EU beschränkt Tattoo-Farben - Ab jetzt ist Schwarz angesagt

Wer sich für ein Tattoo entscheidet, muss auf ein paar Farben verzichten: Ab Dienstag sind einige Pigmente verboten, die für zwei Drittel aller Tattoofarben notwendig sind. Für die Kundschaft führe das nicht unbedingt zu mehr Sicherheit, kritisiert die Branche. Von Jenny Barke und Mona Ruzicka
Das Tattoo-Portfolio von Maria Sterki ist eigentlich bunt. Ein grüner Frankenstein-Kopf, blaue Blumen und neon-bunte Gespenster sind auf Sterkis Instagram-Profil zu finden. In letzter Zeit kommen nur noch schwarz-weiße Motive dazu, denn zahlreiche Farbpigmente, die in gängigen Tattoo-Farben stecken, dürfen jetzt nicht mehr benutzt werden. Und deshalb müssen im Kreuzberger Studio "Nowhereland" Maria Sterki und andere Tätowierer:innen jetzt zahlreiche Farbfläschchen entsorgen.
Die europäische Reach-Verordnung verbietet ab dem 4. Januar etwa 4.000 Substanzen, darunter Farbpigmente oder Konservierungsstoffe, die in Tattoofarben gängig sind. Sie seien nicht ausreichend erforscht und könnten Allergien oder Krebs auslösen, so die EU-Chemikalienagentur Echa. Nach einer Schonfrist werden 2023 auch ein blaues und ein grünes Pigment verboten, die in zwei Dritteln aller Tattoofarben zu finden sind.
Abrutschen in die Illegalität?
"Bei mir ist ab Januar Schwarz angesagt", so Maria Sterki. Denn bislang entsprechen hauptsächlich schwarze, graue oder weiße Pigmente den neuen Verordnungen. Sterki kann sich so über Wasser halten, Ausfälle gibt es trotzdem.
Tätowierer:innen beklagen, dass sie nach mehreren Lockdowns jetzt wieder Termine für bunte Tattoos auf Ungewiss verschieben müssen. Einige fürchten auch, dass Tattoo-Fans zu unseriösen Angeboten greifen könnten, die trotz Verbots Farben tätowieren. Oder sich im Ausland unter die Nadel begeben und das Geschäft hierzulande leidet. Sterki sieht das genauso: "Was ich gerade sehe, ist dass es wieder zurück in die Illegalität rutscht, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass Kunden und Tätowierer alle mitziehen."
Toxisch oder nicht?
Dass die EU bestimmte Farbpigmente verbieten will, ist schon länger bekannt. Das Verbot kommt also nicht überraschend. Tätowierer:innen hatten trotzdem bis zuletzt gehofft, es abwenden zu können. Mehrere Petitionen mit zehntausenden Unterschriften wurden eingereicht, denn die Entscheidung ist umstritten.
Das Deutsche Bundesamt für Risikobewertung (BfR) bewertet die wissenschaftliche Datenlage zur Gefährdung durch die verbotenen Stoffe als unvollständig. Um die Sicherheit von Stoffen einzuschätzen, fehlen ebenfalls Daten. Wie gefährlich oder ungefährlich Tattoofarben sind, weiß also niemand so richtig. Die bisher verfügbaren Daten weisen laut BfR jedoch auf eine eher geringe Toxizität hin – und so sah das Bundesamt im Vergleich zur EU daher keinen Handlungsbedarf. Wie Farben genau im Körper wirken und sich möglicherweise verteilen, müsse noch erforscht werden.
Studien fehlen
Der Berliner Tätowierer Maurice Ghaedi hält die Verordnung grundsätzlich für ein Zeichen, dass die Tattoo-Branche von der EU ernst genommen wird. In Deutschland hat etwa jeder Fünfte ein Tattoo, bei den 20- bis 29-Jährigen ist es schon jeder zweite. Das geht aus einer repräsentativen Ipsos-Umfrage im Auftrag des Gesundheitsmagazins "Apotheken Umschau" aus dem Jahr 2019 hervor. Tendenz: steigend. Ghaedi begrüßt es, wenn Tattoos für seine Kund:innen sicherer werden. Doch auch er kritisiert, dass entsprechende Studien fehlen.
Einige Hersteller arbeiten jetzt mit Hochdruck an neuen Farbpigmenten. Für die fehlen dann aber Erfahrungswerte, deshalb sind Tätowierer:innen da skeptisch. "Ich kann dem Kunden nicht sicher sagen: Die Farbe ist sehr gut, ich nehm‘ die schon lange, in mehreren Jahren sieht das Tattoo noch genauso aus. Dann wird die Zeit zeigen wie gut oder schlecht die sind", sagt Stefan Köster vom Verband Deutsche organisierte Tätowierer.
Wann neue Farben auf den Markt kommen, ist noch unklar – viele hoffen, dass es schon im Laufe des Jahres 2022 so weit ist und wieder mehr bunt statt schwarz-weiß gestochen werden kann.
Sendung: Inforadio, 03.01.2022, 09:20 Uhr