Interview | Bau einer Eigentumswohnung - Probleme mit dem Bauträger: So kann ich mich schützen

Mo 30.11.20 | 07:45 Uhr
Ein Geruest ist am 17.3.2020 in Berlin vor einem Altbau, der saniert wird, montiert (Bild: dpa/Zacharie Scheurer)
Audio: Interview mit Florian Becker, Bauherren-Schutzbund | Bild: dpa/Zacharie Scheurer

Wer eine Eigentumswohnung kauft, die erst noch gebaut wird, kauft die Katze im Sack – und kann dabei auch ganz schön reinfallen. Wie kann man sich da absichern? Ein Gespräch mit Florian Becker, Geschäftsführer vom "Bauherren-Schutzbund".

rbb|24: Warum ist es sinnvoll, einen Makler- und Bauträger-Vertrag von Fachleuten überprüfen zu lassen, bevor man ihn unterschreibt?

Florian Becker: Der Makler-Bauträger-Vertrag ist ein sehr komplexes Vertragswerk, mit zum Teil weit über hundert Seiten. Er enthält viele Regelungen, die man als Laie nicht auf den ersten Blick verstehen wird. Um das persönliche Risiko einzuschätzen, sollte man einen Fachmann ranlassen, der einmal den ganzen Vertrag durchschaut.

Beim Notartermin zur Beurkundung ist es zu spät, sich intensiv mit dem Vertrag auseinanderzusetzen, die Fallstricke noch zu sehen und möglicherweise noch darauf einzuwirken.

Worauf sollte ich denn bei einem solchen Vertrag als Erwerber vor allem achten? Gibt es Essenzielles, das Ihrer Meinung nach auf jeden Fall geregelt sein muss.

Zum einen ist die Bau- und Leistungsbeschreibung ganz wichtig, die Bestandteil des Bauvertrags ist. Darin soll die Leistung konkret beschrieben sein, wie ich mir die Wohnung vorstelle, und wie ich das mit dem Bauträger vorab besprochen habe. Alles, was da nicht drinsteht, muss am Ende auch nicht so gebaut werden.

Das zweite sind grundlegende gesetzliche Regelungen: der Zahlungsplan, der nach der Makler- und Bauträgerverordnung im Grundsatz erstellt werden muss. Die Raten sollten zu meiner persönlichen Absicherung halbwegs passend sein, sodass ich zu den einzelnen Bauabschnitten nur so viel Geld bezahle wie gerade an Wert auf der Baustelle entsteht.

Florian Becker, Geschäftsführer des Bauherren-Schutzbundes e.v. (Bild: Bauherren-Schutzbund e.V.)
Florian Becker, Geschäftsführer beim Bauherren-Schutzbund e.V. | Bild: Bauherren-Schutzbund e.V.

Welche Klauseln in einem solchen Vertrag sind per se unwirksam? Was darf der Bauträger von mir als Käufer nicht verlangen?

Gerade bei dem Zahlungsplan ist es wichtig, dass ich die Fertigstellungsicherheit mit drin habe. Das heißt, ich bekomme eine Bürgschaft oder darf Geld in Höhe von fünf Prozent der Bausumme zurückbehalten, falls der Bauträger in Insolvenz geht und zahlungsunfähig wird. Damit sichert man sich finanziell ab, um den Bau dann fortzusetzen.

Es gibt zwar gesetzliche Regelungen, die diese Sicherung vorschreiben – trotzdem ist es wichtig, dass diese Fertigstellungssicherheit auch wirklich im Vertrag steht. Und es gibt Verträge, in denen das nicht steht.

Darf der Bauträger festschreiben, dass ich Mängel erst geltend machen kann, wenn ich alle Raten bezahlt habe? Oder habe ich auch das Recht dazu, meine Kaufpreisraten zu reduzieren, wenn ich merke, dass es während des Baufortschritts Mängel gibt?

Grundsätzlich habe ich erst zur Abnahme Mängelrechte. Der Bauträgervertrag ist ein Werkvertrag. Das heißt, der Unternehmer muss erst ganz am Ende bei der Übergabe der Wohnung alles mängelfrei übergeben.

Aber ich zahle Abschlagszahlungen. Und wenn die Leistung nicht erbracht wird, die eigentlich Voraussetzung ist, damit die Abschlagszahlung fällig wird, dann kann ich diese Zahlung zurückhalten und über diesen finanziellen Weg Druck aufbauen, damit mangelhafte Ausführungen behoben werden. Erst dann wird die Rate fällig.

Wo sind die größten juristischen Mängel der geltenden Gesetzeslage aus Sicht der Erwerber von Wohnungen?

Das Hauptproblem ist, dass man im Insolvenzfall des Bauträgers ein höheres Risiko hat, wenn man eine Wohnung kauft. Ich erwerbe nicht ein ganzes Haus auf einem Grundstück, wie es beim Einfamilienhaus klassisch ist. Wenn bei einem Haus der Bauunternehmer weg wäre, könnte ich einen neuen suchen und allein dafür sorgen, dass das Haus weitergebaut wird.

Bei einem Bauträgerobjekt gibt es aber andere Erwerber, die andere Eigentumswohnungen kaufen. Mit denen müsste ich mich einigen, wie man fortfahren will, wenn der Bauträger nicht mehr leistet. Ich baue also nicht auf meinem eigenen Grund, sondern werde erst ganz am Ende des Bauvorhabens Eigentümer. Da treten höhere Risiken auf, wenn der Bauträger zwischendrin insolvent wird.

Dieses sehr hohe Risiko sichert der Gesetzgeber nicht besonders ab. So gibt es zum Beispiel keine Möglichkeit, vom Vertrag zurückzutreten, wenn der Unternehmer irgendwann nicht mehr leistet. Ich hänge dann im Vertrag mit drin und bin von den anderen Käufern und dem Bauunternehmer abhängig. Rechte kann man dann nur über lange und teure Rechtsstreite durchsetzen.

Es kommt vor, dass die Projektgesellschaft, die zur Errichtung des Wohngebäudes gegründet worden ist, keine liquiden Mittel mehr hat. Kann man so etwas vorhersehen?

Man muss sich ganz am Anfang anschauen, wer eigentlich der Vertragspartner ist. Es kommt häufiger vor, dass man mit großen Holdings die Verkaufsgespräche führt und die Bemusterung der Wohnung durchführt. Am Ende aber wird der Vertrag, den ich unterzeichne, oft mit einer Projektgesellschaft abgeschlossen - das ist bei Bauträger-Objekten nicht so selten.

Es macht schon Sinn, sich vor Vertragsunterzeichnung eine Wirtschaftsauskunft einzuholen, um sich anzuschauen, wie groß diese Projektgesellschaft ist – denn viele Projektgesellschaften haben sehr begrenzte finanzielle Mittel. Und wenn viele Mängel und Ansprüche entstehen, ist so eine kleine Projektgesellschaft möglicherweise sehr schnell zahlungsunfähig.

Ein Rückgriff auf die große Holding dahinter ist in dieser Konstruktion nicht möglich. Das heißt also, ich habe das Risiko wirklich mit dem Vertragspartner, der im Vertrag steht, und nicht mit der großen Holding, mit deren Namen geworben wird. Es ist immer sinnvoll zu überprüfen, ob der Vertragspartner schon Projekte erfolgreich abgeschlossen hat. Wenn man das allein nicht beurteilen kann, muss man sich bei Experten Hilfe holen.

Wie viel darf ich von meinen Kaufpreisraten zurückbehalten, die berühmten fünf Prozent oder 3,5 Prozent? Welche Ansprüche habe ich denn dann auf Mängelbeseitigung?

An meiner Wohnung habe ich einen Anspruch auf Mängelbeseitigung, die ich selbst geltend machen kann. Ich kann immer das Zweifache von den Mängelbeseitigungskosten zurückhalten. Das ist der sogenannte Druckzuschlag, um schnell handeln und den Mangel zu beseitigen zu können. Beim Gemeinschaftseigentum muss ich mit der Gemeinschaft zusammen handeln.

Der Bauträger könnte nun dem Käufer sagen: Wenn Sie Teile des Kaufpreises wegen Mängel zurückhalten, bekommen Sie von mir keinen Wohnungsschlüssel. Dass Sie als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden, blockiere ich dann auch. Was tun?

Wenn es Mängel gibt, bin ich berechtigt, Geld zurückzuhalten und habe dennoch einen Anspruch, dass das Eigentum auf meinen Namen umgeschrieben wird. Der Bauträger wird dann möglicherweise nicht sofort klein beigeben, da muss ich mich dann vor Gericht durchsetzen – und das kann bei Bausachen manchmal Jahre dauern.

Das Problem ist, dass es keine Rechtschutzversicherung gibt, die Bausachen mit großem Streitwert versichern würde, denn da hat man ja schnell Streitwerte von zehn- zwanzigtausend Euro oder mehr. Insofern muss ich mit eigenem Geld in Vorleistung gehen, und wenn ich gewinne, bekomme ich es wieder. Aber erstmal muss man was zur Seite gelegt haben, für Gerichts-, Anwalts- und Sachverständigenkosten.

Woran erkenne ich als Verbraucher einen möglicherweise unseriösen Bauträger?

Solche Bauträger versuchen beispielsweise, den Bauträgervertrag erst so kurz wie möglich vor dem Beurkundungstermin auszuhändigen – 14 Tage sind da vorgeschrieben. Was ich häufig sehe, sind Prospekte mit schönen Bildern, aber ohne konkrete Bau- und Leistungsbeschreibungen. Solche Bauträger können zum Teil keine konkreten Referenzobjekte benennen, die ich mir anschauen kann, um mit dortigen Käufern zu sprechen. Wenn einem das alles nicht geboten wird und Anfragen blockiert werden, sollte man auf jeden Fall skeptisch werden.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Wolf Siebert.

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