Königs Wusterhausen - Wie Herr Vogel gegen den Glyphosat-Einsatz der Bahn kämpft

Sa 23.11.19 | 16:56 Uhr | Von Claudia Stern
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Richard Vogel in seinem Garten am Bahnhof Zernsdorf, dahinter das Gleis, Foto: Antenne Brandenburg, C. Stern
Audio: Antenne Brandenburg | 21.11.2019 | Claudia Stern | Bild: Antenne Brandenburg, C. Stern

Tonnenweise Glyphosat versprüht die Deutsche Bahn jedes Jahr deutschlandweit, um die Gleise unkrautfrei zu halten. Richard Vogel aus Zernsdorf will, dass Schluss ist mit der Chemiekeule. Das Unkraut am Gleis vor seinem Garten zupft er per Hand. Von Claudia Stern

Wenn die Regionalbahn 36 nach Frankfurt (Oder) in den Bahnhof Zernsdorf einfährt, winkt Richard Vogel dem Zugführer freundlich zu. Seit fünf Jahren lebt der 67-Jährige in dem alten Bahnhofsgebäude des Königs Wusterhausener Ortsteils. Im Grunde ist er ein echter Eisenbahn-Liebhaber. Aber dass die Deutsche Bahn noch immer deutschlandweit einmal jährlich sämtliche Strecken mit Glyphosat besprüht, treibt ihn um.

Unkrautzupfen statt Glyphosat

Angefangen hat alles, als er im Frühsommer 2015 den ersten Glyphosatzug der Bahn durchfahren sah. Um zu verhindern, dass der Unkrautvernichter auch auf dem Abstellgleis direkt neben seinem Obstgarten eingesetzt wird, zupfte er den 350 Meter langen Abschnitt einfach per Hand. "Ich habe versucht, das Grün zu reduzieren im Gleis", erzählt Vogel. "Denn wenn nichts wächst, braucht die Bahn auch nicht sprühen."

Die mühsame Handarbeit wirkt, Vogels Pflaumenbäume bleiben bis auf weiteres verschont. Doch der pensionierte Biologe und Toxikologe weiß um die Gefahren des Unkrautvernichters – und will mehr. "Es geht nicht nur um unsere Pflaumenbäume, sondern darum, dass die Bevölkerung weiß, was die Bahn ausbringt. Das ist weitgehend unbekannt. Und aus diesem Grunde versuche ich eben, Öffentlichkeit herzustellen." Dabei geht es ihm nicht etwa nur um Zernsdorf oder um Königs Wusterhausen. Vielmehr stelle der Glyphosat-Einsatz der Bahn im ganzen Bundesgebiet ein Problem dar.

Bahn: Glyphosat ist unverzichtbar

57 Tonnen Glyphosat versprühte die Bahn im vergangenen Jahr deutschlandweit. 2017 waren es noch 67 Tonnen, 2016 sogar 70 Tonnen. Der Rückgang erkläre sich durch den immer präziseren Einsatz auch mithilfe von Kameras und Sensoren, teilte das Unternehmen auf Anfrage von rbb|24 mit.

Ab 2020 soll sogar nur noch halb so viel Glyphosat eingesetzt werden wie bisher. Außerdem liege der Anteil der Deutschen Bahn an der in Deutschland insgesamt ausgebrachten Herbizidmenge bei lediglich 0,4 Prozent. Verzichtbar sei der Unkrautvernichter vorerst aber nicht. "Der Gleisbereich muss frei von Bewuchs bleiben", teilte ein Bahnsprecher mit – im Interesse des sicheren Bahnbetriebs.

Alternativen zur Chemie

Dass die Bahn die Gleise unkrautfrei halten muss, bestreitet auch Vogel nicht. "Aber es gibt eben seit Jahren Alternativen zur Chemie", sagt der 67-Jährige überzeugt. Nur habe die Bahn bislang nicht ernsthaft versucht, diese einzusetzen. Er wünscht sich, "dass man beispielsweise so eine Strecke mal nähme als Modellstrecke und dort Alternativmethoden einsetzt, zum Beispiel Heißdampf". Eine Schweizer Firma habe zudem eine Methode entwickelt, Pflanzen gezielt mit Hilfe von hochfrequenter Spannung, also Strom, abzutöten, sagt Vogel.

All diese Methoden hat die Bahn offenbar zumindest auf dem Schirm. Auf Anfrage teilte sie mit: "Geprüft werden derzeit mögliche Verfahren auf Basis des Einsatzes von Heißwasser, elektrischem Strom und UV-C-Licht." Allerdings seien bislang weder thermische noch mechanische Verfahren ein geeigneter Ersatz für "den begrenzten Einsatz von Herbiziden im Gleisbereich".

Bahn zeigte Vogel an

Damit sich das bald ändert, will Vogel weiter kämpfen: immer wieder den Finger in die Wunde legen, immer wieder über den Glyphosat-Einsatz der Bahn informieren. Nur beim Unkrautzupfen auf dem Abstellgleis lässt er sich inzwischen nicht mehr beobachten. Denn als er sich im Frühjahr für einen Fernsehbeitrag dabei filmen ließ, zeigte ihn die Bahn an – wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr.

Sendung: Antenne Brandenburg, 21.11.2019, 15:40 Uhr

Beitrag von Claudia Stern

40 Kommentare

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  1. 39.

    Wo habe ich davon geschrieben, das nur in Deutschland Glyphosat angewandt wird?

  2. 38.

    Ach wissen Sie, lange wissenschaftliche Aufsätze überlasse ich gerne anderen hier zum Thema. Mir reicht schon was ich zum Thema Glyphosat gehört und gesehen habe. Besonders im Bereich des Insektensterbens. Allen voran unsere Bienen. Aber sind ja auch wieder nur die Grünen dran schuld.

  3. 37.

    Könnte es viel mehr nicht sein, dass sie unwissend in dem Bereich sind ? Ihre bisherigen Wortmeldungen sind jedenfalls nicht grade fachlich kompetent.

  4. 36.

    Mit der Wahrheit nehmen sie es weiter nicht so genau, da Sie behaupten was so nie gesagt wurde. Warum schreiben Sie nichts dazu?

  5. 34.

    Was sie wahrscheinlich meinen sind keine chemischen Pestizide, sondern biologische Pflanzenschutzmittel. In der Permakultur wird sowas übrigens nicht eingesetzt. Gehe ich also davon aus, dass sie für noch härtere Gesetze im Einsatz von Plfanzenschutzmittel sind?

    Dann verstehe ich ihren Kommentar nicht. Zudem können sie nochmal den Ideologieaspekt erläutern, weil Glyphosat auf den Schienen betrifft sowohl Anwohner als auch Grundstücksbesitzer an diesen.

  6. 33.

    Danke für Ihre Antwort. Sicher darf man hier nicht die Albanische Bahn mit der unsrigen gleichsetzen. Ich fand nur in diesem Bericht sehr schön, wie schnell sich die Natur diesen Lebensraum zurückerobert hat.

  7. 32.

    Wenn ich nur Ihren, bescheiden ausgedrückt, sinnfreien Kommentar 26 lese, erspare ich mir jegliche Antwort zum Thema.

  8. 31.

    die Bahn tut doch schon etwas. Steht im Bericht und hier

    https://www.deutschebahn.com/de/presse/pressestart_zentrales_uebersicht/DB-halbiert-ab-2020-Einsatz-von-Glyphosat--4405582

    Es geht nunmal nicht alles von gleich auf jetzt. Und bitte Leute, kommt mir jetzt nicht mit einem "die Welt hat keine Zeit mehr"-Untergangsszenario. Jede Veränderung braucht Zeit.

  9. 30.

    Danke für die Bestätigung wie wenig informiert der ein oder andere ist. Auch wenn es einige aus der Richtung der GrünInnen es verleugnen, so ist es ein Fakt das chemische Pestizide im Bio-Anbau eingesetzt werden. Aber gerne lege ich nach. Biobauern haben eine Mitschuld am Hunger in der Welt. Informationen dazu finden Sie in der heutigen Quarks Sendung. Es ist zudem obszön wenn Reiche sich von Bio ernähren wollen und die Armen außen vor bleiben. (Sinn oder Unsinn von Bio ein weites Feld deshalb außen vor). Dann aber immer noch schön Subventionen für das Bio der Reichen haben wollen.

    Die Unkrautvernichtung bei der Bahn dient der Sicherheit. Sie können mir sicher erklären wieso einem intelligenten Mensch nicht klar ist, warum kein Unkräuter auf den Bahndamm wachsen.

  10. 29.

    Gut dann erklär ich das einmal ganz langsam. Es gibt eben leider Bereiche in welchen wird nicht auf Pestizid verzichten können. Nicht einmal Biobauer verzichten auf Pestizide. Da sie nicht auf dem neusten Stand sind. Unkrautvernichtung bei der Bahn dient der Sicherheit. Eine Erkenntnis aus den 1930zigern.

    Sie können mir sicher erklären wieso einem intelligenten Mensch nicht klar ist, warum kein Unkraut auf dem Bahndamm wächst. Weiter empfehle ich ihnen auch den Beitrag von Trurl aus Berlin-Oberschöneweide zu lesen.

  11. 28.

    Mit der Wahrheit nehmen sie es nicht so genau, da Sie behaupten was so nie gesagt wurde. Den Zusammenhang zu dem Link bitte auch erklären.

  12. 27.

    Das nichts auf den Schienen versprüht wurde belegen sie bitte. Auch für was sie Tobias danken unter Berücksichtigung der folgenden Kommentare würde ich auch gern wissen.

  13. 26.

    In den USA wird sicher auch gespürt. Aber so eine E-Zigaretten ist dort auch nicht ohne.

  14. 24.

    Von Glyphosat hat er ja nicht geschrieben, sondern von chemischen Mitteln. Und da ist das eine oder andere im Bioanbau zugelassen.

  15. 23.

    Ich bin ja der ober-Langweiler und habe etliche Sendungen "Eisenbahn-Romantik" und frage mich als Trainspotter gerade, wie andere Länder, sagen wir mal USA und Russland, oder Südamerikanische Länder, es schaffen, Eisenbahnen rollen zu lassen, weite weite Strecken - da eiert bestimmt kein Glyphosat-Zug durch die Lande... Vor diesem Beitrag ahnte ich ja nichts und hätte weiter den Goldmännchen-Tee Bahngleis Nr. 5 getrunken, womöglich selber in der Zug-Dusche gestanden und gehofft, dass jemand nur in einem alten Zug nach dem Pullern das WC abgezogen und auf Sprühen gestellt hat! Nun wird mir aber einiges doch höchst supekt. Sind eigentlich die Mitarbeiter der Bahn geschützt? Weiss der Personalrat, wann wo geodelt wird?

  16. 22.

    Glyphosat haben die wohl deshalb nicht eingesetzt, weil es für die Bahn mit 50 Lokführern zu teuer wäre.
    Aber auch in D. erobert sich die Natur schnell aufgelassene Bahngelände zurück, sei es in den Tunneln der Hessebahn die Fledermäuse, die sich früher nicht an den Zügen störten, oder als Anschaungsobjekt für unbedarfte Großstädter auf dem Schöneberger Südgelände.

  17. 21.

    Ist Zynismus Ihre neue Masche auf Kommentare zu Antworten? Glauben Sie tatsächlich, was Sie da geschrieben haben? In Albanien wurde nie Glyphosat auf den Schienen versprüht und Jahrelang floss dort der Schienenverkehr reibungslos. Nur deshalb können sich nun sehr seltene Pflanzen dort ihren Lebensraum zurückerobern. Danke an @Tobias für seine informelle Aussage/Ansage.

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