Die beliebtesten Ausbildungsberufe - Fitness-Studio statt Fleischtheke

Di 03.09.19 | 06:32 Uhr | Von Götz Gringmuth-Dallmer und Nele Haring
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rbb24 Collage: Links ein Fitnesskurs und rechts im Bild ist eine Metzgerin (Quelle: dpa/ Kalaene/ Imago/ Westend61)
Bild: dpa/ Kalaene/ Imago/ Westend61

Medizinische Fachangestellte, ein Beruf in der Kfz-Technik oder Verkäufer sind die am meisten nachgefragten Ausbildungsberufe 2019. Die größte Lücke zwischen Bewerbern und angebotenen Ausbildungsstellen gibt es jedoch in anderen Bereichen.

Wenn es allein um die Zahlen geht, stehen Berufe im Verkauf in Berlin immer noch auf Platz eins der nachgefragtesten Ausbildungsstellen. Dafür interessierten sich laut Statistik der Arbeitsagentur bis zum August 2.433 Bewerberinnen und Bewerber (zur Verfügung standen 2.140 Ausbildungsplätze) - gefolgt von Büro- und Sekretariatskräften und Medizinischen Fachangestellten.

"Verkauf" steht seit vielen Jahren ganz oben auf der Nachfrageskala bei den Ausbildungsberufen, und Büro- und Sekretariatsjobs landen fast genauso unverrückbar auf Platz zwei. Ob es tatsächlich auch die begehrtesten Ausbildungsplätze sind, ist nicht klar. Denn viele Bewerber entscheiden sich für diese Bereiche, wenn es mit dem eigentlichen Traumjob nicht geklappt hat, sagt Holger Seibert vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit Berlin-Brandenburg. Und schließlich gibt es in diesen Bereichen viele Jobs und viele Ausbildungsplätze.

Auffällig ist: Es gibt mehr Bewerbungen als Ausbildungsplätze, dennoch bleiben zahlreiche Ausbildungsplätze unbesetzt. Wie passt das zusammen?

Die Gründe dafür seien vielfältig, sagt Arbeitsmarktexperte Holger Seibert. Es gehe dabei unter anderem um die individuelle Eignung der Azubis für die jeweiligen Lehrstellen (aus Sicht der Betriebe) und um die Attraktivität der unterschiedlichen Ausbildungsstellen (aus Sicht der Auszubildenden). Dazu kämem allerdings auch Mobilitätsprobleme oder die mangelnde Bereitschaft, weite Wege zum Ausbildungsplatz in Kauf zu nehmen, meint Seibert.

In Brandenburg kommt die Entfernung dazu

In Brandenburg sieht die Liste der nachgefragtesten Ausbildungsberufe ähnlich aus: Verkauf steht ganz oben gefolgt von Büro und Sekretariat - auf Platz drei folgt hier das KfZ-Gewerbe. Das steht in Berlin auf Platz vier, ist also ähnlich gut nachgefragt.

Auch in Brandenburg gibt es mehr Bewerber als Lehrstellen, und auch hier bleiben trotzdem noch Lehrstellen offen. In Brandenburg geht es Seibert zufolge aber auch um die Frage, wie weit es zur nächsten Berufsschule ist: Zum Teil liege die 100 Kilometer oder noch weiter entfernt.  

Besonders im Verkauf gelte aber auch, dass viele der angebotenen Ausbildungsstellen für Lehrstellenbewerber wenig attraktiv seien - wegen niedriger Azubilöhne, einem schlechten Image, Wochenendarbeit und wenig Abwechslung. Und - was auch vorkommt - junge Menschen unterschreiben zwei Ausbildungsverträge, treten dann von einem aber wieder zurück.

Junge Brandenburger wandern auch häufig vom heimischen Ausbildungsmarkt ab und pendeln stattdessen nach Berlin, weil sie dort einen attraktiveren Ausbildungsplatz finden. Letztlich schüttele sich aber vieles noch zurecht: Zum Jahresende hätten dann die meisten etwas gefunden, so Seibert.

Kaum jemand will hinter die Fleischtheke

Neben den nachgefragten Berufen gibt es in beiden Bundesländern auch eine lange Liste von Ausbildungen, bei denen es deutlich mehr Stellen als Bewerber gibt. So ist zum Beispiel eine Ausbildung zum Fleischfachverkäufer in beiden Bundesländern ähnlich unbeliebt: In Berlin stehen für 43 unbesetzte Ausbildungsplätze theoretisch acht Bewerberinnen und Bewerber zur Verfügung, in Brandenburg sind hier 42 Stellen unbesetzt und es gibt sechs gemeldete Bewerber.

Auch die Vorstellung, als Burgerbrater oder in der Kanalisation zu arbeiten, scheint wenig attraktiv zu sein: So haben Ausbildungsstellen in der Systemgastronomie, im Kanal- und Tunnelbau oder auch in der Kunststoff- und Kautschukherstellung sehr wenige Bewerbungen im Verhältnis zu den noch unbesetzten Ausbildungsstellen.

Noch rund 9.000 unversorgte Bewerber

Insgesamt gab es im August nach der Statistik der Arbeitsagentur in Berlin noch 6.031 unversorgte Bewerber und Bewerberinnen und 5.553 unbesetzte Ausbildungsstellen. In Brandenburg waren noch 3.387 Menschen ohne Ausbildungsplatz, dem gegenüber standen noch 4.672 unbesetzte Stellen.

Allerdings können die offiziellen Zahlen nur einen Trend zeigen, da weder Bewerberinnen und Bewerber noch Betriebe verpflichtet sind, ihr Angebot oder ihr Interesse der Arbeitsagentur zu melden. Wenn also zum Beispiel eine Kfz-Werkstatt durch einen Aushang im Schaufenster  einen geeigneten Bewerber findet, ohne dass dafür die Arbeitsagentur eingeschaltet werden musste, so tauchen weder Azubi noch Ausbildungsstelle in der offiziellen Statistik auf.

Neben den klassischen Ausbildungsberufen mit einem großen Angebot und vielen Bewerbern gibt es auch eine Reihe von Berufen, bei denen viele Bewerber statistisch keine Chance haben, den begehrten Ausbildungsplatz zu bekommen, weil dort die Lücke zwischen Bewerbern zu angebotenen Ausbildungsplätzen besonders groß ist.

So müssen sich wohl viele umorientieren, die in Berlin einen Beruf als Manager oder Kauffrau in der Sport- und Fitnessbranche anstreben. Im August 2019 interessierten sich in der Hauptstadt 233 junge Menschen für einen Beruf in diesem Bereich, angeboten und statistisch belegt gibt es in der Hauptstadt in diesem Jahr aber gerade mal zwölf Lehrstellen für Sport,- Fitnesskaufleute sowie Sportmanager.

Ähnlich knapp und beliebt sind in der Hauptstadt Berufe in der Kosmetik. Hier gab es im August 174 Interessenten auf zwölf Ausbildungsstellen, gefolgt von Berufen im Vertrieb (48 zu vier).

Brandenburg: Bild- und Tontechnik besonders gefragt

Etwas anders sieht es in Brandenburg aus. Hier klafft die größte Lücke im Verhältnis zwischen angeboten Ausbildungsstellen und Bewerbern bei einem Beruf in der Bild- und Tontechnik. Auf 108 Bewerberinnen und Bewerber wurden gerade einmal sieben Ausbildungsstellen der Arbeitsagentur gemeldet.

Möglicherweise werden sich also viele dieser jungen Menschen in anderen Bundesländern umschauen müssen - wenn sie nicht auch in den Verkauf gehen wollen.

Beitrag von Götz Gringmuth-Dallmer und Nele Haring

1 Kommentar

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  1. 1.

    Im Fitness-Studio oder Yoga-Studio sind die Trainer jedenfalls als Ich-Firma angestellt, und werden mies bezahlt. Das kann kein Traum sein, für sowenig Geld midlife crisis gebeutelte Unsportlichkeiten zu trainieren...

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