Innovationspreis Berlin Brandenburg 2020 - Stahlspeicher für die Energiewende
Sechs Unternehmen aus der Region sind in diesem Jahr mit dem renommierten Innovationspreis Berlin Brandenburg ausgezeichnet worden. Franziska Ritter über eine prämierte Geschäftsidee, die die Klimabilanz von Wohnquartieren verbessern soll.
Die Energieversorgung von morgen beginnt in einem unscheinbaren Heizhaus aus den 70er-Jahren, das sich in einem Wohngebiet der städtischen Gewobag in Berlin-Tegel befindet. Hier steht der erste Hochtemperaturspeicher der Firma Lumenion, der seit einigen Monaten 362 Wohnungen rund um den Bottroper Weg mit klimaneutraler Wärme versorgt.
"Der Vorteil unserer Anlage ist, dass wir hier 100 Prozent CO2-freie Wärme erzeugen", erklärt Hanno Balzer, Geschäftsführer von Lumenion. Immer dann, wenn die Sonne scheint oder der Wind bläst und viel regenerativer Strom im Netz ist, nimmt der Speicher überschüssigen Strom auf. Der wird in der Anlage in Wärme gewandelt und bei bis zu 650 Grad gespeichert.
60 Tonnen Stahl im Inneren
Die Firmengründer haben lange nach einem geeigneten Material für ihren thermischen Speicher gesucht. Sie testeten von flüssigem Aluminium bis hin zu Kartoffeln verschiedene Lösungen. Am Ende entschieden sie sich für Stahl – ein Material, das sehr gut Wärme leitet und sich dadurch günstig erhitzen lässt. Außerdem ist Stahl besonders langlebig.
Ein strombetriebener Heizstab erzeugt zunächst Wärme, die über einen Lüfter mit einem Schutzgas durch die Anlage gepustet wird. So wird der Speicherkern, der aus 60 Tonnen Stahl besteht, erhitzt.
Ein Wärmetauscher erzeugt dann warmes Wasser für die Heizungen der Mieter. Das ist nicht nur emissionsfrei, sondern auch günstig, wie Hanno Balzer betont. "Wir haben hier einen Kilowattstundenpreis von ungefähr 140 Euro pro Kilowattstunde Speicherkapazität. Für die Endverbraucher ändert sich an den Heizkosten nichts", rechnet er vor. "Das ist deutlich günstiger als klassische Speichersysteme und alternative Brennstoffe wie Wasserstoff und Biomasse."
Lösung fürs Fernwärmenetz und Industriebetriebe
Hanno Balzer, der lange für Energieversorger Vattenfall gearbeitet hat, bevor er zu Lumenion gewechselt ist, sieht ein enormes Potenzial darin, Nah- und Fernwärmenetze mit thermischen Speichern aufzurüsten: "Die große Masse der Neubauten aus den 60er-, 70er- und 80er-Jahren wird noch mit Gas und Öl wärmeversorgt. Das sind die großen Brocken, an die wir ranmüssen, wenn die Energiewende gelingen soll." Neben Wohnquartieren ist die Lösung des Unternehmens aus Berlin-Schöneberg aber auch für Industriebetriebe interessant.
Der Stahlspeicher in Tegel verfügt über eine Kapazität von 2,4 Megawattstunden. Künftig will Lumenion noch Anlagen in ganz anderen Größenordnungen bauen. Das Unternehmen plant bereits Giga-Speicher mit bis zu 1.400 Megawattstunden, die erneuerbarem Strom im großen Stil speichern. Werden die Anlagen um eine Turbine ergänzt, können sie die gespeicherte Wärme sogar zurück zu Strom verwandeln.
Anmerkung der Redaktion, 30.11.2020: In einer ersten Version dieses Beitrags schrieben wir fälschlicherweise von 1.800 (statt 362) Wohnungen rund um den Bottroper Weg sowie einem Kilowattstundenpreis von 140 Euro. Wir haben das nun präzisiert und eingeordnet, dass es sich um 140 Euro pro Kilowattstunde Speicherkapazität handelt. Wir bitten, die Fehler zu entschuldigen.
Sendung: Inforadio, 27.11.2020, 18:25 Uhr