Interview | Berliner Projektleiter klagt gegen Bundesländer - "Die Situation ist für mich existenzbedrohend"

Mo 13.09.21 | 12:52 Uhr
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Symbolbild: Ein Sänger steht auf der Bühne. (Quelle: dpa/Britta Pedersen)
Bild: dpa/Britta Pedersen

Dany Rau, ein Berliner Projekt- und Produktionsleiter von Konzerten, hat seit mehr als 18 Monaten so gut wie kein Einkommen. Hilfen vom Bund und auch ALG II werden ihm versagt. Nun verklagt er die Bundesländer auf Entschädigung.

Seit achtzehn Monaten so gut wie gar kein Einkommen. Dany Rau lebt seitdem von der Altersvorsorge, weil das Jobcenter das Geld für die Rente als zu hohes Vermögen wertet: Dem Berliner Projekt- und Produktionsleiter im Veranstaltungsbereich reicht es. Er hat zwölf Bundesländer auf Entschädigung verklagt, in denen er nachweislich im Jahr 2020 Aufträge gehabt hätte. Am Dienstag startet vor dem Landgericht Berlin das Verfahren.

rbb|24: Herr Rau, wie war das für Sie, 18 Monate lang nicht zu arbeiten?

Dany Rau: Nicht gut. Tatsächlich muss ich sagen, dass ich ein bisschen gearbeitet habe dieses Jahr. Ich habe ein paar Konzerte betreuen dürfen, was gut war. Natürlich vor allem finanziell, aber auch fürs Gemüt.

Wie viele Konzerte und Veranstaltungen haben Sie 2019 betreut? Und wie viele seit Ausbruch der Pandemie?

Also 2019 müsste ich das jetzt mal nachschlagen, aber es waren bestimmt 70. Vielleicht sogar mehr. Ich betreue ja auch nicht nur die Durchführung, sondern auch die Vorbereitung. Das heißt, es ergibt eine relativ große Anzahl an Arbeitstagen und das bedeutet auch eine entsprechende Vergütung. In den letzten 18 Monaten waren es zwölf, und das ist natürlich ein eklatanter Unterschied.

Dany Rau (Quelle: Privat)
Privat

Zur Person

Dany Rau ist selbstständiger Projekt- und Produktionsleiter im Veranstaltungsbereich. Er verklagt zwölf Bundesländer auf Entschädigung, in denen er nachweislich im Jahr 2020 Aufträge gehabt hätte. Er beruft sich unter anderem auf das Recht auf freie Berufsausübung. Die Argumentation ist, dass er durch seine erzwungene Arbeitslosigkeit ein unzumutbares Sonderopfer für die Gesellschaft leistet, damit die Pandemie bekämpft werden kann.

Was fehlt Ihnen an der Arbeit besonders?

Was mir fehlt, vor allem wenn es um Konzerte geht, ist der Thrill. Wenn es auf die Bühne geht und das Konzert beginnt und man schaut in glückliche Gesichter. Egal, ob es jetzt die Künstler, das Publikum oder die Crew ist. Auch nach 39 Jahren kriege ich da Gänsehaut. Und dann fehlt mir natürlich die Begegnung mit meinen Kollegen, die Zusammenarbeit mit meinen Kollegen und auch mit den Künstlern, die ja für mich deutlich vor den Veranstaltungen anfängt. Und das fehlt mir. Das fehlt mir sogar sehr.

Würden Sie sagen, Sie durften nicht oder Sie konnten nicht arbeiten?

Fakt ist, dass es natürlich starke Einschränkungen gegeben hat durch die Corona-Verordnung. Das heißt, man durfte die Arbeit nicht machen. Das war also für uns auf jeden Fall eine Art Berufsverbot. In der Corona-Verordnung beziehungsweise im Infektionsschutzgesetz spricht man da von Tätigkeitsverboten.

Man kann mittlerweile teilweise Veranstaltungen machen. Die sind aber für die Veranstalter nicht wirtschaftlich. Das heißt, dass die Bezahlung vielleicht nicht so gut ist, weil durch die Hygiene-Konzepte nicht so viele Menschen zu einer Veranstaltung kommen dürfen und entsprechend der Umsatz nicht so groß ist. Trotzdem sind die Ausgaben höher, weil die Umsetzung der Hygiene-Konzepte Kosten mit sich bringt.

Wie viel hat man vor Corona und wie viel jetzt mit so einem Konzert verdient?

Da müssen sie einen Veranstalter fragen, der sich letztendlich mit den genauen Kalkulationen beschäftigt. Meine Aufgabe ist eher die Umsetzung. Ich hatte zum Beispiel eine Veranstaltung in der Corona-Zeit auf einem Gelände, wo üblicherweise 10.000 Leute draufgegangen wären. Diesmal waren es vielleicht 1.500. Da kann man sich die Dimension vorstellen, was das für Verluste bedeutet. Und dann kommt noch dazu, dass man zusätzlichen Aufwand hat. Man braucht zum Beispiel zusätzliche Security-Kräfte, um bei einem Konzert bestimmte Abstandsregeln zu wahren.

Sie haben als Selbstständiger Corona-Hilfen beantragt, mussten diese aber zurückzahlen. Fühlen Sie sich, als ob Sie durchs Raster gefallen sind?

Ich bin auf jeden Fall durchs Raster gefallen. Das fing schon damit an, dass die Corona-Hilfen für Selbstständige nur für die laufenden fixen Betriebskosten beantragt werden konnten. Da waren zum Beispiel sowas wie Krankenversicherung oder natürlich die Bereitstellung meiner Arbeitskraft gar nicht vorgesehen. Im Prinzip waren die Betriebskosten nur für so etwas wie ein Büro oder Internet, Telefonkosten bestimmt. Dabei waren die Antragsbedingungen erst gar nicht so gewesen. Es wurde suggeriert, dass man die Hilfen auch für Lebenshaltungskosten verwenden könne. Das wurde dann quasi nachträglich geändert.

Und dann wurde gesagt, für die Lebenshaltungskosten könne man ALG II im vereinfachten Verfahren beantragen. Mal davon abgesehen, dass das vereinfachte Verfahren ja erst im Oktober 2020 eingeführt wurde.

Haben Sie ALG II beantragt?

Ich habe es beantragt, und es wurde abgelehnt. Ich sei zu vermögend. Ich habe im Prinzip das gemacht, was man von jedem Selbstständigen erwartet, nämlich fürs Alter vorgesorgt und damit Rücklagen gebildet. Und die Rücklagen wurden nicht als Altersvorsorge anerkannt, sondern es wurde gesagt, ich sei reich, wortwörtlich.

Und das ist einfach keine Art, wie man mit Menschen umgeht. Schon gar nicht mit Menschen, die einfach in Not sind. Und zwar auf unverschuldete Weise. Da hab ich dann auch Klage beim Sozialgericht in Berlin eingereicht. Da steht ein Urteil noch aus.

Sie haben ja noch eine andere Klage gegen die Bundesländer laufen - auf Entschädigung. Warum haben Sie sich zu diesem Schritt entschlossen?

Der Verband, in dem ich aktives Mitglied bin, der Interessensgemeinschaft der selbständigen DienstleisterInnen in der Veranstaltungswirtschaft (ISDV), hat einen Entschädigungsantrag bereitgestellt. Ich habe mich entschlossen, diesen Antrag zu stellen, für alle entgangenen Vergütungen, die ich 2020 hätte erwirtschaften können, erst mal auf meinem Betriebssitz in Berlin. Der wurde von der Senatsverwaltung für Finanzen abgelehnt.

Mit dem ablehnenden Bescheid bin ich dann zu dem Anwalt gegangen, der zusammen mit der ISDV diesen Antrag entworfen hatte, und habe ihn gefragt, wie man dagegen vorgehen kann. Nach vielen Gesprächen und Überlegungen haben wir uns entschieden, dass wir diesen Weg weitergehen, auf Entschädigung klagen und zwar auch stellvertretend für alle anderen Betroffenen.

Es gibt in meinem Umfeld sehr viele Menschen, die genau so von diesen Tätigkeitsverboten betroffen sind, die es ihnen unmöglich machen, Einkünfte zu erwirtschaften, und die teilweise noch größer als ich in Existenznot geraten sind. Ich habe ja noch das Glück, auf Rücklagen zurückgreifen zu können. Wobei im Moment die Situation auch für mich wirklich existenzbedrohend ist.

Nehmen wir an, Konzerte hätten nach Ausbruch der Pandemie weiterhin stattfinden können. Hätten Sie diese veranstaltet?

Das ist eine sehr hypothetische Frage. Tatsächlich können wir das Virus nicht wegleugnen. Das ist ja Quatsch. Es gibt es und es ist gefährlich. Leute sterben daran, kommen auf die Intensivstation, haben Langzeitfolgen und so weiter. Das heißt, die Bekämpfung der Pandemie ist absolut richtig und sinnvoll. Die Ausgestaltung ist eine andere Frage. Da kann man darüber streiten, wie man das genau ausgestaltet.

Aber wenn man ein Sonderopfer bringt, müssen die Betroffenen dafür entschädigt werden. Es ist ja nicht nur eine wirtschaftliche Frage, sondern auch eine Frage, wie man Kulturveranstaltung den Leuten zugänglich macht. Was das mit den Leuten macht, wenn Konzerte wegfallen, kann man ja in den Berliner Parks sehen. Da sind wilde Partys mit zwei, drei oder fünftausend Menschen. Da ist es doch besser, ein Konzert zu ermöglichen, wo die Leute auch Begeisterung zeigen und mental abgeholt werden und Befriedigung erfahren, Glück erfahren.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Efthymis Angeloudis, rbb|24.

31 Kommentare

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  1. 30.

    Wenn man nicht betroffen ist,kann man natürlich solche Kommentare ablassen. Absolut unterirdisch.

    @Elisabeth
    "Selbstständigkeit ist immer eine Grundsatzentscheidung, die immer auch ein Scheitern beinhaltet - auch ohne Corona."
    Unternehmerisches Risiko mit einem Arbeitsverbot durch den Staat zu vergleichen,ist lächerlich.

    Er wird in seiner unternehmerisches Freiheit eingeschränkt und hat dafür entschädigt zu werden. Gut,dass er klagt.

  2. 29.

    Ist schon interessant, das hier vor allem Frauen wie Elisabeth Hannah und Eve jegliche Empathie und Solidarität vermissen lassen, weil es wahrscheinlich ein Mann ist.
    Dass sich hart arbeitende Leute, die alleine für ihr Alter vorsorgen müssen mit Berufsverbot belegt werden und keine Unterstützung erhalten, ist eigentlich ein Skandal.
    Es wird immer Solidarität und weniger Egoismus eingefordert, wenn es aber ums Geld geht ist auch jeder Corona jünger und lockdown Fanatiker sich selbst der Nächste, schämt euch.

  3. 28.

    Genau so sehe ich das auch. Anstatt nach Alternativen zu schauen wird gemeckert und gejammert. Viele Menschen haben sich während der Pandemie anderweitig umgeschaut und sind so über die Runden gekommen. Aber nein, er stemmt sich bockig dagegen und klagt erst einmal auf sein Hartz IV.

    Dass Herr Rau von „Sonderopfern“ die er erbringen musste regt mich allerdings ganz schön auf. Wir alle mussten Opfer erbringen. Wir sind auch noch nicht damit fertig. Ich habe keine Kohle oder irgendeine Unterstützung dafür bekommen. Warum sollte ausgerechnet er eine Belohnung bekommen? Die Stunde den Menschen, die sich tagtäglich in den Krankenhäusern in Gefahr bringen viel eher zu als jemandem, der keine Konzerte mehr organisieren kann. Hier fehlt es eindeutig an Verhältnismäßigkeit und Herrn Rau würde es gut tun, mal zu realisieren, wie verdammt gut es ihm doch geht. Armer reicher Mensch.

  4. 27.

    Leider fallen immer Leute durch's Raster bei so breit angelegten Hilfsprogrammen. Aber in dem Fall wurden die anderen Hilfen gar nicht erwähnt, was ich merkwürdig finde. Bei mir lag jeweils etwa eine Woche zwischen Antrag und Überweisung, also schnell und unbürokratisch. Diese Hilfen hätte er meiner Meinung nach trotz seiner 60tausend+-Rücklagen bekommen können.

  5. 26.

    Da kann man sich nur mal wieder bei Gerhard Schröder herzlich bedanken, der die Vermögenssteuer abgeschafft und diesen Schwachsinn eingeführt hat - bald sind wieder Neuwahlen und jeder Kanzler der mit Sch... anfängt....

  6. 24.

    Er wurde vor die Tatsache gestellt, dass er -diese- Arbeit nicht mehr machen darf und kann. Weil..... Es wäre ein guter Schachzug gewesen wenn das Jobcenter sofort einige andere Angebote gemacht hätte-für eine zeitweilige andere Tätigkeit. Auf so etwas sollten sich in Zukunft Behörden vorbereiten.

  7. 23.

    Sehr geehrter Herr Nilson
    Leider gibt es noch genügend, die haben von diesen sog. „Hilfen“ immernoch nichts gesehen.
    MfG

  8. 22.

    Falsch. Er ist ja nicht wirklich arbeitslos, sondern ihm wurde von der Regierung verboten zu arbeiten. Von daher ist eine Entschädigung fällig. Kein H4, keine "Hilfen" - sondern eine Entschädigung.

  9. 21.

    Endlich mal ein gut durchdachter, sachlicher Beitrag. Danke.
    Ja, ALG II ist Steuer-finanziert und wird an Bedürftige ausgezahlt. Wer nicht bedürftig, sondern vermögend ist, kann für seinen Lebensunterhalt selbst aufkommen. Selbständig tätige Menschen sind hier aufgefordert, on guten Zeiten, für schwierige Zeiten vorzusorgen, nicht nur für die Rente. Wenn ein Selbständiger , freiwillig Beiträge in die Arbeitslosenversicherung zahlt, kann er im Fall der Arbeitslosigkeit, ALG I beantragen / erhalten.
    Auch ein Selbständiger kann und sollte , wenn es die Umstände erforderlich machen (z.B. während der Covid -19 Pandemie) , den Lebensunterhalt durch andere , als die bisherige Arbeit bestreiten. Jammern hilft nicht.
    Diese Pandemie kostet den Staat sehr viel Geld. Ein Kassensturz wurde bisher nicht gemacht. Und, wir leben noch in der Pandemie. Hier wird der Steuerzahler noch kräftig zur Kasse gebeten. Wir Alle müssen diese Rechnung bezahlen. Unverschuldet.
    Sollen wir uns dann selbst verklagen ?

  10. 20.

    Sehr geehrte Eve,
    ich verstehe Ihren Sinn nicht. Heißt es nicht immer, man solle für das Rentenalter vorsorgen? Davon hört und liest man ja ständig. Jetzt soll der Her Rau alles aufbrauchen. Wenn er im Rentenalter ist und sich in den verdienten Ruhestand setzen möchte geht es nicht wegen der fehlenden Vorsorge. Dann wird gefragt warum er nicht vorgesorgt hat.
    MfG

  11. 18.

    Es gab ja noch November- & Dezemberhilfe sowie Neustarthilfe & Neustarhilfe+, das dürfte unabhängig von der den Altersrücklagen sein und ist auch für Lebenshaltungskosten verwendbar. Und die vereinfachte Beantragung von Grundsicherung war auf jeden Fall schon ab Juni 2020 möglich.

  12. 17.

    Genauso sehe ich dass auch. Wenn er noch genügend Geld hat und ihm Hartz IV verweigert wird und auch soviel hat, dass er mehrere Bundesländer verklagen kann, finde ich es blanker Hohn was von ihm kommt.
    Er ist schließlich alleine und hat keine Kinder und Kegel zu versorgen. Obendrein muss jeder Arbeitnehmer/in der in Hartz IV rutscht, erstmal seinen Notgroschen,(was eher als Reparatur oder Neuanschaffung von wichtigen Haushaltsgeräten gedacht ist), aufbrauchen bevor ihm/ Ihr Sozialhilfe in irgendeiner Form zusteht.

  13. 16.

    Dann hoffe ich für Sie, dass Sie nie in eine Situation kommen, in der Sie auf das Mitgefühl bzw. die Empathie anderer Menschen angewiesen sind.
    Ihr Statement ist sehr gefühlskalt.
    Bemühen auch Sie eigentlich im Zusammenhang mit dem Impfen den Solidaritätsbegriff?

  14. 15.

    Na wenn bis jetzt kein Urteil gegen die Ablehnung gefällt wurde, kann selbst das Sozialgericht keine Eilbedürftigkeit sehen. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen, eine Vermögensprüfung wird erst ab 60.000€ vorgenommen! Alles darunter wird in Coronazeiten ignoriert....

    Und warum konnte er denn nicht irgendwo anders arbeiten gehen? In unserer lieblings Gin Bar hat die Mitinhaberin bei Edeka Regale eingeräumt um die laufenden Fixkosten zu decken. Ihr war das nichts mit ALG II beantragen....

    Wo ein Wille ist :)

  15. 14.

    Die Bezeichnung "Berufsverbot" hört und liest man zuweilen immer wieder. Das im Zusammenhang mit der Pandemie zu benützen, halte ich für Polemik und unangebracht. Die Länder zu verklagen, hat er sich angeschaut. Und weil wir Steuerzahler an der Pandemie schuld sind, findet sich auch manch Richter, der den Klägern "im Namen des Steuerzahlers" Recht gibt.

  16. 13.

    Eine interessante Ansicht. Wie ist das mit Arbeitnehmern die sich durch ihre Arbeit auch vorher einen gewissen Lebensstandard erarbeitet haben und dann in Hartz4 rutschen ? Haben die auch ein Anrecht auf den Vorherigen Lebensstandard? Wohl nicht. ImGegenteil die müssen jede Arbeit annehmen auch wenn ihr Lebensstandard dadurch sinkt.

  17. 12.

    Ganz nahe liegende Schlussfolgerung: Am 26. so wählen, dass der gesamte Veranstaltungsbereich wieder arbeiten kann!

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