Streik bei Vivantes und Charité - Verdi will 1.200 Betten durch Streik sperren

Die Gewerkschaft Verdi verschärft den unbefristeten Streik an den Berliner Kliniken Vivantes und Charité: Ganze Stationen sollen am sechsten Streiktag vorübergehend stillgelegt werden.
Der unbefristete Streik bei der Charité, bei Vivantes und bei deren Tochtergesellschaften wird ausgeweitet. "Ab Dienstag werden jeweils über 1.000 Beschäftigte die Arbeit niederlegen, um für Entlastung und faire Bezahlung Druck zu machen", teilte die Gewerkschafterin Meike Jäger mit. Demnach sollen auch ganze Stationen zur vorübergehenden Schließung angemeldet werden. Es sei geplant, die Zahl der gesperrten Betten von 900 auf 1.200 zu erhöhen. Zudem ist am Nachmittag eine Demonstration vom Bettenhaus der Charité zum Roten Rathaus geplant.
Vivantes will vorerst kein weiteres Angebot vorlegen
Vivantes will zunächst kein neues Angebot für die bestreikten Tochtergesellschaften vorlegen. Das landeseigene Unternehmen forderte die Gewerkschaft Verdi auf, die Streiks auszusetzen. Das in der vergangenen Woche vorgelegte Angebot enthalte weitreichende Verbesserungen, sagte die Personal-Geschäftsführerin Dorothea Schmidt. Vivantes stelle damit eine schrittweise Angleichung an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes TVÖD in Aussicht, zunächst mit einer 39-Stunden-Woche, 30 Tagen Urlaub und Zulagen.
Verdi-Verhandlungsführer Kristof Becker sagte allerdings, dass es nicht akzeptal sei, dass die in Aussicht gestellte Angleichung erst im Jahr 2028 abgeschlossen sein soll. Die Gewerkschaft fordert die Angleichung bis 2023 und sei bereit, umgehend darüber zu verhandeln – der Streik werde aber nur ausgesetzt, wenn es ein gutes Angebot gebe.
Patientenversorgung laut Vivantes stark betroffen
Die Notfall- und Patientenversorgung sei auch in dieser Woche durch den Streik nicht gefährdet, betonte Gewerkschafterin Jäger. Wo immer Notfälle oder auf den Stationen befindliche Patientinnen und Patienten nicht anders versorgt werden könnten, seien Streikende bereit, ihre Arbeit vorübergehend wiederaufzunehmen.
Die Vivantes-Geschäftsführung widersprach, der Streik habe erhebliche Auswirkungen auf die Patientenversorgung. "Allein in den vergangenen Tagen mussten mehr als 700 Betten gesperrt werden", heißt es in einer Mitteilung von Montag. "Je nach Klinikstandort konnten nur 25 bis 50 Prozent aller Operationen stattfinden, zahlreiche Eingriffe, darunter auch Tumoroperationen mussten verschoben werden."
Johannes Danckert, kommissarischer Vorsitzender der Geschäftsführung, sagte, Vivantes sei über das Ausmaß und die absehbaren Folgen des Streiks sehr besorgt. "Unsere Standorte mussten sich bereits mehrfach von der Versorgung abmelden und die Feuerwehr bitten, einige unserer Rettungsstellen vorübergehend nicht mehr anzufahren." In Spandau seien Rettungsdienste gebeten worden, neurologische Akutpatienten mit lebensbedrohlichen Krankheitsbildern möglichst in andere Kliniken als zu Vivantes zu transportieren. Auch die Versorgung von Schlaganfall-Patienten sei nur eingeschränkt möglich.
Gewerkschaft nimmt Senat in die Pflicht
Von Verdi hieß es am Montag dazu: "Die Arbeitgeber hatten 120 Tage Zeit, konkrete Vorschläge zur Beilegung der Tarifkonflikte zu machen. Sie können von den Beschäftigten nicht erwarten, dass sie den Streik sofort unterbrechen, nur weil sie jetzt grundsätzlich verhandlungsbereit sind. Die Arbeitgeber sind am Zug."
Die stellvertretende Verdi-Landesbezirksleiterin Susanne Feldkötter appellierte erneut an den Berliner Senat, die landeseigenen Klinikbetreiber zu Tarifkompromissen zu bewegen: "Wir begrüßen den Vorstoß von Grünen und Linken, dass sich der Senat und vor allem auch der Finanzsenator stärker in den Tarifkonflikt einbringen müssen. […] Die Landespolitik muss die nötigen Rahmenbedingungen schaffen und Verantwortung für bessere Arbeitsbedingungen und eine gute Bezahlung in den landeseigenen Krankenhäusern und den Tochterunternehmen von Vivantes übernehmen."
Finanzsenator Kollatz lehnt Forderungen ab
Die Grünen und die Linke hatten Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) aufgefordert, sich stärker in den Tarifkonflikt bei den landeseigenen Kliniken einzumischen. Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch sagte dem rbb-Inforadio, dass die Umsetzung der Streikforderungen Geld koste. "Und die Klinikleitungen können keine Zusagen machen, wenn sie nicht wissen [...] von ihrem Eigentümer - und das ist nun mal das Land Berlin - dass sie refinanziert werden." Linken-Landesvorsitzende Katina Schubert forderte Kollatz in seiner Eigenschaft als Gesellschafter auf, die Geschäftsführung von Vivantes und den Charité-Vorstand zur Aufnahme von Verhandlungen anzuweisen.
Kollatz erteilte den Forderungen eine Absage. Die Geschäftsführung von Vivantes habe Verdi ein ernsthaftes Angebot unterbreitet, das von der Gewerkschaft abgelehnt worden sei. "Damit wird es von der Arbeitgeberseite auch keine Verhandlungen geben." Wo das Land unterstützen könne, habe es dies getan, insbesondere bei höheren Investitionen und der Aufstockung des Eigenkapitals des Klinikkonzerns.
Auch in Brandenburg will Verdi in den Arbeitskampf an Krankenhäusern einsteigen. In den drei psychiatrischen Asklepios-Kliniken des Landes sollen die Mitarbeiter ab nächster Woche Dienstag die Arbeit niederlegen. Verdi-Verhandlungsführer Ralf Franke sagte dem rbb am Montag, dass er auch unbefristete Streiks nicht ausschließe.
Sendung: Inforadio, 13.09.2021, 15:51 Uhr