Unzulässige Arbeitsbedingungen - Wie Minijobber ausgenutzt werden - und welche Rechte sie haben

45.000 Menschen in Brandenburg und 68.000 in Berlin arbeiten in sogenannten Minijobs, darunter auch viele Studierende. Sie sind meist auf das Geld angewiesen und damit auch oft bereit, unzulässige Klauseln in Arbeitsverträgen hinzunehmen. Von Ana Pecanic
Der Berliner David Rothe möchte sich neben dem Studium etwas dazuverdienen und sucht einen Nebenjob. Mit dem Roller Pizzas ausliefern, das hört sich für den Studenten gut an, auch die erste Probeschicht bei einem Liefer-Unternehmen verläuft gut und er bekommt einen Vertrag. Doch schon hat er erste Zweifel, denn im Vertrag findet er eine Stelle, in der es heißt: "35 Cent pro Tour an den Inhaber abgeben."
Pro Schicht kommen so etwa zehn Euro zusammen, die dem Studenten von seinem geringen Lohn abgezogen werden. Solche Abzüge sind generell unzulässig. Doch sie sind nur ein Beispiel dafür, wie Minijobber:innen systematisch benachteiligt werden.
"Es sind definitiv Abzocker-Praktiken"
In Brandenburg arbeiten rund 45.000 Menschen als Minijobber, in Berlin sind es fast 68.000. Der Unmut über die Arbeitsbedingungen ist groß. Das rbb-Verbrauchermagazin Super.Markt hat mit einigen Minijobber:innen aus der Region gesprochen, alle wollten nur anonym berichten. Ein Mitarbeiter eines Callcenters bekommt einen Stundenlohn von zehn Euro, aber nicht für jede gearbeitete Stunde, sagt er: "Es sind definitiv Abzocker-Praktiken, wenn man zwölf Stunden da war und man dann nur die acht Stunden bezahlt bekommen hat."
Ein Essensauslieferer berichtet Ähnliches. Er bekommt einen Stundenlohn von 9,20 Euro und muss, so sagt er, "pro Stunde einen Euro Strom-Pauschale für die E-Bikes abgeben. Das war schon ein sehr, sehr blödes Gefühl, nach dem Motto, man geht schon arbeiten, verdient aber nicht viel, weil man da noch extra Geld abgeben muss."
Juristische Hürden für Minijobber:innen
Eine Kellnerin mit einem Stundenlohn von zehn Euro erzählt: "Ich habe in einem Café gearbeitet und habe bis heute nicht das Urlaubsgeld ausgezahlt bekommen, was mir zusteht und das sind über 1.000 Euro. Ich habe mich natürlich ausgenutzt gefühlt."
Rechtlich sei in den meisten Fällen klar, dass Arbeitgeber die Minijobber:innen ausnutzen und ihnen mehr Geld zustehe, sagt Arbeitsrechtler Peter Meyer. Doch zu ihm kämen die Betroffenen nicht. "Minijobber sind bei uns überhaupt nicht vertreten, denn Minijobber sind, wenn Sie so wollen, ganz am Ende der Nahrungskette und trauen sich oft nicht, ihre Rechte geltend zu machen oder haben auch schlicht keine Energie für solche Streitigkeiten. Und dann lassen die Leute es einfach laufen."
Oder eine Klage ist unrentabel, denn anders als sonst im Zivilrecht, muss der Kläger seine Anwaltskosten auch dann tragen, wenn er gewonnen hat, wie Meyer sagt. "Dann habe ich hinterher gewonnen und kriege 500 Euro von dem Arbeitgeber, muss aber davon vielleicht 300 Euro an den Anwalt zahlen. Und dann ist es wirtschaftlich nicht mehr interessant."
Besonders ärgerlich: Abzüge vom Lohn
Der Anwalt begutachtete für Super.Markt einige der anonym geschilderten Fälle. Zum Fall der Kellnerin, die ihr Urlaubsgeld nicht erhalten hat, sagt er: "Urlaubsansprüche und Ansprüche auf Bezahlung von Überstunden haben die Minijobber genauso wie jeder andere Arbeitnehmer. Wenn der Urlaub nicht genommen wurde und das Arbeitsverhältnis zu Ende ist, dann hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Abgeltung." Auch, wenn man als Minijobberin erkrankt, hat man Anspruch auf Lohn. Und das, ohne die Stunden nachholen zu müssen.
Besonders ärgerlich für Minijobber, die meist zum Mindestlohn arbeiten, sind Abzüge vom Lohn - zum Beispiel in der Gastronomie. Eine Kellnerin berichtet, dass sie bei jeder Schicht drei Euro abgeben musste, "und zwar für Bruchglas. Also falls mir ein Glas kaputt geht. Ich habe über ein Jahr dort gearbeitet in dieser Bar und mir ist nie in ein Glas kaputtgegangen. Und das sind 350 Euro, die ich quasi dann dem Besitzer der Bar geschenkt habe." Und das bei einem Stundenlohn von 8,50 Euro.
Sendung: Super.Markt, 25.10.2021, 20:15 Uhr