Gastronomie vor der kalten Jahreszeit - "Ich kann nur hoffen, dass wir über den Winter kommen"

Do 10.09.20 | 06:05 Uhr | Von Franziska Ritter
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Kneipenbesitzer Lennart Klöhn steht am Tresen und zapft Bier (Bild: rbb/ Franziska Ritter)
Bild: rbb/ Franziska Ritter

Viele Restaurant- und Kneipengäste wollen wegen der Pandemie an der frischen Luft sitzen. Doch der Herbst bringt die Kühle. Berlins Gastronomen wappnen sich und sorgen für Wärmequellen. Doch nicht alle Heizer sind auch erlaubt. Von Franziska Ritter

Kien Dinh betreibt in der Neuen Bahnhofstraße ein Sushi-Restaurant. Die Tische draußen, an denen sein Team knapp 20 Gäste bedienen kann, sind dieser Tage gut besucht. Doch drinnen ist alles leer. "Selbst dann, wenn es kalt ist und regnet, setzen sich die Leute lieber nach draußen. Die Angst davor, sich mit dem Coronavirus anzustecken, scheint real zu sein“, sagt der junge Mann. Er sorgt sich, wie viele Kunden in der kalten Jahreszeit noch zu ihm kommen werden.

Um auch im Herbst und Winter mehr Gäste im Freien bedienen zu können, hat der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) vor kurzem eine bundesweite Zulassung von Heizpilzen gefordert. In Berlin sind sie verboten, denn die Strahler pusten neben Wärme viel Kohlendioxid in die Luft. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) hat angeregt, dass Gastronomiebetriebe im Gegenzug eine Klimaabgabe zahlen könnten.

Heizpilze oder warme Decken?

Falls der Bezirk den Betrieb von Heizpilzen erlaubt, würde Kien Dinh welche vor seinem Restaurant aufstellen, sagt er, auch wenn er dafür noch einmal investieren müsste. Mit den Geräten allein wäre es nicht getan. Damit die Wärme nicht entweicht, bräuchte er einen Windschutz, den er seitlich und an der Vorderseite der Markisen anbringt. "Das ist auch wie ein geschlossener Raum", räumt er ein, "aber Hauptsache die Menschen, die draußen sitzen, fühlen sich besser."

In seiner Nachbarschaft gehen die Meinungen über das Thema auseinander. Lennart Kloehn, der am Boxhagener Platz das Fargo betreibt, sagt entschieden "Nein" zu Heizpilzen und Wärmestrahlern: "Ich werde mir nicht für drei, vier Monate Heizpilze besorgen, die ich danach vielleicht wieder entsorgen muss. Ich fand es früher schon albern, dass man draußen sitzt und sein Bier dabei wärmt." Gästen, die im Herbst und Winter weiterhin draußen sitzen mögen, bietet er schlicht und ergreifend warme Decken an.

Plätze am Fenster sind begrenzt

Natürlich bekommt auch der Betreiber der Kiezkneipe zu spüren, dass viele Kunden wegen Corona lieber draußen sitzen wollen. Abends um 22 Uhr, wenn Lennart Kloehn alle Gäste mit Rücksicht auf die Anwohner nach drinnen bittet, lehnen einige dankend ab. Manche Gäste reservieren auch gezielt einen Platz am Fenster, doch die sind wegen der Abstandsregeln mehr denn je begrenzt. "Ich kann nur hoffen, dass wir über den Winter kommen", sagt er und seufzt, während er ein Bier hinter dem Tresen zapft.

Bei allen Umsatzrückgängen, mit denen der Kneipenwirt in der kühlen Jahreszeit rechnet: Das Fargo ist besser durch die Coronazeit gekommen als die meisten andere Bars und Restaurants in der Stadt. Noch bevor er seinen Gastraum wieder öffnen durfte, hatte der Chef seine Küche hochgefahren. Er bot einen Abholservice und Fassbier to Go an. Viele Stammgäste hielten dann der Kneipe auch während der Pandemie die Treue, so dass das Fargo keinen einzigen Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken musste – eine Seltenheit. Allein im März und April wurden nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit im Gastgewerbe mehr als eine Million Beschäftigte in Kurzarbeit geschickt.

Branchenverband warnt vor Pleitewelle

Nach Ansicht des Hotel- und Gaststättenverbands ist die Krise im Gastgewerbe noch lange nicht vorbei. Der Branchenverband warnt vor einer großen Pleitewelle und verweist auf eine Umfrage, wonach die Umsätze in der Branche von März bis August um mehr als die Hälfte eingebrochen sind. Und die Aussichten für den Rest des Jahres sind kaum besser: Unter dem Strich rechnen die mehr als 5.000 Hoteliers und Gastronomen, die der Branchenverband befragt hat, mit einem Minus von 50 Prozent.

Auch im "1961 Fusion", dem Restaurant von Kien Dinh, sind die Umsätze drastisch zurückgegangen. Um mehr Kunden anzulocken, ist dann der Chef vor kurzem ins Liefergeschäft eingestiegen und bietet sein Sushi über Lieferando an. Die Onlineplattform kassiert allerdings – je nachdem ob Gastronomen das Essen selbst ausliefern oder Fahrer von Lieferando – bis zu 30 Prozent des Bestellwerts als Provision. Sonderlich viele Bestellungen sind bislang auch noch nicht eingegangen, so Kien Dinh: "Wenn alle Gastronomen auf die Idee kommen, ihr Essen auszuliefern, wird man da einfach nicht gesehen."

Tisch buchen, Geld sparen

Zufriedener ist er dagegen mit einem Buchungsdienst, den er seit einer Weile nutzt. Über DiscoEat können Gäste online einen Tisch in seinem Restaurant reservieren. Kommen sie außerhalb der Stoßzeiten zwischen 14 und 18 Uhr, gewährt ihnen der Chef einen Rabatt von 30 Prozent. Mittags und abends sind es zehn Prozent. Für jeden Gast, der tatsächlich in seinem Restaurant erscheint, tritt Kien Dinh einen Euro an die Vermittlungsplattform ab. Auch wenn er weniger Gewinn macht, rechnet sich das Geschäft für ihn: "Ich habe ja laufende Kosten für die Miete und das Personal. Außerdem demotiviert es die Mitarbeiter, wenn nichts los ist. Mir ist es lieber, wenn Gäste ins Restaurant kommen und etwas essen, als dass der Laden leer ist."

Sendung: Inforadio, 8. 9. 2020 17.20 Uhr

Beitrag von Franziska Ritter

20 Kommentare

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  1. 20.

    "..obwohl man das dem Bericht gar nicht entnehmen kann?"
    Äh,vielleicht deswegen? Ich kann nur bewerten,was sie schreibt.

    Jetzt ist also auch schon der Deutschlandtrend eine untaugliche Quelle..

    Ok.

  2. 19.

    Sie wollen Ihre These äußern, dass potenzielle Gaststättenbesucher auf irgendeinen "Blödsinn" keine Lust haben. Okay. Aber warum unterstellen Sie zu diesem Zweck der Autorin mit leicht aggressivem Unterton, dies nicht bedacht zu haben, obwohl man das dem Bericht gar nicht entnehmen kann? Zu den Gründen, warum jmd z.B. ablehnt, nach 22 h reinzukommen, sagt der Bericht nämlich nix aus; weder für noch gegen Ihre These. Zudem wollen Sie Ihre These mit einer dafür untauglichen Quelle belegen. - Hat Spaß gemacht, aber nu bin ich raus. Issoo.

  3. 18.

    "Klar, wer sich kaum auf eine Privatparty traut.."
    Davon mal abgesehen,dass davon nichts in der Umfrage steht..schon mal auf einer Privatparty oder einem Weihnachtsmarkt gewesen?

    Und ursprünglich ging es mir darum,dass mein erwähnter Grund der Autorin nicht mal in den Sinn gekommen ist.

  4. 17.

    Klar, wer sich kaum auf eine Privatparty traut und nicht mal auf einen Weihnachtsmarkt in frischer Luft, der geht bestimmt locker und entspannt in eine Gaste...

  5. 16.

    Hat zwar nichts mit dem Thema zu tun,aber erstmal irgendetwas raushauen.
    Vielleicht fällt dir ja der Unterschied zwischen deinen aufgezählten Punkten und Gastronomie auf..

    Und klar.. die Frage wird gelautet haben,'Haben sie Angst sich zu Hause anzustecken?'..
    Und nein.. 73 Prozent bleiben nicht dauerhaft zu Hause,sondern werden auch mal raus..

  6. 15.

    Mal ganz unabhängig von meiner eigenen Ansicht: Der Link, den Sie da geschickt haben, ist ein geiles Eigentor: Fast 2/3 der Befragten wollen beschränkte Privatparties und gar keine Weihnachtsmärkte. Fast 9/10 wollen keinen Karneval. Wenn nun 3/4 keine Angst vor Ansteckung haben, dürfte das vielfach auch daran liegen, dass sie einfach zu Hause bleiben wollen. Wäre schade, aber issoo...

    Dito gern geschehen.

  7. 14.

    Wieso kommt die Autorin nicht im Ansatz auf die Idee,dass die Menschen vielleicht keine Lust auf den ganzen Blödsinn drumherum haben?
    Laut Deutschlandtrend haben jedenfalls 73 Prozent weniger große oder kleine Sorge sich anzustecken..

    https://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend/

    Gern geschehen..

  8. 13.

    Man merkt, Sie gehen wohl nie essen. Und im Herbst,- Winterzeiten schon gar nicht.
    Jetzt brauchen Sie ja jetzt bloß noch erklären, warum man sich zu kalten Temperaturen, anstatt im warmen Restaurant mit seinem (noch vorher) warmen Essen mit einer Jacke nach draußen begeben soll.
    Und die Idee mit den Decken ist genauso faszinierend. Klappt eventuell an der Currywurschtbude.

  9. 12.

    Noch einfacher wäre es, wenn sich jeder zum draußen trinken und essen einfach eine warme Jacke mitnehmen würde. Macht man ja auch bei Grillpartys und anderen Feiern, die draußen stattfinden und wo man damit rechnet, dass es später kühl(er) werden könnte.

  10. 11.

    Ich weiß gar nicht, warum es eine Diskussion über Heizpilze geben kann.
    Haben wir in Berlin nicht auch den Klimanotstand ausgerufen, wonach jede Entscheidung auf Nachhaltigkeit, Auswirkungen auf das Klima überprüft wird. Damit hätte sich das Thema doch schon erledigt.
    Dass jeder Wirt jetzt Decken kauft, ist doch genauso eine Verschwendung, wenn jeder zuhause zig Decken rumliegen hat.
    Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen.
    Jeder der Essen geht, nimmt sich einfach sein Decke von zuhause mit. Finden viele - insbesondere Frauen - wahrscheinlich sowieso angenehmer als eine fremde Decke, die von vielen Menschen benutzt wird.
    Vorübergehend ist das doch echt machbar.

  11. 10.

    Berliner halten zusammen, also - unter Einhaltung der Regeln - helft den Gaststätten und Kneipen.

  12. 9.

    Sie können gerne zu Hause bleiben und sich einigeln.
    Ich gehe gerne mal mit meiner Partnerin essen oder mit Freunden mal in eine Kneipe zum Quatschen.

  13. 8.

    Schon mal davon gehört, das Menschen auch ohne Symptome Viren verbreiten können?

  14. 7.

    Berlin braucht keine Restaurants oder Kneipen. Selber kochen macht mehr Spass und sein Bierchen zu Hause trinken ist auch entspannter. Da braucht man keine Heizpilze und Decken.

  15. 6.

    Eine einfache Entlüftungsanlage pumpt warme Luft nach draussen. Saubere, aber kalte Luft strömt nach und muss erwärmt werden. Bei den erforderlichen Luftmengen ist so viel neue Wärme nötig, dass das locker in die Größenordnung von Heizpilzen kommt. Eine gute Alternative sind Anlagen mit einfachem Wärmetauscher, bei denen die rausgepumpte Luft kontaktlos einen Teil ihrer Wärme an die einströmende Frischluft abgibt. Sorgen für kontinuierliche Lüftung ohne extremes Zug-Gefühl, sind aber deutlich teurer als ein Heizpilz und müssen regelmäßig gereinigt werden. Lohnen sich jedoch definitiv auch ohne Covid-Pandemie und sind ergo äußerst förderungswürdig. Für draußen empfehle ich Heizdecken: Haben 40 Watt, während ein Heizpilz 8000 Watt hat. Dieselbe Energiemenge kann somit also zig-fach mehr Gäste wärmen.

  16. 5.

    Sebastian Sie haben vollkommen Recht. Richtige Entlüftungsanlagen wären auch langfristig eine gute Investition. Heizpilze sind schlecht für die CO2 Bilanz. Dann eben warme Decken.

  17. 4.

    Es gibt durchaus inzwischen Lösungen, die aber keineswegs billig sind.
    Ebenso gibt es Studien an der Universität der Bundeswehr München
    https://www.trotec-blog.com/blog/tag/virenfilter/

    Wäre evtl. auch ein Anreiz für den Berliner Senat, sich umfassend mit optimierter Lüftung in Berliner Schulen, Kitas zu befassen.
    Geld scheint nicht das Problem, wie man gerade erfahren hat, was er seinen Bediensteten für den öffentlichen Dienst zukommen ließ.

  18. 3.

    Mir tun die Wirte auch leid. Trotzdem werde ich mich weder unter einen Heizpilz setzen noch in eine Decke einhüllen. Auch der Innenbereich ist für mich kein Thema. Das liegt aber mehr an der Unvernunft einiger Mitmenschen als an den örtlichen Gegebenheiten und den Hygienemaßnamen. Würden alle mit Erkältungen zu Hause bleiben und nicht die Gegend vollschniefen, dann braucht man auch in der Kneipe keine Angst vor Ansteckung haben. Das tägliche Miteinander beweist leider etwas anderes.

  19. 2.

    Einfach vernünftige Entlüftungsanlagen innen installieren und gut ist, ich weiß nicht warum das so ein Problem darstellt.
    Von der Investitions Größe nicht viel mehr als heizpilze und dafür langfristig nutzbar und gut gegen Viren jeglicher Art, also auch influenza.
    Damit könnte man auch innen diesen Masken wahn beenden.

  20. 1.

    Wenn der Senat und der Bund keine Gelegenheit auslässt den Menschen zu sagen wie gefährlich innenräume (mit Ausnahme von Klassenzimmern) sind haben viele Angst.
    Dann der Weg rein raus oder zum WC mit Maske .... die Angabe von Kontaktdaten ... und bei Verstößen drohen dann Bußgelder ..... damit haben dann die Leute auch irgendwann keine Lust mehr.

    Da tun einem die Wirte leid.

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