom Bundeswirtschaftsministerium, das fördert das Projekt mit Millionenbeträgen. Die Liste der Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die sich an dem Vorhaben beteiligen, wird immer länger: Inzwischen sind es mehr als 20 - selbst Firmen aus Österreich sind mit dabei.
Sendung: Inforadio, 30.07.2019, 13:15 Uhr