Interview | Berliner Projektleiter klagt gegen Bundesländer - "Die Situation ist für mich existenzbedrohend"
Dany Rau, ein Berliner Projekt- und Produktionsleiter von Konzerten, hat seit mehr als 18 Monaten so gut wie kein Einkommen. Hilfen vom Bund und auch ALG II werden ihm versagt. Nun verklagt er die Bundesländer auf Entschädigung.
Seit achtzehn Monaten so gut wie gar kein Einkommen. Dany Rau lebt seitdem von der Altersvorsorge, weil das Jobcenter das Geld für die Rente als zu hohes Vermögen wertet: Dem Berliner Projekt- und Produktionsleiter im Veranstaltungsbereich reicht es. Er hat zwölf Bundesländer auf Entschädigung verklagt, in denen er nachweislich im Jahr 2020 Aufträge gehabt hätte. Am Dienstag startet vor dem Landgericht Berlin das Verfahren.
rbb|24: Herr Rau, wie war das für Sie, 18 Monate lang nicht zu arbeiten?
Dany Rau: Nicht gut. Tatsächlich muss ich sagen, dass ich ein bisschen gearbeitet habe dieses Jahr. Ich habe ein paar Konzerte betreuen dürfen, was gut war. Natürlich vor allem finanziell, aber auch fürs Gemüt.
Wie viele Konzerte und Veranstaltungen haben Sie 2019 betreut? Und wie viele seit Ausbruch der Pandemie?
Also 2019 müsste ich das jetzt mal nachschlagen, aber es waren bestimmt 70. Vielleicht sogar mehr. Ich betreue ja auch nicht nur die Durchführung, sondern auch die Vorbereitung. Das heißt, es ergibt eine relativ große Anzahl an Arbeitstagen und das bedeutet auch eine entsprechende Vergütung. In den letzten 18 Monaten waren es zwölf, und das ist natürlich ein eklatanter Unterschied.
Was fehlt Ihnen an der Arbeit besonders?
Was mir fehlt, vor allem wenn es um Konzerte geht, ist der Thrill. Wenn es auf die Bühne geht und das Konzert beginnt und man schaut in glückliche Gesichter. Egal, ob es jetzt die Künstler, das Publikum oder die Crew ist. Auch nach 39 Jahren kriege ich da Gänsehaut. Und dann fehlt mir natürlich die Begegnung mit meinen Kollegen, die Zusammenarbeit mit meinen Kollegen und auch mit den Künstlern, die ja für mich deutlich vor den Veranstaltungen anfängt. Und das fehlt mir. Das fehlt mir sogar sehr.
Würden Sie sagen, Sie durften nicht oder Sie konnten nicht arbeiten?
Fakt ist, dass es natürlich starke Einschränkungen gegeben hat durch die Corona-Verordnung. Das heißt, man durfte die Arbeit nicht machen. Das war also für uns auf jeden Fall eine Art Berufsverbot. In der Corona-Verordnung beziehungsweise im Infektionsschutzgesetz spricht man da von Tätigkeitsverboten.
Man kann mittlerweile teilweise Veranstaltungen machen. Die sind aber für die Veranstalter nicht wirtschaftlich. Das heißt, dass die Bezahlung vielleicht nicht so gut ist, weil durch die Hygiene-Konzepte nicht so viele Menschen zu einer Veranstaltung kommen dürfen und entsprechend der Umsatz nicht so groß ist. Trotzdem sind die Ausgaben höher, weil die Umsetzung der Hygiene-Konzepte Kosten mit sich bringt.
Wie viel hat man vor Corona und wie viel jetzt mit so einem Konzert verdient?
Da müssen sie einen Veranstalter fragen, der sich letztendlich mit den genauen Kalkulationen beschäftigt. Meine Aufgabe ist eher die Umsetzung. Ich hatte zum Beispiel eine Veranstaltung in der Corona-Zeit auf einem Gelände, wo üblicherweise 10.000 Leute draufgegangen wären. Diesmal waren es vielleicht 1.500. Da kann man sich die Dimension vorstellen, was das für Verluste bedeutet. Und dann kommt noch dazu, dass man zusätzlichen Aufwand hat. Man braucht zum Beispiel zusätzliche Security-Kräfte, um bei einem Konzert bestimmte Abstandsregeln zu wahren.
Sie haben als Selbstständiger Corona-Hilfen beantragt, mussten diese aber zurückzahlen. Fühlen Sie sich, als ob Sie durchs Raster gefallen sind?
Ich bin auf jeden Fall durchs Raster gefallen. Das fing schon damit an, dass die Corona-Hilfen für Selbstständige nur für die laufenden fixen Betriebskosten beantragt werden konnten. Da waren zum Beispiel sowas wie Krankenversicherung oder natürlich die Bereitstellung meiner Arbeitskraft gar nicht vorgesehen. Im Prinzip waren die Betriebskosten nur für so etwas wie ein Büro oder Internet, Telefonkosten bestimmt. Dabei waren die Antragsbedingungen erst gar nicht so gewesen. Es wurde suggeriert, dass man die Hilfen auch für Lebenshaltungskosten verwenden könne. Das wurde dann quasi nachträglich geändert.
Und dann wurde gesagt, für die Lebenshaltungskosten könne man ALG II im vereinfachten Verfahren beantragen. Mal davon abgesehen, dass das vereinfachte Verfahren ja erst im Oktober 2020 eingeführt wurde.
Haben Sie ALG II beantragt?
Ich habe es beantragt, und es wurde abgelehnt. Ich sei zu vermögend. Ich habe im Prinzip das gemacht, was man von jedem Selbstständigen erwartet, nämlich fürs Alter vorgesorgt und damit Rücklagen gebildet. Und die Rücklagen wurden nicht als Altersvorsorge anerkannt, sondern es wurde gesagt, ich sei reich, wortwörtlich.
Und das ist einfach keine Art, wie man mit Menschen umgeht. Schon gar nicht mit Menschen, die einfach in Not sind. Und zwar auf unverschuldete Weise. Da hab ich dann auch Klage beim Sozialgericht in Berlin eingereicht. Da steht ein Urteil noch aus.
Sie haben ja noch eine andere Klage gegen die Bundesländer laufen - auf Entschädigung. Warum haben Sie sich zu diesem Schritt entschlossen?
Der Verband, in dem ich aktives Mitglied bin, der Interessensgemeinschaft der selbständigen DienstleisterInnen in der Veranstaltungswirtschaft (ISDV), hat einen Entschädigungsantrag bereitgestellt. Ich habe mich entschlossen, diesen Antrag zu stellen, für alle entgangenen Vergütungen, die ich 2020 hätte erwirtschaften können, erst mal auf meinem Betriebssitz in Berlin. Der wurde von der Senatsverwaltung für Finanzen abgelehnt.
Mit dem ablehnenden Bescheid bin ich dann zu dem Anwalt gegangen, der zusammen mit der ISDV diesen Antrag entworfen hatte, und habe ihn gefragt, wie man dagegen vorgehen kann. Nach vielen Gesprächen und Überlegungen haben wir uns entschieden, dass wir diesen Weg weitergehen, auf Entschädigung klagen und zwar auch stellvertretend für alle anderen Betroffenen.
Es gibt in meinem Umfeld sehr viele Menschen, die genau so von diesen Tätigkeitsverboten betroffen sind, die es ihnen unmöglich machen, Einkünfte zu erwirtschaften, und die teilweise noch größer als ich in Existenznot geraten sind. Ich habe ja noch das Glück, auf Rücklagen zurückgreifen zu können. Wobei im Moment die Situation auch für mich wirklich existenzbedrohend ist.
Nehmen wir an, Konzerte hätten nach Ausbruch der Pandemie weiterhin stattfinden können. Hätten Sie diese veranstaltet?
Das ist eine sehr hypothetische Frage. Tatsächlich können wir das Virus nicht wegleugnen. Das ist ja Quatsch. Es gibt es und es ist gefährlich. Leute sterben daran, kommen auf die Intensivstation, haben Langzeitfolgen und so weiter. Das heißt, die Bekämpfung der Pandemie ist absolut richtig und sinnvoll. Die Ausgestaltung ist eine andere Frage. Da kann man darüber streiten, wie man das genau ausgestaltet.
Aber wenn man ein Sonderopfer bringt, müssen die Betroffenen dafür entschädigt werden. Es ist ja nicht nur eine wirtschaftliche Frage, sondern auch eine Frage, wie man Kulturveranstaltung den Leuten zugänglich macht. Was das mit den Leuten macht, wenn Konzerte wegfallen, kann man ja in den Berliner Parks sehen. Da sind wilde Partys mit zwei, drei oder fünftausend Menschen. Da ist es doch besser, ein Konzert zu ermöglichen, wo die Leute auch Begeisterung zeigen und mental abgeholt werden und Befriedigung erfahren, Glück erfahren.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Efthymis Angeloudis, rbb|24.