Vorstoß von Discountern - Brandenburger Landwirte sind skeptisch beim Abschied vom Billigfleisch

Schluss mit billig in den Theken – damit hat der Discounter Aldi zuletzt geworben. Im Jahr 2030 soll kein Frischfleisch mehr angeboten werden, das in reiner Stallhaltung produziert wird. Brandenburger Landwirte befürchten Nachteile. Von Michel Nowak
Lebensmittel-Ketten wollen auf tiergerechtere Haltungsformen umstellen: Der Discounter Aldi hat angekündigt, bis 2030 kein Frischfleisch mehr anzubieten, das in reiner Stallhaltung produziert wird. Von konkurrierenden Lebensmittelketten wie Rewe gibt es ähnliche Aussagen. Die Bauern, etwa in Brandenburg, wirken hingegen teils überrumpelt. Sie befürchten, dass nicht etwa die großen Handelsketten, sondern die Landwirte ohne Ausgleich für das anvisierte größere Tierwohl einstehen müssen.
In Züllsdorf, einem Dorf nahe Herzberg (Elster) im Elbe-Elster-Kreis sieht Dorsten Höhne den angekündigten "Haltungswechsel" kritisch. Seine Agrargenossenschaft Züllsdorf gehört zu den größeren Schweinemastbetrieben in Brandenburg. Bis zu 3.800 Tiere verteilen sich auf mehrere Ställe, jedes hat knapp einen Quadratmeter Platz. Seinen Schweinen gehe es gut, versichert Dorsten Höhne: "Das sagen auch unsere Gesundheitsdaten und unser Verlustgeschehen, da habe ich keine schlechten Gedanken."

Für Ökoverbände ein überfälliges Vorgehen
Schweine – so gemästet wie in Züllsdorf – fallen nach den Haltungsform-Kriterien der Lebensmittel-Ketten in die unteren Kategorien 1 und 2. Solche Ware soll nach Willen des Discounters Aldi spätestens in neun Jahren aus den Frischfleisch-Regalen verschwunden sein. Ein richtiger Ansatz, sagen Ökoverbände. Was die Tierhaltung angehe, gebe es durchaus einen Bewusstseinswandel. "An sich ist es überfällig", so Sascha Philipp, Sprecher der Brandenburger Ökoverbände, "allerdings muss das Ganze auch bezahlt werden." Das gehe nur, wenn die Handelsriesen fair mit den Bauern umgingen und tatsächlich Preise bezahlten, die dem Produktionsaufwand gerecht werde: "An der Stelle habe ich bei den Lebensmittel-Ketten durchaus Fragezeichen."

Handelsketten laut Bauern keine zuverlässigen Partner
Nutzvieh unter freiem Himmel, das wünschen sich die meisten Verbraucher. Viele Landwirte würden auch gern im wahrsten Sinne des Wortes die Sau rauslassen, stehen aber vor enormen Herausforderungen. Denn zur Freilandhaltung gehören oft unerwünschte Geruchsbelästigung und Emissionen. Ställe müssten um- und neugebaut werden. Die Landwirte müssten dafür langfristig hohe Summen investieren.
Dies sei nur mit zuverlässigen Partnern auf der Abnehmer-Seite möglich. "Als solche haben sich Aldi und Co. in der Vergangenheit aber überhaupt nicht präsentiert", sagt Bernd Starick, Vorstandsmitglied im Brandenburger Landesbauernverband und selbst Viehhalter im Kreis Spree-Neiße, "die Ketten haben mit ihrem Tun dazu beigetragen, dass die Situation heute so schwierig ist." Der Wille der Bauern, sich schrittweise an neue Haltungsformen anzupassen, sei da. Das Engagement stehe und falle aber mit sicheren, leistungsgerechten Erlösen.
Zahl der Schweinebetriebe fast halbiert
Vor allem am Finanziellen hapert es aber zuletzt tatsächlich gewaltig. Die Brandenburger Schweinehalter arbeiten oft defizitär. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Betriebe in Brandenburg von 700 denn auch auf 400 fast halbiert. Die Zahl der Mastschweine reduzierte sich allerdings nur von 805.000 auf 777.000. Der Trend geht bei den Schweinen sogar zu größeren Ställen.
Discounter Aldi sieht sich mit seinem Einsatz nun als Vorreiter. Das Management fordert aber, dass der Gesetzgeber mitzieht. Auch höhere Preise müssten die Verbraucher perspektivisch einkalkulieren.
Tierwohl nur mit wirtschaftlicher Perspektive
Dorsten Höhne in Züllsdorf zeigt sich da misstrauisch. Die Großhändler seien für seine Agrargenossenschaft zwar Mittel zum Zweck, aber keinesfalls so etwas wie Freunde. "Das Problem wird sein, dass uns der Handel später erpressen wird, wenn unser teureres Fleisch aus anderen Haltungsformen im Regal liegt", prophezeit er.
Werde beispielsweise gefrorenes Importfleisch – wie angekündigt – weiter angeboten, käme schnell die Forderung, dass auch die regionalen Angebote billiger werden müssten, um einen ausreichenden Verkauf zu garantieren. "Eine wirkliche Partnerschaft setzt aber voraus, dass ich für einen längeren Zeitraum weiß, was ich für ein Schwein erhalte", so der Züllsdorfer weiter. Davon sei aber im Zusammenhang mit den neuen Haltungsformen keine Rede.
Tierwohl funktioniere nur mit wirtschaftlich solider Perspektive für die Mastbetriebe, sagen die Landwirte. Die Supermarkt-Ketten aber geben sich sicher, dass ihr Vorstoß in jedem Fall passt: In eine Zeit, in der sich das Mensch-Tier-Verhältnis zunehmend wandelt.
Sendung: Inforadio, 22.07.2021, 12:06 Uhr