Share Deals auf dem Wohnungsmarkt - Immobilienkonzerne haben in Berlin besonders oft die Grunderwerbssteuer umgangen

Di 26.10.21 | 19:58 Uhr
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Symbolbild: Rohbauten und fertige Neubauten stehen nahe der Spandauer Wasserstadtbrücke am Ufer der Havel. (Quelle: dpa/S. Stache)
Bild: dpa/S. Stache

Große Immobilienverkäufe werden oft mithilfe sogenannter Share Deals abgewickelt, ohne dass die Grunderwerbssteuer fällig wird. In Berlin sind in den letzten sechs Jahren bis zu 31 Prozent der Immobilien pro Jahr auf diese Art gekauft worden. Von Efthymis Angeloudis

Berlin weist einen hohen Anteil an Immobilien-Transaktionen auf, bei denen Wohnungen nur anteilig erworben werden, damit die Käufer die Zahlung der Grunderwerbsteuer umgehen können. Das geht aus einer Antwort des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) auf eine Frage des Berliner Bundestagsabgeordneten Pascal Meiser (Linke) hervor, die rbb|24 vorliegt. Zuerst hatte die Berliner Zeitung darüber berichtet.

Diese sogenannten "Share Deals" machten in den vergangenen sechs Jahren in Berlin bis zu 31 Prozent der Transaktionen aus, bundesweit waren es hingegen nur maximal 15 Prozent pro Jahr. Illegal ist diese Praktik nicht. Es handelt sich jedoch um ein Steuerschlupfloch, das ausgiebig genutzt wird.

90 Prozent der Immobilie – null Prozent Steuer

Die Grunderwerbsteuer wird beim Kauf von unbebauten oder bebauten Grundstücken fällig. Diese beträgt je nach Bundesland zwischen 3,5 und 6,5 Prozent des Kaufpreises einer Immobilie - in Berlin sind es sechs Prozent. Da bei einem Share Deal Immobilien in einem Unternehmen gebündelt und der Käufer Anteile an dem Unternehmen übernimmt, handelt es sich streng genommen nicht um einen Immobilienkauf - somit fällt die Grunderwerbsteuer weg. So reicht es, nur knapp 90 Prozent an einer Gesellschaft zu erwerben, um die Zahlung von Grunderwerbsteuer zu umgehen.

"Es darf nicht sein, dass beim Kauf eines kleinen Eigenheimes die Grunderwerbssteuer voll zuschlägt, während sich große Unternehmen mit Hilfe von Steuertricks vor der Zahlung dieser Steuer drücken", moniert Meiser. Seit Jahren gingen der öffentlichen Hand durch "Share Deals" Steuereinnahmen in Milliardenhöhe verloren, die an anderer Stelle dringend gebraucht würden.

100 Millionen Euro könnten Berlin dadurch verloren gehen

Laut Recherchen des Saarländischen Rundfunks (SR) gemeinsam mit Correktiv sind bei mehr als einem Drittel (34 Prozent) aller großen Wohnungstransaktionen (mehr als 800 Wohneinheiten pro Verkauf) zwischen 1999 und 2019 wegen Share-Deal-Konstruktionen keine Grunderwerbsteuern in die Staatskasse geflossen.

Wie hoch die Verluste für die öffentliche Hand sind, geht aus der Antwort der Bundesregierung an Meisers Frage nicht heraus. Eine offizielle Schätzung der Bundesregierung zu den Steuerausfällen durch Share Deals gibt es nicht. Das hessische Finanzministerium ging 2016 in einer eigenen Schätzung von Einnahmeverlusten für die öffentliche Hand von rund einer Milliarde Euro pro Jahr bezogen auf das gesamte Bundesgebiet aus [faz.de]. In Berlin könnten es laut einer Schätzung von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) aus dem Jahr 2019 etwa 100 Millionen Euro im Jahr sein [tagesspiegel.de].

Auch Vonovia profitiert von Share Deal

Dabei hat der Bundesrat am 7. Mai der Neuregelung der Grunderwerbsteuer zugestimmt, mit der Union und SPD den Schwellenwert für Share Deals von 95 auf 90 Prozent herabgesetzt und die Umgehung der Grunderwerbsteuer beim Immobilienkauf erschweren wollten. Tatsächlich ging zuletzt in Berlin der Anteil an Share Deals zurück. Doch verhindert werden, konnten sie damit nicht.

So belief sich der Anteil von Share Deals nach der Antwort auf Meisers Anfrage in Berlin 2015 noch auf 31 Prozent (Bund: 15 Prozent), 2016 auf 20 Prozent (Bund: 11 Prozent), 2017 auf 23 Prozent (Bund: 9 Prozent), 2018 auf 25 Prozent (Bund: 10 Prozent), 2019 auf 14 Prozent (Bund 9 Prozent) und zuletzt 2020 auf 7 Prozent (Bund: 8 Prozent).

Auch Vonovia nutzt die aktuelle Regelung zur Umgehung der Grunderwerbsteuer. Inzwischen hält der Bochumer Konzern 87,6 Prozent der Aktien des einstigen Konkurrenten Deutsche Wohnen, wie am Dienstag bekannt wurde. Vonovia bestätigte der rbb-Abendschau daraufhin, dass sie keine Grunderwerbssteuer für die Übernahme zahlen muss.

Share Deals heben kommunales Vorkaufsrecht aus

Doch Shared Deals umgehen nicht nur die Grunderwerbssteuer. "Neben dem Verlust von Steuereinnahmen unterminieren Share Deals das bezirkliche Vorkaufsrecht und damit ein wichtiges Instrument, um dem Ausverkauf Berlins entgegenzuwirken", erklärt Meiser.

Beim Kauf von Grundstücken steht dem Land Berlin ein Vorkaufsrecht zu. Bei einem Share Deal werden jedoch nicht Wohnungen oder Grundstücke veräußert, sondern Geschäftsanteile an einer Gesellschaft, die Inhaberin der Grundstücke ist. Die künftige Bundesregierung müsse nicht nur diese Steuerschlupflöcher durch eine konsequente Besteuerung von Immobiliendeals schließen. so Meiser. "Sie muss zugleich endlich dafür sorgen, dass Share Deals nicht länger zur Umgehung des kommunalen Vorkaufsrechts genutzt werden können, wie es auch das Land Berlin in seiner Bundesratsinitiative eingefordert hat."

40 Kommentare

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  1. 40.

    Sie haben so viele Fragen und keine Antworten? Fangen Sie doch einfach mit dem Grundsatz an, niemanden in der Argumentation zu beleidigen. Das könnte enorm wichtig sein, wenn man von anderen respektiert und geachtet werden will. Der Respekt vor anderen formt die Möglichkeit, niveauvoll zu diskutieren. Es ist immer ungut, andere der Blödheit zu bezichtigen, wenn man gerade von sich selbst Ähnliches preisgab.

  2. 38.

    Wenn Unkenntnis und unreflektierte Ablehnung aufeinandertreffen, dann entstehen Aussage wie die Ihre.

    Hinweis: Die gesetzlichen Vorgaben, die hier rechtlich möglicherweise legal, aber moralisch verkommen, ausgenutzt werden, sind auf Bundesebene zu ändern.

  3. 37.

    15 m2 pro Person müssen dann reichen - und Schluss.

  4. 36.

    Aber wenn es mit Art. 15 GG nicht klappt, bitte nicht traurig sein.

  5. 35.

    Sorry, aber Sie interpretieren hier die Wirkung der GrESt vollkommen falsch.

    Die GrundESt. führt eben nicht zu einer Reduktion der getätigten Transaktionen (Gewerblich/Privat).

    Der Immobilienmarkt eilt trotz in Berlin höchster GrESt von Rekord zu Rekord.

    Die GrESt hemmt nichts.

  6. 34.

    Alles wird teurer, noch nicht gehört?

    Dazu zählen u. a. Farben, andere Materialien und ja, Löhne und Gehälter.

    Gewünscht, geliefert...

  7. 33.

    Kann man so sehen, muss man aber nicht.

    Eigentum verpflichtet nämlich auch.

    Und das bedeutet Verantwortung.

    Und Verantwortung möchte nur eine Minderheit der Berliner übernehmen.

    Alles entwickelt sich...durch Evolution, eine Revolution wird nicht benötigt.

    Ich bin für das Eigentum und möchte nicht mit anderen teilen oder für andere verantwortlich sein.

    Das müssen Sie akzeptieren, auch wenn es Ihnen nicht passen wird.

  8. 32.

    Um es mit Loriot zu sagen: Ach?!
    Und so fügt sich ein Puzzleteil zum nächsten. Derweil erzählen die großen Immobilienapologeten das ewige Märchen, dass nur Bauen die Probleme am Wohnungsmarkt lösen wird und andere Ideen Teufelswerk seien. Ja warum nur? Das wird doch nicht etwa mit Dividenden und vollen Taschen zu tun haben?! Komisch, dass nirgendwo mehr sozialverträgliche Mietwohnungen in deren Portfolio zu finden sind.

    DW&Co enteignen und Schluss.

  9. 31.

    Ist doch letztendlich egal wer da was durchgehen lassen hat,oder die Gesetzeslage umgehen konnte.Schlampetei ist Schlamperei .Ich habe jedenfalls die Grunderwerbssteuer gezahlt,weil es so vorgeschrieben war oder ist.Also.....Wie oder Wer kann da betrügen.Das ist doch hier die Frage.Wo ist da der Unsinn?????

  10. 30.

    Nachtrag: Ich meine natürlich nicht die Grundsteuer, sondern die Grunderwerbsteuer.

  11. 29.

    Entschuldigung, ich muß da widersprechen lieber RBB.

    Die Konzerne haben die Grunderwerbssteuer nicht umgangen.
    Sie haben nur eine legale Möglichkeit genutzt, die Grunderwerbststeuer nicht zu zahlen.

    Und daß sie diese Möglichkeit (übrigens immer noch !) haben, liegt am Gesetzgeber: Dem Bundestag.
    Das Problem ist seit Jahren bekannt und könnte ganz einfach beseitigt werden. Allein es fehlt der politische Wille.
    Also bitte nicht die Konzerne dafür verantwortlich machen.

  12. 28.

    Warum sollen Politiker bezüglich der aktuellen Gesetzeslage etwas ändern. Dann fallen attraktive Jobs für abgewählt Politiker weg. Wenn Geld in der Staarskasse fehlt, holt man es sich eben bei den Normalverdienern. Das sind sehr viele und Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist.

  13. 27.

    "Wir hatten damals beide Arbeit und sofort nach 1990 Bausparvertrag gehabt. Auf vieles verzichtet". Auf was soll die Lidlkassierein denn verzichetn, auf Essen, Strom oder Wasser?


    "Die Mieten waren damals noch erträglich; man konnte sparen." Die cDU und FDP haben halt ganze "Arbeit" geleistet!

    "Zinsbindung bei der Bank waren mind. 5 Jahre. Die Zinsen waren damals über 7% ! Schnellstens da raus: Dann mit Zins-u. Tilgungsplan optimiert".

    Schon damals hätten prekär Beschäftigte keinen Kredit bekommen.


    "Es ging gut. Heute müßte ich Beamter sein das zu wagen". Tja, sie stimmen mir also zu.

  14. 26.

    Nun Grunderwerbssteuer und Grundsteuer sind erstmal zwei verschiedene Sachen. Die Grundsteuer kann auch ein mittel gegen Spekulation sein, wenn man brachliegende Grundstücke doppelt und dreifach mit einer Grundsteuer belegt. Die Grunderwerbssteuer hingegen schröpft nur private Menschen, die nach jahrelangen leben in einem Wohnklo mal in ein menschenwürdiges Objekt ziehen wollen.
    Bei dem "zugunsten der Allgemeinheit " möchte ich auch ganz klar wiedersprechen, die Kohle wird doch meistens für irgendwelche Projekte verbraten wo sich die üblichen Verdächtigen wieder die eigenden Taschen voll stopfen. Staatsoper Unter den Linden/ Goldene Uhr der Charité / ZOB, ich hab von den ganzen Quatsch jedenfalls nix.

  15. 25.

    Rainer:
    "Wie kann denn so was passieren.Da waren die verantwortlichen Behörden sicherlich abgelenkt,mit Kaffeepause.Wen wundert das noch.In Berlin geht das Es wird sich auch nichts ändern,versprochen."

    Wenn Sie vor dem Schreiben Ihres Kommentares den Artikel gelesen hätten, dann wüssten Sie, dass Sie Unsinn schreiben, denn diese Gesetzgebungskompetenz liegt nicht bei den Ländern, sondern beim Bund. Das Land Berlin kann da gar nichts machen!

  16. 24.

    Rainer Hohn:
    "In Zeiten von Wohnraummangel wird es Zeit die Grunderwerbssteuer abzuschaffen. Ist mir eh ein Rätsel wie man diese Steuer rechtfertigt."

    In Zeiten überproprtional steigender Mieten ist die Grundsteuer wichtig denn je, weil sie die (miet)preistreibende Spekulation bremst und einen Teil der überhöhten Spekulationsgewinne zugunsten der Allgemeinheit abschöpft.

  17. 23.

    Wir hatten damals beide Arbeit und sofort nach 1990 Bausparvertrag gehabt. Auf vieles verzichtet. Die Mieten waren damals noch erträglich; man konnte sparen. Zinsbindung bei der Bank waren mind. 5 Jahre. Die Zinsen waren damals über 7% ! Schnellstens da raus: Dann mit Zins-u. Tilgungsplan optimiert. Es ging gut. Heute müßte ich Beamter sein das zu wagen.

  18. 22.

    Wie kann denn so was passieren.Da waren die verantwortlichen Behörden sicherlich abgelenkt,mit Kaffeepause.Wen wundert das noch.In Berlin geht das Es wird sich auch nichts ändern,versprochen.

  19. 21.

    Als wir unsere ETW erwarben haben wir treu und brav die Grunderwerbssteuer gezahlt.

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