Tarifverhandlungen der Länder - "Diese Verweigerungshaltung ist ziemlich ungewöhnlich"

In ganz Deutschland haben Beschäftigte des öffentlichen Dienstes gestreikt. Nun blicken alle gespannt nach Potsdam: Dort findet am Wochenende die letzte Runde der Länder-Tarifverhandlungen statt. Eine Annäherung scheint schwierig. Von Oliver Soos
Für den stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Polizeigewerkschaft GdP, René Klemmer, sind es die vierten Tarifverhandlungen, bei denen er mit am Tisch sitzt. Noch nie sei die Lage vor der finalen Verhandlungsrunde so ungewiss gewesen. "In den vorherigen Jahren hatten wir uns da schon über einzelne Themenpunkte geeinigt und auch schon was erreicht", sagt Klemmer, "dieses Mal saßen wir einfach nur da und haben über unsere Forderungen geredet. Dabei sahen wir bei den Arbeitgebern nur Kopfschütteln, das sei alles zu teuer. Diese Verweigerungshaltung, alles abzublocken, ist ziemlich ungewöhnlich."
Der GdP-Vize verhandelt für knapp 200.000 Polizisten. Davon sind nur gut 22.000 tarifbeschäftigt. Doch die Gewerkschaft fordert die Landesregierungen auf, den Tarifabschluss auch für die Polizeibeamten zu übernehmen.
Die Grundforderung, die die GdP zusammen mit Verdi, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) aufgestellt hat, sind fünf Prozent mehr Lohn und dabei mindestens 150 Euro mehr pro Monat, in der Pflege 300 Euro mehr, bei einem Jahr Laufzeit. "Die soziale Komponente, der Sockelbetrag von mindestens 150 Euro, ist für uns wichtig, weil wir bei der Polizei in vielen Bereichen die unteren Entgeltgruppen haben, zum Beispiel an der Pforte, in der Küche oder in der Werkstatt" sagt Klemmer, "wenn man 2.000 bis 2.500 Euro brutto verdient, sind fünf Prozent weniger als 150 Euro. Mit solchen Löhnen ist es nach Miete und Abzügen schwierig, sein Leben attraktiv zu gestalten." Klemmer verweist auch auf die steigenden Preise wegen der aktuell hohen Inflationsrate.
Löhne, die ein attraktives Leben schwierig machen
Der Verhandlungsführer der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU), bezeichnete die Forderungen der Gewerkschaften als illusorisch. "Wir sind in der Tat weit auseinander, was die Vorstellungen betrifft. Natürlich muss der öffentliche Dienst leistungs- und wettbewerbsfähig sein und an der allgemeinen Entwicklung partizipieren. Auf der anderen Seite stehen wir vor großen Herausforderungen, unsere Haushalte zu schließen, aufgrund der Mindereinnahmen, die wir durch die Pandemie zu verkraften haben", sagt Hilbers. Er spricht von einem "Spagat", den man hinkriegen müsse.
Insgesamt geht es um rund 1,1 Millionen Tarifbeschäftigte der Länder, Hessen ist ausgenommen. Die Tarifergebnisse sollen sich, nach dem Willen der Gewerkschaften, auch auf knapp 1,4 Millionen Beamte und rund eine Millionen Versorgungsempfänger auswirken. Typische Berufsgruppen, um die es geht, sind Krankenpfleger, Lehrer, Kita-Erzieherinnen oder Verwaltungsangestellte.
Harte, psychisch belastende Arbeit in der Straßenmeisterei
Patrick Pilat ist einer von denen, über deren Gehalt verhandelt wird. Er arbeitet beim Brandenburger Landesbetrieb Straßenwesen als Kolonnenführer und Personalrat. In seiner Straßenmeisterei Biesenthal (Landkreis Barnim) gibt es drei Kolonnenführer, die in der Entgeltgruppe 8 eingruppiert sind und etwa 2.800 bis 3.500 Euro brutto verdienen, und acht Straßenwarte in der Entgeltgruppe 5, die bis zu 3.100 Euro brutto verdienen.
Zu den Aufgaben der Straßenmeisterei gehört alles rund um die Straße, außer der Straßenbau selbt, zum Beispiel Bäume und Grünflächen pflegen, Schilder aufstellen und der Winterdienst. "Es ist eine harte und psychisch belastende Arbeit. Gerade wenn man mit Motorkettensägen oder Freischneidern arbeitet, ist man starkem Lärm und Vibrationen ausgesetzt. Wenn wir an Hängen arbeiten und uns da festhalten müssen, geht das irgendwann in die Knochen und auf den Körper. Hinzu kommt die Gefahr durch immer rücksichtslosere Autofahrer", sagt Pilat.
Vertreter der 33 Brandenburger Landes-Straßenmeistereien haben Ende Oktober gestreikt. Ihnen geht es nicht nur um die allgemeine prozentuale Lohnsteigerung. "Entgeltgruppe 5 gehört zu den unteren Eingruppierungen. Bei der neuen Autobahn GmbH des Bundes wird ein Straßenwärter in die Entgeltgruppe 6 eingruppiert. Das brauchen wir auch, denn sonst kann es irgendwann dazu führen, dass viele Mitarbeiter und Auszubildende nicht mehr zu uns kommen, sondern lieber zur Autobahn gehen", so Pilat. Bei den Tarifverhandlungen 2019 habe es Zusagen gegeben, die unterste Entgeltgruppe anzuheben. Davon sei aktuell allerdings nichts mehr zu hören. Deshalb würden die Gewerkschaften an dieser Stelle Druck machen wollen, so Pilat.
Umstrittene Neubewertung der Arbeit
Einer der größten Streitpunkte bei den Tarifverhandlungen ist der Plan der Arbeitgeber, die Arbeit neu zu bewerten. "Wir wollen gleichen Lohn für gleiche Arbeit, statt gleichen Lohn für alle", sagt Hilbers. Die TdL will zu einem früheren Modell zurück und die Arbeitsvorgänge in viele kleine Bewertungseinheiten zerlegen. Je mehr komplexe Anteile in einem Arbeitsvorgang enthalten sind, desto höher wird der Beschäftigte eingruppiert. Aber eben auch andersherum.
Was Hilbers als logisch und gerecht ansieht, ist für die Gewerkschaften ein rotes Tuch. GdP-Vize René Klemmer sieht gerade für die Polizei große Nachteile. "So wie es die Arbeitgeber vorhaben, würde das für viele Beschäftigte mindestens ein bis zwei Entgeltgruppen niedriger bedeuten. Denn es wird nicht mehr auf das Arbeitsergebnis abgezielt. Durch eine kleinteiligere Bewertung der einzelnen Tätigkeiten wird die Arbeit insgesamt abgewertet", sagt Klemmer. Die Gewerkschaften rechnen mit einem Verhandlungsergebnis am Sonntag oder Montag.
Sendung: Inforadio, 27.11.2021, 9:00 Uhr