Streit um Fluglärm am BER - Anwohner kritisieren Ausweichroute von Easyjet-Flugzeugen

Drei Gemeinden in der Nähe des BER sind verstärkt von Fluglärm betroffen. Es gibt Zweifel, ob die Airline Easyjet tatsächlich aus technischen Gründen die Ausweichroute über Eichwalde, Schulzendorf und Zeuthen fliegen muss. Von Oliver Soos.
In Eichwalde, Schulzendorf und Zeuthen (Landkreis Dahme-Spreewald) protestieren Bürgerinitiativen. Aus ihrer Sicht ist die Situation ziemlich perfide: Die ersten Wohnsiedlungen liegen nur etwa drei Kilometer südöstlich des Flughafens BER und dennoch gibt es hier keinen Schallschutz.
Denn den Anwohnern wurde versprochen, dass die Flugrouten hier nicht entlangführen. Nun passiert es aber doch jeden zweiten Monat, immer dann, wenn am BER die Südbahn benutzt wird und wenn die Flugzeuge Richtung Osten starten. Laut der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH gab es im August (bis zum 26. August) insgesamt 237 Abflüge über den drei Gemeinden.
Die Auswertungen der Flugdaten und Beobachtungen der Anwohner zeigen ein klares Bild: Es ist fast ausschließlich die Airline Easyjet, die diese Ausweichroute fliegt, um eine steile 90-Grad-Kurve, die sogenannte Hoffmann-Kurve, direkt nach dem Start zu vermeiden. Wer von dieser vorgeschriebenen Route abweicht, muss dafür gute Gründe liefern, doch bei den Gründen, die Easyjet bislang genannt hat, gibt es erhebliche Zweifel.
Easyjet sagt Fluglärmgespräch kurzfristig ab
An diesem Donnerstag saßen die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden mit Flughafengeschäftsführer Michael Halberstadt in der Zeuthener Mehrzweckhalle zusammen, dabei wurden rund 500 Bürger per Livestream zugeschaltet. Easyjet-Deutschlandchef Stephan Erler und ein Experte der Flugsicherung wurden auch erwartet. Sie sollten mit technischen Details über das Easyjet-Abflugverhalten aufklären. Doch dazu kam es nicht, weil die Airline und die Flugsicherung kurzfristig abgesagt hatten.
Die Gemeindevertreter zeigten sich dementsprechend enttäuscht. "Das lasse ich jetzt mal unkommentiert. Wir werden versuchen, in dieser Woche oder Anfang nächster Woche, mit dem Deutschlandchef von Easyjet in Kontakt zu treten", sagte der Bürgermeister von Eichwalde, Jörg Jenoch. Der Bürgermeister von Schulzendorf, Markus Mücke, fügte hinzu: "Ich hätte Herrn Erler gerne gefragt, was andere Fluggesellschaften besser können als Easyjet, dass sie die 90 Grad-Kurve fliegen können."
Es soll am Gewicht von Gepäck und Passagieren liegen
Kurz vor dem Treffen hatte Erler der Deutschen Presse-Agentur (dpa) erklärt, warum Easyjet den Kurvenstart am BER nicht hinbekommen würde: "Wir haben relativ viele Passagiere und mehr Gepäck als andere in den Flugzeugen. Das höhere Gewicht führt dazu, dass wir entweder die notwendige Höhe nicht haben oder die Wegpunkte nicht erreichen und es uns somit gesetzlich nicht erlaubt ist, diese Abflugroute zu fliegen."
Diesem Argument wollen viele Menschen in den betroffenen Gemeinden nicht glauben. Der Vertreter der Gemeinde Zeuthen in der BER-Fluglärmkommission, der Ingenieur und sachkundige Einwohner, Dirk Schulz, ist der Ansicht, dass diese Aussage nicht stimmen kann und dass er dafür einige Beweise gesehen habe. Er erzählt von Gesprächen, die er mit Piloten anderer Airlines geführt habe: "Die Piloten haben mir erzählt, dass sie die gleichen Maschinen wie Easyjet fliegen, mit ähnlicher Beladung, auf ähnlichen Strecken, bei ähnlichem Wetter und dass sie die Hoffmann-Kurve einhalten können."
Schulz habe unter anderem mitbekommen, wie ein A320 Airbus von Lufthansa die Kurve perfekt flog und wie fünf Minuten später der Pilot eines A320 Airbus von Easyjet einen Geradeaus-Start hinlegte und zuvor angab, dass die Konditionen nicht passen würden.
Entlarvende Flugdatenaufzeichnungen?
Noch etwas ist Dirk Schulz von der Fluglärmkommission aufgefallen. Bei einigen Flügen, bei denen die Piloten angegeben hätten, sie könnten nicht steil genug abheben, seien sie bei ihrem Geradeausabflug dann doch schnell genug in die Luft gestiegen. Das habe Schulz in der Dokumentation gesehen. "Die Steigraten, die geflogen wurden, kann man bei den einschlägigen Portalen, z.B. bei der Deutschen Flugsicherung, sehen. Ich konnte ausrechnen, dass Steigraten, die angeblich nicht erreicht werden können, von Easyjet dann doch erfüllt wurden." Dirk Schulz hofft, dass diese Ungereimtheiten bald aufgeklärt werden können.
Flughafen-Geschäftsführer Michael Halberstadt versprach den betroffenen Gemeinden, dass der Lärm analysiert werde und dass sich daraus Schallschutzansprüche für die Gemeinden ergeben könnten. Dirk Schulz von der Fluglärmkommission warnte dagegen vor zu großen Erwartungen, denn Schallschutz zu bekommen könne viele Jahre dauern, so Schulz.
Auch vom Verbot der Intersection Take-Offs für Easyjet, das laut Flughafengesellschaft zu einem Abfall des Lärmdrucks um zwei Dezibel und damit zu einer maßgeblichen Lärmreduzierung führen soll, erwartet Schulz nicht all zu viel. "Wer sich mit Physik auskennt, der weiß, dass man diesen Lärmdruck-Abfall kaum spüren wird", so Schulz.
Auch Wildau und Königs Wusterhausen betroffen
Beim Fluglärmtreffen in Zeuthen waren auch die Bürgermeisterinnen von Wildau, Angela Homuth, und von Königs Wusterhausen, Michaela Wiezorek, anwesend. Sie erzählten, dass ihre Städte teilweise Fluglärm erleben würden, wenn die Maschinen nicht über Eichwalde, Schulzendorf und Zeuthen abfliegen.
"Die Maschinen über unserer Stadt sind sehr unterschiedlich laut, es scheint sogar vom einzelnen Piloten abzuhängen", sagt Wiezorek. Sie fordert Messstationen und dass der Lärm in Königs Wusterhausen analysiert werde. "Wir überlegen, das im Zweifel auch selbst zu machen." Wiezorek ist der Ansicht, dass auch die Hoffmannkurve noch optimiert werden müsse.
Auch Angela Homuth erzählt, dass es am Himmel über Wildau mal laut und mal leise sei. "Die großen Boeing Dreamliner von Qatar Airways hören sich an wie ein leichtes Brummen und kleinere Maschinen sind zum Teil so laut, dass ich morgens davon aus dem Bett schrecke - und neben mir ist ein Seniorenheim. Ich bekomme rund um die Uhr Beschwerden: Frau Homuth, tun sie etwas dagegen, das ist eine Zumutung", erzählt die Bürgermeisterin. Homuth und Wiezorek fordern Lärmminderungs- und Schallschutzmaßnahmen auch für Wildau und Königs Wusterhausen.

Sendung: Brandenburg aktuell, 27.08.2021, 19:30 Uhr