rbb-exklusiv - Berliner Senat mit neuem Kaufinteressenten für Checkpoint Charlie im Gespräch

In die festgefahrene Situation am Checkpoint Charlie kommt wieder Bewegung. Für die beiden brachliegenden Filetgrundstücke gibt es nach rbb-Recherchen einen potenziellen Käufer. Doch die Lage ist kompliziert. Von Thorsten Gabriel
Monatelang war es still geworden um den Checkpoint Charlie. Zuletzt hatte eine Projektgesellschaft der Trockland-Gruppe, die den historischen Ort entwickeln wollte, im vergangenen Jahr Insolvenz angemeldet. Nun tut sich wieder etwas. "Das Land Berlin steht derzeit mit einem potenziellen Kaufinteressenten für die beiden brachliegenden Grundstücke an der ehemaligen Grenzübergangstelle in Verbindung", teilte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dem rbb auf Nachfrage mit.
Ziel sei es, die Grundstücke "in Abstimmung mit einem Investor entsprechend dem festgesetzten Bebauungsplan" zu entwickeln, so die Sprecherin der Senatsverwaltung, Katrin Dietl. "Es besteht der gemeinsame Wille, die Entwicklung der Grundstücke als Erinnerungsort zu Beginn der nächsten Wahlperiode zu konkretisieren." Wer der Kaufinteressent ist, darüber hüllen sich alle Beteiligten in Schweigen. Dem Vernehmen nach handelt es sich aber nicht um einen Investor, der derzeit größere prominente Projekte in der Stadt entwickelt.
Der Bebauungsplan als Zankapfel
Dass der neue Interessent selbst Wert darauf legt, vorerst öffentlich nicht in Erscheinung zu treten, dürfte auch damit zusammenhängen, dass die Situation am Checkpoint Charlie nicht nur festgefahren, sondern auch rechtlich kompliziert ist. Denn weder das Land noch der bisher um das Areal bemühte Entwickler Trockland sind Eigentümer der Grundstücke. Die Flächen liegen seit 2003 bei einem Insolvenzverwalter. Trockland erwarb 2015 lediglich die Grundschulden in Höhe von rund 90 Millionen Euro, die auf den beiden Grundstücken lasten. Die Option, die Flächen selbst zu kaufen, nutzte der Investor nicht.
Nachdem Berlin zunächst versucht hatte, gemeinsam mit Trockland ein Szenario für den Ort zu entwickeln, ging die Stadt später auf Distanz. Man wurde sich zwar einig über Flächen für ein Museum, doch vor allem die Pläne für zwei Hochhäuser und eine Hotelnutzung stießen in rot-rot-grünen Koalitionskreisen auf wenig Gegenliebe. Während der Investor seine Planungen weiter vorantrieb, erarbeitete das Land einen Bebauungsplan für das Areal. Er wurde Anfang vergangenen Jahres vom Abgeordnetenhaus beschlossen. Er sieht vor, dass auf dem Gelände neben einem Museum ein Stadtplatz sowie gemischte Bebauung mit einem hohen Anteil an Wohnungen entstehen soll.
Trockland sieht sich weiter in guter Verhandlungsposition
Trockland sah damit seine eigenen Pläne durchkreuzt und versuchte mit dem Senat erneut ins Gespräch zu kommen, jedoch ohne Erfolg. Als Konsequenz schickte Trockland-Firmenchef Heskel Nathaniel seine Checkpoint-Charlie-Projektgesellschaft in die Insolvenz. Er wollte es als Aufforderung verstanden wissen, als "Appell an die Verantwortungsträger der Stadt Berlin an den gemeinsamen Verhandlungstisch zurückzukehren", wie er im Juni vergangenen Jahres mitteilte. Doch das hat der Senat bleiben lassen. Aus seiner Sicht ist Trockland quasi raus aus dem Spiel. Zumal derzeit noch sechs Verfahren der Trockland-Gruppe gegen das Land Berlin vor dem Verwaltungsgericht laufen. Dabei geht es laut Senat um verschiedene Verwaltungsakte. Die Klagen habe der Investor bereits vor Festsetzung des Bebauungsplans eingereicht.
Neue Projektgesellschaft gegründet
Bei Trockland zeigt man sich weiter unbeirrt. "Trockland hält auch nach sechs Jahren nach wie vor an seiner Vision fest, gemeinsam mit dem Berliner Senat am Checkpoint Charlie einen würdigen Ort und ein Leuchtturmprojekt für die Stadt und ihre Besucher zu schaffen", teilt Firmenchef Heskel Nathaniel dem rbb mit und ergänzt mit Pathos: "Als Berliner Bürgern liegt uns als gesamtem Trockland-Team die Geschichte des Standorts unverändert sehr am Herzen." Das geplante Museum und der damit verbundene Bildungs- und Erinnerungsort sollten "nach Wünschen des Berliner Senats konzipiert und gebaut" werden.
Dass dies mehr als nur dahingesagt ist, wird daran deutlich, dass Trockland mittlerweile eine neue Projektgesellschaft gegründet hat. Zur frisch gegründeten "Trockland 72 Checkpoint Charlie GmbH" gehören zwei weitere Unterfirmen, die beiden Projektgesellschaften "Trockland IX Real Estate Ost GmbH" und "Trockland IX Real Estate West GmbH". Sie seien für die Entwicklung der beiden Areale am Checkpoint Charlie vorgesehen.
Trockland verlangt Schadensersatz
Sollte es jetzt wirklich zu einem Verkauf der beiden Grundstücke kommen, könnten damit allerdings die von Trockland erworbenen Grundschulden abgelöst werden und der Projektentwickler wäre raus. Allerdings gibt es da noch einen Haken: Denn Trockland hat bereits viel Geld in die Planung investiert und sieht deshalb Schadensansprüche gegenüber dem Senat. Trockland-Chef Heskel Nathaniel sagt, das Land habe ein Güteverfahren zur Klärung dieser Ansprüche abgelehnt. "Trockland wird seine Rechte wahren, hat gegenüber dem Senat aber auch das deutliche Interesse signalisiert, eine Schadensersatzklage vermeiden zu wollen, um gemeinsam mit dem Land das Leuchtturmprojekt mit Museum zu realisieren."
Von solchen Schadenersatzforderungen zeigt sich der Senat allerdings unbeeindruckt. Zuletzt erklärte die Stadtentwicklungsverwaltung im vergangenen Jahr, sie sehe keine Grundlage für eine Entschädigung: "Gültiges Baurecht in Form einer Baugenehmigung oder eines Bauvorbescheids lag für die Grundstücke bereits seit Ende 2016 nicht mehr vor."
Der Insolvenzverwalter muss alle zusammenbringen
Bleiben beide Seiten bei ihrer Haltung, dürfte dies am Ende ein Fall für die Gerichte werden. Sollte das Land zwischenzeitlich allerdings seine Erfolgschancen anders einschätzen, könnte es sich sowohl mit dem neuen Käufer als auch mit Trockland über ein gemeinsames Vorgehen einigen. Die Aufgabe, dies alles auszuloten und zu moderieren, sieht der Senat beim Insolvenzverwalter der Grundstücke. "Die Steuerung des Verfahrens obliegt dem Insolvenzverwalter", teilt der Sprecher der Senatsfinanzverwaltung, Alexis Demos, dem rbb mit. "Dessen Aufgabe ist es, die Interessen aller Beteiligten und deren Rechte in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen."
Hinzu kommt noch, dass dem Land bei diesem Grundstücksgeschäft auch ein Vorkaufsrecht zusteht. Bislang zeigte sich der Senat allerdings öffentlich zurückhaltend bei der Frage, die Flächen am Ende selbst zu kaufen. Aber auch dies wird in den Gesprächen zwischen Insolvenzverwalter, Kaufinteressent, Grundschuldhalter und Land abgewogen werden. Vor der Abgeordnetenhauswahl im Herbst ist damit nicht mehr zu rechnen. Schließlich wollen alle Beteiligten auch wissen, wie es politisch weitergeht. Und so lautet der Beziehungsstatus aller am Checkpoint Charlie Beteiligten weiterhin: Es ist kompliziert.
Sendung: Inforadio, 06.08.2021, 18 Uhr