Tierschutz in Brandenburg - Blutige Klauen und entzündete Beine im Schweinestall

Seit zwei Jahren wird das Landwirtschaftsministerium in Brandenburg von grünen Politikern geführt, noch länger gibt es einen Tierschutzplan. Doch die Kritik an der Haltung der Tiere lässt nicht nach. Was hat sich verändert? Von Amelie Ernst
Sauen, eingezwängt in Metallkäfigen, so eng, dass sich die Tiere nach der Geburt nicht um die frisch geborenen Ferkel kümmern können. Es sind blutige Klauen zu sehen, entzündete Beine, erstickte Ferkel. Die Bilder hat die Tierschutzorganisation Animal Rights Watch nach eigenen Angaben vor wenigen Tagen in einem Brandenburger Schweineaufzuchtbetrieb gedreht.
Tierschutz-Aktivistin Sandra Franz betont, das alles sei kein Einzelfall. "Das ist eine ganz normale Schweinezucht wie man sie in Deutschland findet. Die Sauen leben abwechselnd in körpergroßen Metallkäfigen und in Betonbuchten. Sie stehen immer in ihren eigenen Fäkalien und auf Spaltenböden. Sie sind einfach nur Gebärmaschinen, die Ferkel zur Welt bringen sollen."
Landesbauernverband: Landwirte brauchen finanzielle Unterstützung
Henrik Wendorff, der Präsident des Landesbauernverbandes, kennt solche Bilder. Doch Schuld seien nicht die Landwirte allein, sondern auch die Vorgaben und der allgemeine Preisdruck. "Ich würde von heute auf morgen den Hebel umlegen und alle Landwirte, die sich nicht an die schon sehr hohen derzeitigen Tierschutzvorgaben halten, stellenweise mit einem Berufsverbot belegen. Aber es geht auch um den Umbau einer gesamten Branche", sagt er.
Wendorff befürchtet, dass andere Länder billigeres Schweinefleisch liefern, wenn die Tierwohl-Standards in Deutschland erhöht werden. Und mehr Platz, damit sich die Schweine besser bewegen können, koste Geld. Die Fördergelder seien aber zu niedrig und die Auflagen zu hoch, so Wendorff. Zudem stünden sich Baurecht und Emissionsschutz gegenseitig im Weg, wenn man beispielsweise Schweinen "Außenklima", also frische Luft, ermöglichen wolle. "Beim Umbau unserer Ställe würden wir auch mehr Emissionen verursachen. Die sind klimaschädlich." Der Verbandspräsident wünscht sich daher beschleunigte Verfahren und mehr Geld für die Landwirte, die ihre Ställe tiergerechter machen wollen.
Landwirtschaftsministerium spricht derweil von "großen Erfolgen"
Bereits Ende 2017 hat das Brandenburger Landwirtschaftsministerium einen Tierschutzplan erarbeitet, als eines der ersten Bundesländer. Auf 182 Seiten steht seitdem geschrieben, wie man Nutztiere eigentlich halten sollte – auch von mehr Platz für Sauen ist dort die Rede, mit genauer Berechnung der Mehrkosten. Allerdings handelt es sich nur um Handlungsempfehlungen – an die sich niemand zwingend halten muss.
2019 wurde der Tierschutzplan überarbeitet; Tierhalter können sich inzwischen vom Land zur Verbesserung der Haltungsbedingungen beraten lassen. "Wir möchten natürlich, dass alle Tiere im Land tiergerecht gehalten werden", betont Silvia Bender, Staatssekretärin im inzwischen grün geführten Brandenburger Landwirtschaftsministerium. "Wir unterstützen das, indem wir verschiedene Fördermaßnahmen anbieten, beispielsweise, um Schweine auf Stroh zu halten." Und auch eine Richtlinie zur Weidetierhaltung sei in Arbeit. Vielen der 144 Handlungsempfehlungen sei das Ministerium schon nachgekommen, Schulungen hätten stattgefunden. Bender spricht von "großen Erfolgen".
Umweltverband enttäuscht vom Tierschutzbeauftragten
Das kann Axel Kruschat vom Umweltverband BUND nicht nachvollziehen. Fortbildungen und Beratungen seien gut, aber griffen längst nicht weit genug, so Kruschat. Kontrollen in den Ställen fänden viel zu selten statt – warum sonst brauche es erst Organisationen wie Animal Rights Watch, um drastische Zustände wie zuletzt in der Schweineaufzuchtstation aufzudecken.
Nach dem erfolgreichen Volksbegehren gegen die Massentierhaltung vor fünf Jahren habe nicht nur der BUND deutlich mehr erwartet – beispielsweise auch vom neuen Tierschutzbeauftragten. "Die Ergebnisse muss man als enttäuschend bezeichnen. Der Tierschutzbeauftragte zeigt eben nicht die Tendenzen und Probleme in der Tierhaltung auf, sondern er beschränkt sich darauf, Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben und Einzelfallberatung zu machen."
"In der Realität kommt nicht wirklich eine Änderung heraus"
Sieben Arbeitsgruppen aus Wissenschaft, Landwirtschaft und Gesellschaft begleiten die Umsetzung des Tierschutzplans, jede trifft sich mehrmals pro Jahr. Viel Zeit wurde schon investiert, hunderte Seiten Papier beschrieben. Doch im Ergebnis habe sich in den Ställen kaum etwas verändert, bilanzieren Umweltverbände.
Und auch Tierrechtsaktivistin Sandra Franz ist enttäuscht vom Tierschutzplan: "All diese Pläne, diese Kommissionen – was sie machen ist hauptsächlich Öffentlichkeitsarbeit. Es soll den Leuten suggeriert werden 'Ja, wir haben das Problem gesehen, wir packen das an'", sagte sie. "Aber in der Realität kommt da nicht wirklich eine Änderung heraus."
Im Brandenburger Landwirtschaftsministerium setzt man darauf, dass der Bund Gesetze nachbessert und Vorgaben verschärft. "Ich hoffe, dass die neue Bundesregierung dem gesellschaftlichen Wunsch nach besserer Tierhaltung nachkommt", so Staatssekretärin Silvia Bender. Die Einhaltung der Regeln kontrollieren muss dann allerdings das Land.
Sendung: Brandenburg Aktuell, 04.11.2021, 19:30 Uhr