Breitbandausbau in Prignitz-Oberhavel - Starke Aufsteigerregion mit schwachem Internet

So 07.06.20 | 15:01 Uhr | Von Britta Streiter
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Symbolbild: Breitbandausbau auf dem Land (Quelle: dpa/Franz Neumayr)
Bild: dpa/Franz Neumayr

Sie gehören bundesweit zu den Aufsteigerregionen: Die Kreise Prignitz, Ostprignitz-Ruppin und Oberhavel. Eine aktuelle Studie zeigt allerdings auch einen Schwachpunkt: das langsame Internet. Das bekommen Betriebe gerade in der Corona-Krise zu spüren. Von Britta Streiter

Kaum eine andere Region hat sich zwischen 2011 und 2017 so stark entwickelt wie das Gebiet Prignitz-Oberhavel. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln in einer aktuellen Studie [iwkoeln.de]. Das ist die positive Nachricht.

Als aber dann die Studie vor Wirtschaftsinitiativen und Firmen in Wittenberge vorgestellt wurde, meldeten sich einige Betriebe kritisch zu Wort, darunter auch der Geschäftsführer von Austrotherm. Das Unternehmen stellt seit 2012 am Standort Wittenberge mit gut 70 Mitarbeitern Dämmstoffe her. "Von Beginn an kämpfen wir hier mit einem sehr langsamen Internet. Das ist problematisch, da wir einen hohen Datenaustausch mit unserer Muttergesellschaft in Österreich haben", so Geschäftsführer Alexander Sinner.

Lage hat sich durch Corona verschärft

"Jetzt in der Corona-Pandemie hat sich die Situation für uns noch weiter verschärft, weil ein Großteil der Mitarbeiter im Homeoffice arbeitet", erklärt Sinner. Flächendeckend schlecht sei das Internet und so würden manche Mails oft erst spät am Abend übertragen, denn die Datenleitungen seien tagsüber völlig überlastet.

Ähnlich beschreibt es der Wittenberger Werkleiter des Chemieunternehmens IOI Oleo, Ronald Apel. "Meine Mitarbeiter müssen im Homeoffice zum Teil zwei Minuten warten, bis sie eine Datei öffnen können. Und wenn man bei Videokonferenzen mit 15 Leuten den Bildschirm ausmachen muss, damit man sich überhaupt vernünftig unterhalten kann, dann merken wir, dass es in der Prignitz Optimierungsbedarf gibt", so Apel. "Kommt voran!", so seine Forderung. Und damit meint er Politik und Verwaltung.

Austrotherm im Wittenberger Gewerbegebiet Nord (Quelle: rbb/Britta Streiter)Dämmstoffhersteller in Wittenberge.

Schnelles Internet ist Daseinsvorsorge

"Schnelles Internet und Digitalisierung sind hier noch nicht als wichtiges Kriterium der Daseinsvorsorge anerkannt", sagt der Prignitzer Wirtschaftsförderer Christian Fenske. Das sei aber Aufgabe der Verwaltung, und die Unternehmen wünschten sich einen anderen Umgang mit dem Thema. "Die Geschwindigkeit, die beim Breitbandausbau an den Tag gelegt wird, ist viel zu langsam. Es ist ein dauerndes Vertrösten, und das ist nicht gut."

Viele "weiße Flecken" auf der Breitbandkarte

Schaut man sich die Prignitz-Karte an, entdeckt man in Wittenberge tatsächlich noch viele "weiße Flecken". Das heißt, dort liegen zurzeit noch weniger als 30 Mbit pro Sekunde an. Das mag für den normalen Hausgebrauch reichen, aber nicht für Großunternehmen wie Austrotherm und IOI Oleo. Seit April werden genau diese unterversorgten Gebiete mit Glasfaserkabel für schnelleres Internet ausgebaut, mit Fördermitteln des Bundes [bundesfoerderung-breitband.de], des Landes und Eigenmitteln des Landkreises. Insgesamt sollen etwa 4.700 Häuser, Wohnungen, Betriebe und Schulen davon profitieren, fast 57 Millionen Euro werden investiert. Bis Ende 2023 sollen dann hier Geschwindigkeiten von bis zu einem Gigabit, also 1000 Mbit pro Sekunde, möglich sein.

Andreas Much, Sachgebietsleiter für den Bereich Wirtschaft und Infrastruktur im Prignitzkreis vor den Breitband-Unterlagen (Quelle: rbb/Britta Streiter)
Im Landkreis zuständig für schnelleres Internet: Andreas Much. | Bild: rbb/Britta Streiter

Planungen seit 2009

Aber warum dauert gerade in der Prignitz der Breitbandausbau so lange? "Seit 2009 beschäftigen wir uns mit der Problematik“, betont Andreas Much, Sachbereichsleiter für Wirtschaft und Infrastruktur im Prignitzkreis. Damals habe es bereits Projekte mit den Kommunen gegeben und es wurden erste Förderprogramme vorgestellt. Much verweist auf ein Breitbandprojekt des Landes Brandenburg, das von 2013 bis 2016 lief. "Da ging es noch um Geschwindigkeiten von maximal 50 Mbit pro Sekunde.“ Seit 2015 sei der Landkreis nun Teil des Bundesausbauprogramms, betont Much. Doch nun haben wir 2020. Bis zum ersten Spatenstich vergingen also noch weitere fünf Jahre.

Hat der Landkreis die Entwicklung verschlafen?

"Die Prignitz steht nicht schlechter da als andere Landkreise in Deutschland", weist Andreas Much die Vorwürfe der Unternehmer zurück. "Ich will es nicht schönreden, es gibt diese 'weißen Flecken'. Aber deshalb packen wir diese jetzt an." Es gebe schon jetzt Gegenden mit mehr als 30 Mbit pro Sekunde bis hin zu 100 Mbit.

"Natürlich wissen wir auch, dass die Entwicklung immer weitergeht, aber das braucht Zeit; wir können nicht hexen", macht Much deutlich. "Jetzt in der Corona-Zeit hat sich natürlich herauskristallisiert, wo ich gute Leitungen habe und wo nicht. Einige konnten ihr Homeoffice nicht so gestalten, wie sie es gerne wollten."

Weiteres Förderprogramm noch nicht in Sicht

Der Haken bei dem aktuellen Bundesprogramm: Haushalte und Unternehmen, bei denen etwas mehr als 30 Mbit/s anliegen, fallen aus diesem heraus. Ob es mit dem Ausbau auch für diese derzeit etwas besser versorgten "grauen Flecken" weitergeht , kann auch Much nicht sagen: "Das, was wir hier jetzt umsetzen, ist das überhaupt größte Infrastrukturprojekt der Prignitz. Es wird aber da nicht aufhören. Wir hoffen sehr, dass es mit der Breitbandförderung weitergeht."

Sendung: Antenne Brandenburg, 08.06.2020

Beitrag von Britta Streiter

6 Kommentare

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  1. 5.

    Na ich hoffe dass die mit Steuergeldern gelegten Leitungen dann auch den Bürgern gehören, und sie nicht an Telekom und Co verschenkt werden.

  2. 4.

    Das hat nichts mit Ost/West zu tun, sondern mit Ballungsgebieten vs. ländliche Regionen. Während Berlin, Hamburg, München oder die Rhein/Ruhr-Metropolen fast flächendeckend mit wenigstens VDSL2 ausgerüstet sind (100-250 MBit/s), sind schon am Stadtrand schnell ADSL (16 Mbit/s) das Höchste der Gefühle.

    Die Telekom bietet für ihre eigenes Netz z.B. eine sehr detaillierte Karte, aufgetrennt nach ADSL (max. 16 Mbit/s), VDSL (50 Mbit/s), VDSL2 (100-250 MBit/s) und Glasfaser (bis 1 GBit/s): https://www.telekom.de/zuhause/netz/netzausbau-informationen

  3. 3.

    Seit 10 Jahren bekannt. Passiert wenn Leute vom Kaliber Andreas Scheuer im zuständigen Ministerium sitzen.
    Gilt floskeln mehr, als alles was Alle schon immer wissen: Zentrale Infrastruktur. Strasse. Schiene. Wasser, Abwasser, Telefon, Strom - was immer da zwischendurch mit "Privatisierung" lief - am Ende war es immer öffentliches Geld, öffentliche Aufgabe. (Ja, wäre ich Telekom, täte ich auch so als hätte ich quasi privat ein privates Erbe angetreten)
    Seit zehn Jahren die Leier "da wünsche ich mir Engagement der Privatwirtschaft" Ja klar. Verarschen kann ich mich selber.
    Selbstverständlich "rechnet" es sich nicht Glasfaser ins platte Land zu legen. Für den Betriebswirtschaftler. Hat auch niemand behauptet. Und muss es auch nicht. Es rechnet sich fürs Gemeinwesen. Das rechnet sich nicht so leicht in schlichten Formeln einer Excel-Tabelle. Wer die Megastädte und -regionen noch was rauszögern will, muss in Alt- und Uckermark im Zweifelsfall Glasfaser für 10 Häuser legen.

  4. 2.

    Was ist denn Prignitz- Oberhavel für ein Konstrukt? Mir ist der Landkreis Prignitz und der Landkreis Oberhavel bekannt, aber nicht ein Konstrukt aus Beiden?

  5. 1.

    Irgendwie müssen die Flächenländer im Osten Deutschlands ja nieder gehalten werden.
    Bloß keine Industrieansiedlung in diesem Gebiet.... das gäbe unerwünschte Möglichkeiten

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