Geschäft besiegelt - Diese 14.000 Wohnungen in Berlin kauft der Senat zurück

Der Berliner Senat hat den Deal um tausende Wohnungen mit den Konzernen Vonovia und Deutsche Wohnen abgeschlossen - rund 2,46 Milliarden Euro bekommen die bisherigen Eigentümer. Dem rbb liegen die Adressen von den meisten dieser Wohnungen vor.
Der Kauf von rund 14.750 Wohnungen durch die landeseigenen Gesellschaften Howoge, Degewo und Berlinovo ist nach monatelangen Verhandlungen abgeschlossen. Das verkündeten die Beteiligten - darunter auch der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) - am Freitag im Rahmen einer Pressekonferenz.
Die drei Landesunternehmen zahlen für das Paket, das auch 450 Gewerbeeinheiten beinhaltet, 2,46 Milliarden Euro an die bisherigen Eigentümer Vonovia und Deutsche Wohnen. Der Ankauf erfolge ohne den Einsatz von Haushaltsmitteln, hieß es.
Die Transaktion wurde am Donnerstag beurkundet. Finanzsenator Kollatz sprach am Freitag von einem "Vertrag mit Zukunft". Mit der Übernahme in den kommunalen Wohnungsbestand bekämen die Mieter die nötige Sicherheit, dass ihre Wohnungen dauerhaft im preiswerten Segment liegen werden. Das Geschäft gilt als größtes dieser Art seit langem in der Hauptstadt.
Finanzverwaltung: Kaufpreis berücksichtigt Zustand der Wohnungen
"Der vereinbarte Kaufpreis entspricht nach Einschätzung der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften dem Ertragswert", teilte die Senatsverwaltung für Finanzen mit. Der Preis berücksichtige den Zustand der Wohnungen und den notwendigen Investitionsbedarf. Degewo-Vorstand Christoph Beck verwies darauf, dass nicht alle der ursprünglich 20.000 angebotenen Wohnungen erworben wurden. Die Bestände seien im Vorfeld geprüft worden.
Auch laut Howoge-Geschäftsführer Ulrich Schiller ist der Ankauf für das Land ein guter Deal. Man plane zusätzlich zum Kaufpreis allerdings noch Ausgaben für Instandhaltung und Sanierung ein, sagte er im rbb-Inforadio. Die Gebäude seien in einem altersentsprechenden Zustand und zum Teil auch Asbest-belastet. Die Sanierungen würden sich aber auf einen Zeitraum von zehn Jahren verteilen. Die Wohnungen sollen demnach schrittweise jeweils nach Auszug der Mieter saniert werden.
Adressen von knapp 14.000 Wohnungen sind bekannt
Dem rbb liegt die hausnummerngenaue Adressliste von rund 13.939 Wohnungen vor. Zuerst hatte die "Berliner Morgenpost" [morgenpost.de] berichtet. Zu den Wohnungen, die der Senat gekauft hat, gehören unter anderem das Neubaugebiet südlich des Kottbusser Tores in Kreuzberg, die Highdeck-Siedlung in Neukölln, die Thermometer-Siedlung in Lichterfelde und Teile des Falkenhagener Feldes in Spandau.
In der untenstehenden Karte kann man 13.939 Wohneinheiten sehen. In der Tabelle kann man nach den Adressen der angekauften Wohnungen suchen. Die Adressen von 815 weiteren Wohnungen sind noch geheim.
Howoge übernimmt knapp 8.300 Wohnungen
Die Howoge wird mit knapp 8.300 Wohnungen die meisten übernehmen. Die Degewo wird etwas mehr als 2.400 Wohnungen übernehmen, die Berlinovo als drittes Landesunternehmen mehr als 4.000. Nach Angaben der Unternehmen handelt es sich bei den erworbenen Wohneinheiten auch um Bestände aus den 1990er Jahren und bereits sanierte Plattenbauten.
Die Degewo veranschlagt für ihren Zukauf 84 Millionen Euro an Sanierungs- und Instandhaltungskosten in den nächsten 15 Jahren. Die Berlinovo rechnet mit rund 167 Millionen Euro. Die Howoge hat mehr als 80 Millionen Euro für Asbest-Sanierungen vorgesehen. Weitere 50 Millionen Euro hat das Unternehmen für technische Instandsetzungen veranschlagt sowie einen zusätzlichen Puffer über weitere 50 Millionen Euro.
Der Berliner Senat verfolgt das Ziel, durch Neubau und Ankäufe den kommunalen Wohnungsbestand zu erweitern und damit den Anstieg der Mieten in der Stadt zu bremsen. Der kommunale Wohnungsbestand solle nach Angaben der Senatsverwaltung für Finanzen bis 2025 auf 400.000 erhöht werden. Ziel sei es, circa 20 Prozent des Berliner Bestandes zu halten. Daher seien seit 2016 insgesamt über 41.000 Wohnungen angekauft worden.
Nach dem jüngsten Zukauf betrage der Wohnungsbestand der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und der Berlinovo nun knapp 370.000.
Enteignungsinitiative sieht "Hinterzimmerdeal"
Die Initiatoren des Berliner Volksentscheides zur Enteignung großer Immobilienkonzerne haben den Kauf kritisiert. "Was die SPD hier kurz vor der Wahl veranstaltet, ist eine üble Nummer", sagte der Sprecher der Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen", Moheb Shafaqyar, am Freitag. "Wir befürworten grundsätzlich die Überführung von Wohnungen in die öffentliche Hand, aber nicht durch Hinterzimmerdeals und zu spekulativen Preisen."
Gleichwohl zeige der Vorgang, dass ein Erwerb von Wohnungen in großem Stil haushaltsneutral finanziert werden könne - also langfristig. "Auch wenn die SPD öffentlich gerne das Gegenteil behauptet, setzt sie genau dieses Konzept jetzt um." Im Gegensatz zum "SPD-Hinterzimmerdeal" wäre eine Vergesellschaftung ein gutes Geschäft für Berlin und gehe haushaltsneutral, so Shafaqyar.
Kollatz verteidigt den Kauf
Kollatz hatte den Kauf der Wohnungen am Donnerstag erneut verteidigt. Das Geschäft zwischen drei landeseigenen Wohnungsgesellschaften und den privaten Konzernen Deutsche Wohnen und Vonovia sei ein Meilenstein, sagte der SPD-Politiker bei einer Debatte im Berliner Abgeordnetenhaus.
Er widersprach Vorwürfen, die landeseigenen Unternehmen gingen mit dem Ankauf ein schwer kalkulierbares Risiko ein. Die Bestände seien genau geprüft worden. Deshalb würden auch nur 14.700 statt der ursprünglich angebotenen rund 20.000 Wohnungen gekauft.
Kritik auch aus den eigenen Reihen
Zuvor hatte sich Kollatz heftige Kritik auch aus den eigenen Koalitionsreihen anhören müssen, weil die Senatsfinanzverwaltung erst am Mittwoch detaillierte Informationen über das Geschäft an die Abgeordneten herausgegeben hatte. Hintergrund war ein Beschluss des Verwaltungsgerichts, der den Senat dazu verpflichtete, Details zu veröffentlichen.
Der parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Steffen Zillich, zeigte sich empört darüber, dass sich der Finanzsenator erst im Rahmen der Debatte auf Antrag der Opposition zu dem Geschäft äußere, nachdem die Koalition lange Zeit um Auskunft gebeten habe. Dies sei "sicher keine vertrauensbildende Maßnahme".
FDP kritisiert Geschäft als "fatales Zeichen"
Die mietenpolitische Sprecherin der Grünen, Katrin Schmidberger, sagte am Donnerstag, für die Grünen bleibe aufgrund des bislang spärlichen Informationsflusses weiterhin unklar, ob es sich nun um ein gutes Geschäft handele oder nicht.
Der baupolitische Sprecher der CDU, Christian Gräff, erklärte, seine Fraktion unterstütze grundsätzlich, dass die landeseigenen Wohnungsunternehmen ihren Bestand durch Ankauf vergrößern. Allerdings stelle sich die Frage, zu welchem Preis.
Die haushaltspolitische Sprecherin der FDP, Sibylle Meister, kritisierte das Geschäft als "fatales Zeichen". Mit dem Geld hätten tausende neue Wohnungen gebaut werden können. Die AfD-Landesvorsitzende Kristin Brinker nannte konkret 8.000 bis 10.000 Wohnungen, die man ihren Berechnungen nach für den Kaufpreis von 2,4 Milliarden Euro hätte bauen können.
Sendung: Abendschau, 17.09.2021, 19:30 Uhr