Tarifstreit in Berlin und Brandenburg - Beschäftigte im Einzelhandel legen Arbeit nieder

Nach einem Aufruf zu Warnstreiks im Einzelhandel haben am Dienstag Hunderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Arbeit niedergelegt. Vom Handelsverband hieß es, man nehme das Signal ernst.
Bei der dritten Warnstreikrunde im Einzelhandel in Berlin und Brandenburg haben Beschäftigte am Dienstag erneut die Arbeit niedergelegt. Mehrere hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Lagern und Geschäften hätten sich beteiligt, sagte Verdi-Verhandlungsführerin Conny Weißbach am Mittag.
Aufgerufen waren Beschäftigte der Handelsketten Rewe, Kaufland, Ikea, Galeria Karstadt Kaufhof, HM sowie Thalia. Die Aktionen hätten zum Teil direkt vor den Filialen stattgefunden, hieß es. Geschäfte mussten aufgrund des Arbeitskampfs allerdings nicht schließen.
"Wir nehmen das zur Kenntnis und gehen dann wieder zur Tagesordnung über", sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, Nils Busch-Petersen. Man nehme jeden Warnstreik aber "als Signal ernst".
Verdi-Verhandlungsführerin Weißbach geht davon aus, dass es vor allem in den Lagern in den kommenden Tagen zu nachwirkenden Beeinträchtigungen kommen könnte.
Beschäftigte sollen auf Reallohn verzichten
Die Gewerkschaft Verdi hatte erneut zu flächendeckenden Warnstreiks im Einzelhandel aufgerufen, um den Druck auf die Arbeitgeberseite zu erhöhen. Im aktuellen Tarifstreit hätten die Arbeitgeber ein Angebot gemacht, das die Gewerkschaft Verdi jedoch ablehnt, heißt es in einer Mitteilung vom Donnerstag.
Demnach sollten Beschäftigte von einkommensstärkeren Unternehmen auf einen Reallohn verzichten und frühestens im Juli 2022 insgesamt 3,4 Prozent mehr Lohn erhalten. Die Gehaltssteigerung soll in zwei Schritten erfolgen, zunächst um 2 Prozent, dann um 1,4 Prozent. Beschäftigte aus einkommensschwächeren Unternehmen sollen die Gehaltssteigerung um 1,4 Prozent erst im Januar 2023 erhalten.
Verdi fordert 4,5 Prozent mehr Gehalt
Verdi fordert hingegen 4,5 Prozent mehr Geld, außerdem 45 Euro zusätzlich pro Monat. In der Branche soll zudem ein Mindestentgelt von 12,50 Euro pro Stunde gelten. Im Juni legten die Beschäftigten in Berlin und Brandenburg deswegen bereits zweimal ihre Arbeit nieder.
Einzelhandel steigert Umsatz während Pandemie
Die Inflation liege bereits bei 3,8 Prozent und könne als Folge der Pandemie weiter steigen, teilte Verdi mit. Und schon jetzt seien die in der Folge der Pandemie gestiegenen Preise für Lebensmittel, Mobilität und Mieten in den Portemonnaies der Beschäftigten und ihrer Familien spürbar. Die Unternehmen hingegen hätten in der Pandemie teilweise sehr gut verdient.
Wie das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg am vergangenen Dienstag mitteilte, erwirtschafteten die Berliner Einzelhändler im ersten Halbjahr dieses Jahres 3,9 Prozent mehr Umsatz als im gleichen Zeitraum 2019, also noch vor der Pandemie. Verglichen mit dem ersten Halbjahr 2020 lag die Umsatzsteigerung bei 2,2 Prozent.
Dabei wurde die Umsatzsteigerung vor allem vom Lebensmittelhandel getrieben, der unter dem Strich 10,1 Prozent zulegen konnte. "Diese Unternehmen können ihren Beschäftigten, die diese Superzahlen unter Pandemiebedingungen an der Kasse erwirtschaftet haben, keinen Reallohnzuwachs zahlen?", fragt Conny Weißbach. Das sei nicht fair.
Gewerkschaft und Arbeitgeber waren zuletzt Ende Juli zu Verhandlungen zusammengekommen. Die Arbeitgeber hatten dabei angeboten, Löhne und Gehälter um zwei Prozent zu erhöhen. Bei Händlern, die in der Corona-Krise schließen mussten, sollte das aber erst acht Monate später als bei den übrigen gelten. "Wir müssen da differenzieren, denn es gibt Unternehmen, die extrem von der Pandemie getroffen wurden, wohingegen andere gut aus der Krise gekommen sind", sagte der Geschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, Nils Busch-Petersen damals.
Sendung: Inforadio, 31.08.2021, 6 Uhr