Zwei-Milliarden-Euro-Deal - Senat will Vattenfall das Berliner Stromnetz abkaufen

Der Senat hat einen Schlusspunkt hinter eines der längsten Vergabeverfahren und ewige Streitigkeiten vor Gerichten gesetzt: Das Land soll das Berliner Stromnetz vom schwedischen Energiekonzern Vattenfall zurückkaufen - ohne Steuermittel. Von Jan Menzel
Der Berliner Senat hat den Rückkauf des Berliner Stromnetzes vom Anbieter Vattenfall am Dienstag beschlossen. Nun muss das Abgeordnetenhaus dem Deal noch zustimmen.
Bei der Vorgeschichte, bei all den Problemen und Verfahrenspatzern könnten in der Finanzverwaltung eigentlich die Korken knallen, dass nun gelungen ist, woran seit Jahren gewerkelt wurde. Matthias Kollatz aber betrachtet das Geschäft nüchtern. "Der Kauf des Stromnetzes stellt eine erfolgreiche Rekommunalisierung dar", sagt er. "Und es ist so, dass Vattenfall uns ein faires Angebot gemacht hat."
Nettokaufpreis von 2,06 Milliarden Euro
Nach Informationen des rbb liegt der reine Netto-Kaufpreis für die Stromnetz-Gesellschaft bei 2,06 Milliarden Euro. Bis zu 80 Millionen Euro könnten noch für Nebenkosten dazukommen. Zur Finanzierung sagt Kollatz: "Es werden dabei keine Steuermittel eingesetzt." Das Land wird stattdessen eine Holding-Gesellschaft neu gründen und dann Kredite aufnehmen.
Diesen Weg hat der Senat schon einmal gewählt - bei der Re-Kommunalisierung der Wasserbetriebe. Auch dort wurde der Rückkauf nicht über den Landeshaushalt abgewickelt. "Man muss sich das so vorstellen, dass in der Zukunft, wenn Gewinne erzielt werden - und es wurden in der Vergangenheit regelmäßig Gewinne erzielt - dann werden die Gewinne nicht mehr nach Stockholm, sondern nach Berlin transferiert."
FDP: Schlechtes Geschäft
Rot-Rot-Grün erwartet auch, dass das Netz in Landeshand dem Klimaschutz in der Stadt einen Schub verpasst. Der grüne Abgeordnete Stefan Taschner sagt dazu: "Mit dem Stromnetz haben wir ein wichtiges Werkzeug, das zusammen mit den Stadtwerken ein entscheidender Schlüssel ist, um die Energiewende noch stärker voranzubringen."
Die Opposition stand und steht dem Milliarden-Deal ablehnend gegenüber. Henner Schmidt, energiepolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, gab zu Bedenken, dass Berlin nicht wirklich Einfluss auf die Umgestaltung der Energieversorgung nehmen könne, weil das Stromnetz sehr stark reguliert sei. Die Erträge würden nun statt an Vattenfall an die Banken gehen. "Gleichzeitig verschlechtern sich die Rahmenbedingungen der Regulierung, was die Gewinnerwartungen in Zukunft reduziert und das wirtschaftliche Risiko für das Land Berlin vergrößert", so Schmidt. Der Kaufpreis sei zu hoch und das Geschäft schlecht.
AfD: Kaufpreis zu hoch
Christian Buchholz von der AfD bezeichnete den Kauf des Stromnetzes von Vattenfall als schweren Fehler. "Es ist ein schlechtes Geschäft zu einem schlechten Zeitpunkt", erklärte Buchholz. Der Kaufpreis sei viel zu hoch. Zudem bewege sich das Land Berlin in einem Geschäftsfeld, "von dem es nichts versteht", so der Politiker.
Kai Wegner (CDU): Man verspielt Know-How der Privaten
CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner sieht vor allem Risiken. "Man nimmt viel Geld in die Hand, packt das ganze in einen Schattenhaushalt, und was mich ganz maßgeblich bewegt: Man verspielt auch das Know-How und das Kapital von den Privaten, die wir brauchen für eine wirklich nachhaltige Energiewende."
Genossenschaft soll sich beteiligen
Besser, so Wegner, wäre es gewesen, wenn das Land und Vattenfall eine Kooperation eingegangen wären, das Netz gemeinsam betrieben hätten. Diese Option gibt es nun nicht mehr, dafür aber eine andere. Mit der "Bürgerenergie Berlin" steht eine Genossenschaft bereit, die nur darauf wartet, vom Senat mit ins Boot geholt zu werden.
Die Chancen der Genossen auf eine Netzbeteiligung stehen nicht schlecht, im Koalitionsvertrag von R2G ist sie ausdrücklich vorgesehen.
Sendung: Abendschau, 27.04.2021, 19.30 Uhr
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