Königs Wusterhausen - Wie Herr Vogel gegen den Glyphosat-Einsatz der Bahn kämpft

Tonnenweise Glyphosat versprüht die Deutsche Bahn jedes Jahr deutschlandweit, um die Gleise unkrautfrei zu halten. Richard Vogel aus Zernsdorf will, dass Schluss ist mit der Chemiekeule. Das Unkraut am Gleis vor seinem Garten zupft er per Hand. Von Claudia Stern
Wenn die Regionalbahn 36 nach Frankfurt (Oder) in den Bahnhof Zernsdorf einfährt, winkt Richard Vogel dem Zugführer freundlich zu. Seit fünf Jahren lebt der 67-Jährige in dem alten Bahnhofsgebäude des Königs Wusterhausener Ortsteils. Im Grunde ist er ein echter Eisenbahn-Liebhaber. Aber dass die Deutsche Bahn noch immer deutschlandweit einmal jährlich sämtliche Strecken mit Glyphosat besprüht, treibt ihn um.
Unkrautzupfen statt Glyphosat
Angefangen hat alles, als er im Frühsommer 2015 den ersten Glyphosatzug der Bahn durchfahren sah. Um zu verhindern, dass der Unkrautvernichter auch auf dem Abstellgleis direkt neben seinem Obstgarten eingesetzt wird, zupfte er den 350 Meter langen Abschnitt einfach per Hand. "Ich habe versucht, das Grün zu reduzieren im Gleis", erzählt Vogel. "Denn wenn nichts wächst, braucht die Bahn auch nicht sprühen."
Die mühsame Handarbeit wirkt, Vogels Pflaumenbäume bleiben bis auf weiteres verschont. Doch der pensionierte Biologe und Toxikologe weiß um die Gefahren des Unkrautvernichters – und will mehr. "Es geht nicht nur um unsere Pflaumenbäume, sondern darum, dass die Bevölkerung weiß, was die Bahn ausbringt. Das ist weitgehend unbekannt. Und aus diesem Grunde versuche ich eben, Öffentlichkeit herzustellen." Dabei geht es ihm nicht etwa nur um Zernsdorf oder um Königs Wusterhausen. Vielmehr stelle der Glyphosat-Einsatz der Bahn im ganzen Bundesgebiet ein Problem dar.
Bahn: Glyphosat ist unverzichtbar
57 Tonnen Glyphosat versprühte die Bahn im vergangenen Jahr deutschlandweit. 2017 waren es noch 67 Tonnen, 2016 sogar 70 Tonnen. Der Rückgang erkläre sich durch den immer präziseren Einsatz auch mithilfe von Kameras und Sensoren, teilte das Unternehmen auf Anfrage von rbb|24 mit.
Ab 2020 soll sogar nur noch halb so viel Glyphosat eingesetzt werden wie bisher. Außerdem liege der Anteil der Deutschen Bahn an der in Deutschland insgesamt ausgebrachten Herbizidmenge bei lediglich 0,4 Prozent. Verzichtbar sei der Unkrautvernichter vorerst aber nicht. "Der Gleisbereich muss frei von Bewuchs bleiben", teilte ein Bahnsprecher mit – im Interesse des sicheren Bahnbetriebs.
Alternativen zur Chemie
Dass die Bahn die Gleise unkrautfrei halten muss, bestreitet auch Vogel nicht. "Aber es gibt eben seit Jahren Alternativen zur Chemie", sagt der 67-Jährige überzeugt. Nur habe die Bahn bislang nicht ernsthaft versucht, diese einzusetzen. Er wünscht sich, "dass man beispielsweise so eine Strecke mal nähme als Modellstrecke und dort Alternativmethoden einsetzt, zum Beispiel Heißdampf". Eine Schweizer Firma habe zudem eine Methode entwickelt, Pflanzen gezielt mit Hilfe von hochfrequenter Spannung, also Strom, abzutöten, sagt Vogel.
All diese Methoden hat die Bahn offenbar zumindest auf dem Schirm. Auf Anfrage teilte sie mit: "Geprüft werden derzeit mögliche Verfahren auf Basis des Einsatzes von Heißwasser, elektrischem Strom und UV-C-Licht." Allerdings seien bislang weder thermische noch mechanische Verfahren ein geeigneter Ersatz für "den begrenzten Einsatz von Herbiziden im Gleisbereich".
Bahn zeigte Vogel an
Damit sich das bald ändert, will Vogel weiter kämpfen: immer wieder den Finger in die Wunde legen, immer wieder über den Glyphosat-Einsatz der Bahn informieren. Nur beim Unkrautzupfen auf dem Abstellgleis lässt er sich inzwischen nicht mehr beobachten. Denn als er sich im Frühjahr für einen Fernsehbeitrag dabei filmen ließ, zeigte ihn die Bahn an – wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr.
Sendung: Antenne Brandenburg, 21.11.2019, 15:40 Uhr