Ankündigung der Verbraucherschutzministerin - Besserer Tierschutz bei Tiertransporten aus Brandenburg fraglich

Do 06.01.22 | 15:08 Uhr | Von Amelie Ernst
Vier Schweine strecken ihren Rüssel aus einem Tiertransporter (Quelle: dpa/Ronald_Wittek)
Audio: Inforadio | 06.01.2022 | Amelie Ernst | Bild: dpa/Ronald_Wittek

Für Nutz- und Schlachttiere ist Brandenburg Transitland - doch Touren bis nach Russland oder Tatarstan sind oft strapaziös für Rinder und Schweine. Brandenburgs grüne Verbraucherschutzministerin hatte Verbesserungen angekündigt – greifen diese? Von Amelie Ernst

An Vorgaben für lange Tiertransporte mangelt es nicht – auch nicht in Brandenburg. Die Transportzeiten seien beispielsweise klar geregelt, sagt Stephanie Koßmann, Referatsleiterin Tierschutz im Brandenburger Verbrauchschutzministerium. "Nach 29 Stunden Fahrzeit insgesamt ist eine 24-stündige Pause einzulegen."

Doch ob die Vorgaben tatsächlich eingehalten werden, können die Veterinärämter der sechs Brandenburger Landkreise, die derzeit Tiertransporte abfertigen, nicht im Detail kontrollieren. Stattdessen gibt es vorab eine Plausibilitätsprüfung, das heißt: Die Transportunternehmen müssen Route, erwartete Außentemperaturen und geplante Haltepunkte vorlegen.

Zwei weitere Veterinäre sollen helfen

Gemeint mit Haltepunkten sind sogenannte "Versorgungsstationen", an denen sich Rinder und Schweine auf dem Weg Richtung Russland ausruhen können. Theoretisch. Denn all das von hier aus einschätzen zu können sei schwierig, bestätigt Verbraucherschutzstaatssekretärin Anna Heyer-Stuffer. "Die Landkreise haben nicht die Möglichkeit, durch Inaugenscheinnahme oder eine Zertifizierung feststellen zu können, ob die Versorgungsstationen in den Drittstaaten den Tierschutzstandards entsprechen. Sondern sie müssen sich auf die Angaben der Transporteure oder teilweise auch auf Bilder verlassen."

Heyer-Stuffer verweist darauf, dass das zuständige Landesamt im August extra zwei weitere Veterinäre eingestellt hat, um Langstreckentransporte auf Plausibilität zu prüfen. Außerdem sei die Zahl der Transporte in Drittstaaten außerhalb der EU seit dem jüngsten Erlass vor knapp einem Jahr deutlich gesunken. Wurden 2020 noch über 14.000 Rinder von Brandenburg aus in Drittstaaten transportiert, waren es bis September 2021 nur rund 7.600.

Doch dass tatsächlich weniger Tiere auf lange, oft qualvolle Reisen geschickt würden, sei wohl ein Trugschluss, meint der Linken-Landtagsabgeordnete Andreas Büttner. "Auf der einen Seite ist das sehr positiv, wenn wir sehen, dass die Transporte in Drittstaaten abgenommen haben. Dafür haben allerdings die Transporte innerhalb der EU deutlich zugenommen." Wenn man nun die Tiere erst von Deutschland in ein EU-Land verschiebe, in dem weniger streng kontrolliert wird, um sie dann von dort aus weiter in ein Drittland zu transportieren, dann sei das ein Problem, so Büttner.

Die Landkreise haben nicht die Möglichkeit, durch Inaugenscheinnahme oder eine Zertifizierung feststellen zu können, ob die Versorgungsstationen in den Drittstaaten den Tierschutzstandards entsprechen.

Anna Heyer-Stuffer, Verbraucherschutzstaatssekretärin

Transporte von Lebendtieren sind billiger als von Fleisch

Viele Rinder würden am Zielort geschlachtet, sagt Referatsleiterin Stephanie Koßmann. Aber auch trächtige Kühe werden transportiert, um anderswo eine neue Herde aufzubauen. Ein Grund für die ingsesamt hohe Zahl der Exporttiere ist die enorme Milchproduktion hierzulande. Denn bevor eine Kuh Milch gibt, muss sie ein Kalb gebären – und das immer wieder. "So viel Reproduktion, wie die Betriebe haben, ist eben nicht erforderlich, um die Bestände zu ersetzen. Es ist also auch der Milchproduktion geschuldet, dass wir einen großen Überschuss an Tieren haben", so Koßmann.

Aber warum werden die Tiere dann nicht in Deutschland geschlachtet, sondern hunderte oder auch tausende Kilometer weiter ostwärts – fragt sich auch Linken-Politiker Andreas Büttner. Seine Vermutung: Es geht vor allem um den Profit. "Es geht offenbar darum, die Tiere im Ausland zu schlachten, weil die Transporte von lebenden Tieren billiger sind als der Transport von Fleisch in Kühlcontainern." Viele Schlachtbetriebe in Deutschland sind zudem ausgelastet, außerdem fehlen auch in Brandenburg Mitarbeitende in der Fleischwirtschaft.

Brüssel soll strengere Standards festsetzen

Das sei ein grundsätzliches Problem - trotzdem sei den hiesigen Kontrollbehörden kein Vorwurf zu machen, findet Roswitha Schier von der CDU. Sie habe selbst mit einem der Veterinäre, die die Abfertigung durchführten, gesprochen. "Ich möchte eine Lanze brechen für diejenigen, die eine gute Arbeit machen, die sich dem Tierwohl auch verschrieben haben und die sehr darauf achten, dass die Tiere auch wirklich ordentlich transportiert werden." Trotzdem müssten Versorgungsstationen auch außerhalb der EU zertifiziert und kontrolliert werden.

Zusammen mit anderen Bundesländern hat Brandenburg die Bundesregierung über den Bundesrat aufgefordert, sich in Brüssel für strengere Standards für Tiertransporte einzusetzen – bisher ohne Ergebnis. Den hiesigen Veterinärämtern bleibt vorerst nur die Kontrolle der bisherigen Standards – was hinter der Grenze passiert, bleibt nicht selten im Ungefähren.

Sendung: Inforadio, 06.01.2022, 09:26 Uhr

Beitrag von Amelie Ernst

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