ÖBB kündigt Lieferverträge - Alstom-Bahnwerk in Hennigsdorf verliert Großauftrag

Alarmstimmung im Alstom-Standort in Hennigsdorf: Dem Unternehmen ist ein wichtiger Auftrag weggebrochen. Die Österreichische Bundesbahn zieht Dutzende Zug-Bestellungen zurück. Der Bürgermeister der Gemeinde reagiert besorgt.
Dem Alstom-Standort in Hennigsdorf (Oberhavel) ist ein Großauftrag abhandengekommen. Die Österreichische Bundesbahn (ÖBB) hat am Freitag dem rbb bestätigt, dass die Lieferverträge über 41 Züge gekündigt worden sind. Diese seien für Tirol und Vorarlberg bestimmt gewesen, so die ÖBB. Grund für die Kündigung sei, dass die Züge keine Zulassung bekommen hätten. Diese Aufgabe sei vom Hersteller nicht erfüllt worden, so die ÖBB.
Insgesamt sei mit Alstom/Bombardier eine Rahmenvereinbarung über 300 Züge abgeschlossen worden. Die Kündigungen beziehen sich laut ÖBB-Sprecher auf die Auslieferungen von 41 dieser Züge. Was aus den übrigen bestellten Zügen wird, ließ er offen.
Alstom-Sprecher: "Es gibt keinerlei Veränderungspläne"
Bei den gekündigten Bestellungen handelt es sich laut dem Online-Medium "Business Insider" um Nahverkehrszüge des Typs Talent 3. "Business-Insider" hatte zunächst über die Vorgänge berichtet. Seit 2019 warte die ÖBB auf die Auslieferungen der Nahverkehrszüge, heißt es dort. Den Österreichern sei "am Dienstag der Kragen geplatzt", sie hätten den Vertrag mit Alstom gekündigt und den Auftrag neu vergeben - an Siemens Mobility. Dies wollte ein ÖBB-Sprecher auf rbb-Nachfrage aber nicht bestätigen.
Für den Standort Hennigsdorf und seine 2.000 Beschäftigten sei das eine Katastrophe, schreibt "Business-Insider" weiter. Bombardier soll Verluste in dreistelliger Millionenhöhe machen, auch der Standort Hennigsdorf stecke in den roten Zahlen. Der wegfallende ÖBB-Auftrag reiße nun "ein noch viel größeres Loch in die Einnahmen". Mitarbeiter hätten die Befürchtung, dass Alstom den Standort ganz schließen könnte.
Im Gespräch mit dem rbb trat ein Alstom-Sprecher diesen Befürchtungen entgegen. Unternehmenssprecher Stefan Brause sagte Antenne Brandenburg vom rbb, es gebe keinerlei Veränderungspläne. Der Standort stehe nicht in Frage und es gebe keine Schließungspläne.
Bürgermeister spricht von "Nackenschlag"
Der Betriebsrat des Werkes in Hennigsdorf reagierte auf rbb-Nachfrage überrascht. Man wisse von nichts, hieß es aus dem Gremium. Der Bürgermeister von Hennigsdorf, Thomas Günther (SPD), sprach auf rbb-Nachfrage von einem "Nackenschlag", sollte der Bericht zutreffen. "Das kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt, denn Anfang des Jahres hatten wir große Hoffnung durch die Übernahme des Werks durch Alstom. Wir kämpfen gemeinsam darum, neben dem Engineering auch die Produktion zu halten. Genau solche Aufträge sind extrem wichtig für die Standortsicherung", so Günther.
Anfang 2021 hatten das französische Unternehmen Alstom und der kanadische Hersteller Bombardier fusioniert, Alstom übernahm das Bahnwerk in Hennigsdorf. Die EU-Kommission hatte allerdings zur Bedingung gemacht, dass Teile der Produktion in Hennigsdorf verkauft werden müssen. Die Verhandlungen mit dem tschechischen Interessenten Skoda-Transportation gestalteten sich bislang schwierig und drohen nun zu platzen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 20. August 2021, 14 Uhr