Immobilienbranche in der Coronakrise - Berliner Vermieter arbeiten am Büro der Zukunft

So 07.06.20 | 09:00 Uhr | Von Markus Streim
Ansicht des CoWorking-Spaces "rent24" (Bild: rbb/Markus Streim)
Bild: rbb/Markus Streim

Noch vor einem halben Jahr war für viele Arbeitnehmer das Zuhausearbeiten nicht möglich. Jetzt aber ist das Homeoffice Normalität - und Büroraumvermieter haben Probleme. Nun versuchen es Anbieter von Co-Working-Spaces mit einer neuen Idee. Von Markus Streim

Bis zum März lautete die Werbebotschaft für Büros in einem historischen Gebäude an der Oberwallstraße: "Gemeinsam arbeiten - das Erfolgskonzept bei Rent24". Gute Ideen kämen beim Minigolf, Billard oder am Frühstücksbuffet. Doch das ist vorbei, auch Coworker halten jetzt Abstand.

Robert Bukvić, Gründer des CoWorking-Spaces rent24 (Bild: rbb/Markus Streim)
Robert Bukvić, Gründer des CoWorking-Spaces "rent24" Bild: rbb/Markus Streim

Aber sie arbeiten weiter. "Wir sind gut belegt: Über 60 Prozent der Leute, die sich hier angemietet haben, kommen Stück für Stück wieder zurück", sagt Robert Bukvić. "Von Krise keine Spur." Der ehemalige Basketballprofi ist mit Coworking-Projekten an 70 Standorten auf drei Kontinenten erfolgreich.

Hier in Berlin, in Bukvićs Heimatstadt, vermietet er an Amazon, aber auch an kleinere Firmen. "Wir haben sehr viele Startups, die in Berlin groß geworden sind und auch hier wachsen wollen. Die brauchen die Flexibilität um neue Leute einstellen zu können und auf die wirtschaftliche Situation des Unternehmens reagieren zu können, ohne sich langfristig an Verträge binden zu müssen."

Immobilienverband spricht von "Disruption im Bürobereich"

In die Büros anderer Firmen sind die Beschäftigten allerdings nicht so schnell wieder zurückgekehrt, manche Unternehmen sprechen von gerademal 50 Prozent Belegung. In einigen Unternehmen sind es sogar deutlich weniger. Die Angestellten bleiben im Homeoffice, und für die wenigen Rückkehrer bleiben die Schreibtische auseinandergerückt. Diese Entwicklung ist eine große Herausforderung für viele Arbeitgeber - und für die Immobilienbranche ein schweren Schlag.

Andreas Wende, vom Spitzenverband der Immobilienwirtschaft ZIA nennt dies "eine der größten Disruptionen und Veränderungen, die der Bürobereich über Jahrzehnte, vielleicht Jahrhunderte erlebt hat". Zwar seien Mietausfälle bisher nur selten und Büros würden sich wieder füllen. Doch das sei nur Stufe eins nach der Krise. "Plötzlich haben wir festgestellt, dass nicht nur die Anwesenheit im Büro gar nicht mehr notwendig ist, sondern dass Themen wie Homeoffice oder das Von-unterwegs-oder-woanders-arbeiten funktionieren."

Das Zusammenspiel im Unternehmen zwischen Mitarbeitern und Leitung oder zwischen Teams und Abteilung sei zuvor nie in solch einem harten Praxistest probiert worden. Die Coronaeinschränkungen hätten die Fern-Zusammenarbeit ganz einfach erzwungen. "Das führt dazu, dass viele Unternehmen aktuell darüber nachdenken, wie sie in der Nach-Coronazeit mit ihrer Fläche umgehen", sagt Wende. Firmen würden wohl ungenutzte Büroflächen abgeben, so Wendes Fazit.

Ansgar Oberholz (Bild: Carolin Saage)
Ansgar Oberholz, Gründer des "Sankt Oberholz" | Bild: Carolin Saage

Radikale Veränderungen im Bürobereich

Auch Ansgar Oberholz, als Gründer des Sankt Oberholz einer der "New-Work-Pioniere" in Berlin,  rechnet mit neuen Bürokonzepten. "Ich denke, dass es radikale Veränderungen in der Arbeitskultur und in der Arbeitswelt geben wird und dass eine markante Anzahl von Tagen in der Woche nicht mehr im Büro gearbeitet wird." Allerdings heiße dies nicht, dass nun immer im Homeoffice statt im stationären Büro gearbeitet werde.

Oberholz spricht von "dritten Orten“, kleineren Standorten verteilt über die Stadt. Dies werde von Coworking-Anbietern "längst praktiziert". Oberholz will darum noch in diesem Jahr acht Filialen eröffnen. Noch effizienter und digitaler solle es dabei zugehen. "Wir haben eine Software entwickelt, mit der wir unsere Gebäude über Etagen erfassen können, bis runter zu einem einzelnen Stift, um dann einzelne Möbel als Mietobjekte anbieten zu können." Im Kern heißt das: Besser kalkulieren, um gestärkt aus der Krise zukommen.  

Auch Mieterverträge werden sich vorübergehend ändern, erwartet Immobilienunternehmer Andreas Wende. "Ja, wir werden einen deutlichen Einbruch sehen - aber dramatische Auswirkungen auf Berlin? - Nein!“

Rent24-Gründer Robert Bukvić hat seinen Umsatz sogar gesteigert und will demnächst auch im neuen Kudamm-Karree öffnen. Alle Standorte seien längst mit Spezial-Lüftern ausgestattet - für gutes Klima und gegen lästige Viren.

Sendung: Inforadio, 6. Juni 2020, 11.30 Uhr

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