Insolventer Reiseveranstalter - Bundesregierung will Thomas-Cook-Urlauber entschädigen

Mi 11.12.19 | 10:55 Uhr
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12.10.2019, Spanien, Palma: Ein Mann und eine Frau laufen auf dem Flughafen Palma de Mallorca an einem geschlossenen Büro von Condor und Thomas Cook vorbei. (Quelle: dpa/Schulz)
Bild: dpa/Schulz

Die Bundesregierung will Pauschalurlaubern des insolventen Reiseunternehmens Thomas Cook finanziell helfen. "Schäden, die nicht von anderer Seite ausgeglichen werden, wird der Bund ersetzen", teilte die Bundesregierung am Mittwoch nach einer Kabinettssitzung in Berlin mit. Den Thomas-Cook-Kunden solle angeboten werden, die Differenz zu der Summe, die sie vom Versicherer Zurich "oder von anderer Seite zurückerhalten haben, auszugleichen".

"Es ist den Kundinnen und Kunden nicht zumutbar, dass sie jeweils auf sich gestellt für die Klärung der komplexen offenen Rechtsfragen sorgen müssen", so der Bund weiter. Dadurch sollen Tausende Klageverfahren und langjährige Rechtsstreitigkeiten vermieden werden.

Bisher Schaden von 250 Millionen Euro

Die Versicherungssumme, mit der die Kunden abgesichert waren, reicht nach Angaben der Zurich nicht aus, denn die Schadenssumme wird deutlich über der versicherten Summe von 110 Millionen Euro liegen. Bisher liegen noch keine endgültigen Zahlen des Versicherers vor. Diese werden im Laufe der nächsten Tage erwartet.

Reiseveranstalter von Pauschalreisen sind gesetzlich verpflichtet, eine Versicherung abzuschließen, die im Fall einer Pleite Kunden entschädigt. Durch einen Sicherungsschein können Pauschalreisende ihr Geld zurückbekommen. Die gesetzlich vorgeschriebene Versicherungssumme für solche Fälle ist allerdings seit rund 30 Jahren nicht erhöht worden. In anderen EU-Ländern gibt es gar keine Obergrenze der Versicherungssumme.

Im November hatte der Versicherer mitgeteilt, dass nach der Pleite des deutschen Reisekonzerns Thomas Cook Betroffene bisher einen Schaden von 250 Millionen Euro gemeldet hätten. Die Absage aller Thomas-Cook-Reisen nach dem Jahreswechsel werde die Forderungen aber weiter erhöhen, hieß es seinerzeit. Die deutsche Thomas Cook hatte am 25. September 2019 nach der Pleite des britischen Mutterkonzerns einen Insolvenzantrag gestellt.

Sendung: Inforadio, 11.12.2019, 10:40 Uhr

17 Kommentare

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  1. 17.

    Ich kapier nicht wie das überhaupt zu so einer Pleite kommen kann.
    Der Kunde muss doch immer im voraus bezahlen und dann sollte es doch so sein dass das nach Abzug von Gebühren von den Reisegesellschaften, das Geld an die Fluggesellschaften und Hotels weitergereicht wird.
    Also eigentlich schon eine Frechheit von Thomas Cook das Geld einfach einzubehalten.

  2. 15.

    Wir können uns hier gerne weiter juristische Spitzfindigkeiten um die Ohren werfen. Dann verkommt diese Kommentarfunktion hier aber zum Juristenforum und keiner versteht mehr was. Fakt ist, dass der Staat für Fehler seiner Organe haftet. Hier liegt ganz offensichtlich ein Fehler in der Gesetzgebung vor, selbst wenn dieser noch nicht gerichtlich festgestellt ist. Führenden Juristen sind sich in ihrer Einschätzung aber einig. Es ergibt also für den Staat keinen Sinn, die Kosten durch Verklagenlassen weiter in die Höhe zu treiben. Meines Erachtens hat die Bundesregierung hier schlicht eine wirtschaftliche Entscheidung getroffen. An Kulanz glaube ich hier nicht, erst recht nicht bei diesem Finanzminister. Faktisch würde hier ein Vergleich geschlossen, um ein Urteil zu umgehen.

  3. 14.

    Der Staat haftet nicht, zahlt aber aus Kulanz. Etwas anderes müsst erst einmal ein Gericht feststellen.

  4. 13.

    Die Änderung muss dringend durch den Gesetzgeber erfolgen, damit sich so etwas nicht wiederholt. Es kann nicht angehen, dass die Gesellschaft künftig für Risiken haftet, die bekannt sind, nur damit große Reisekonzerne sparen können. Mal sehen, wie lange der Bundestag dafür benötigt. Kleine Veranstalter müssen sich voll versichern, große Konzerne dürfen dagegen die Versicherungssumme begrenzen. Als Kunde hat man bei Vertragsschluss aber keine Chance, zu erkennen, ob man nun versichert ist oder ein Risiko trägt. Deshalb hat die EU auch solch eine Begrenzung nicht vorgesehen.

  5. 12.

    Ja unglaublich! Was passiert wohl, wenn der Gesetzgeber eine Höchstgrenze für die Versicherung zulässt? Oder würden Sie freiwillig mehr Versicherung zahlen, um ein Risiko abzusichern, das Sie selbst gar nicht trifft? Diese Grenze war zudem nach EU-Recht nicht vorgesehen. Daher haftet nun mal der Staat.

  6. 11.

    6000 Euro Urlaubsreise? Ich las gerade einen Beitrag über Mietendeckel. Unsere Gesellschaft ist schon ziemlich dekadent.
    Ich habe auch schon eine Insolvenz mitgemacht, meine 300,- waren weg. Vorrang alle anderen... Banken, Staat.. nur ich nicht.
    Erinnert mich alles an "to big to fail" ist wohl schon wieder so weit. Erst Banken jetzt Versicherungen. Jahrelang Nullzins hinterlässt seine Spuren.
    Leute, eure Einlagen sind sicher ;-)

  7. 10.

    "Zur Begrenzung des Risikos des Sicherungsgebers durch eine Rückversicherung und zum Aufbau des notwendigen Deckungsbetrages KANN der Sicherungsgeber seine Haftung für die von ihm in einem Jahr insgesamt zu erstattenden Beträge auf 110 Mio. € begrenzen"
    Das Reiseunternehmen darf sich weitergehend versichern, der einzelne Versicherer bleibt aus systemrelevanten Gründen gedeckelt.

    Schadensersatz ggü der BRD ergibt sich aus diesem Sachverhalt nicht.

  8. 9.

    Für die Betroffenen finde ich diese Lösung gut, denn viele haben lange auf diesen Urlaub gespart. Ich hoffe aber auch das in diesem Zusammenhang geklärt wird, wie so eine Unterversicherung möglich war. Wir reden immer von Verbraucherschutz und tun zu wenig. Was haben die zuständigen Ministerien getan? Werden die Verantwortlichen auch zur Kasse gebeten? Ist der Versicherungsschutz denn nun erhöht worden? Aber davon hört man wenig.

  9. 8.

    Sie verwechseln da leider einiges! Die EU-Richtlinie sieht keine Begrenzung der Versicherungssumme für die Reiseunternehmen vor, das entsprechende deutsche Gesetz aber sehr wohl. Damit würde die EU-Vorgabe falsch umgesetzt. Daraus ergibt sich für betroffene Reisekunden ein Schadenersatzanspruch ggü. der Bundesrepublik Deutschland. Wirtschaftlich ist es daher geboten, die Justiz von Verfahren zu entlasten, die der Staat nur verlieren kann. Mal ganz davon ab stellt die falsche Begrenzung der Insolvenzversicherung eine Bevorzugung großer Konzerne ggü. kleinen Reiseveranstaltern dar und ist damit Wettbewerbsverzerrung.
    Dass es in anderen Insolvenzfällen Ungerechtigkeiten gibt, mag unstrittig sein. Allerdings gibt es dort nun mal keine EU-Vorgaben. Das liegt schlicht und einfach an dem deutlich kleineren Kreis betroffener Kunden und in Summe kleineren Schadenssummen. Im normalen Geschäftsleben gilt fast immer Wäre gegen Geld. Bei Reisen ist das unmöglich.

  10. 7.

    Die Regierung hat nichts begrenzt, sondern vielmehr eine Mindestgrenze der Rückversicherung vorgeschrieben.
    Der Rest ist Risiko des täglichen Lebens, es hätte sich jede Vertragspartei genauso zusatzversichern können oder auch nicht.
    Zumal die Finanzlücken bei TC über Jahre deklariert wurden und wenn nun die Deckungssumme nicht ausreicht wird anteilig erstattet, der Rest ist p.P.
    Was ist z.B. mit den insolventen Energieanbietern, diese Leute bleiben auch auf dem Schaden hängen und der hauseigene Strom ist lebensnotwendiger als eine schicke Urlaubsreise.

  11. 6.

    Für die Tafeln hat unsere Bundesregierung wenig übrig.
    Pervers diese Politik.

  12. 5.

    Zum einen gibt es hier politische Vorgaben einer Sicherung und diese sind nun offensichtlich ungenügend gewesen. Da ist es dann auch nur logisch, wenn nun auch politische Lösungen gesucht und gefunden werden. Zum anderen muss man auch bedenken, dass hier eine großer Wirtschaftszweig betroffen ist. Grundsätzlich sollte der Staat natürlich nicht für private Unternehmen aufkommen, aber es gibt halt auch sinnvolle Ausnahmen. Deutschland verreist sehr gerne und Pauschalreisen sind in Deutschland besonders beliebt. Die Veranstalter nehmen inzwischen teilweise Anzahlungen von 40 Prozent. Und dass bei Buchungen für fast ein Jahr im voraus. Wenn man nun hört, dass die Sicherung/Versicherung, nicht mehr ausreicht und man im schlimmsten Fall diesen Betrag in den Sand setzt, dann wundert es nicht, dass man sich in Zukunft überlegen könnte, noch entsprechend zu buchen. Und wenn man bedenkt, was dann wirtschaftlich alles dran hängt, dann finde ich diese politische Entscheidung nachvollziehbar.

  13. 4.

    Ihre Frage ist leicht zu beantworten: Weil die EU es bei Pauschalreisen durch eine Richtlinie explizit so vorgesehen hat. Die Bundesregierung hat aber entgegen dieser Richtlinie die Höhe der Versicherung begrenzt. Damit sind Verbraucher in ihren Rechten getäuscht und beschnitten worden. Demzufolge ist die Bundesregierung in der Haftung, da sie ein falsches Gestz auf Basis der EU-Richtlinie erlassen hat.

  14. 3.

    Hallo! Ich habe meinen wunderbaren Urlaub mit der Bahn an der Ostsee verbracht. Warum muss ich für Flugreisende in alle Welt nun mit bezahlen? Ist doch irre!

  15. 2.

    Das ist deshalb nötig, da uns beim Abschluß und Kauf der Reise zugesichert wurde, dass es gesetzlich vorgeschrieben ist, dass wir mit dem Sicherungsschein, den wir erhalten, kein Ausfall-Risiko besteht und z.B. bei einer Insolvenz der Betrag komplett zurückerstattet wird. Warum bitte soll ich dann auf meine 6000.-€, die ich bereits anbezahlt habe, verzichten???
    Das ist doch wohl ein Unterschied zu einer normalen Insolvenz, bei der der Staat vorab keine Garantie gibt.
    Also bitte vorher genauer erkundigen, bevor man solche Kommentare hier postet.

  16. 1.

    Ich verstehe nicht, warum das nötig sein soll. Der private Urlaub ist ausgefallen, die Versicherungs- und Schadensersatzfragen liegen klar auf dem Tisch. Warum ist ein Pauschalurlauber besser geschützt, als jeder andere, dessen Dienstleister vor oder während der Leistungserbringung insolvent geht? Urlaub ist jetzt ja nicht ein Thema der Daseinsvorsorge, wo Verhungern oder Verdursten drohen...

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