Angriff auf Ukraine und Energiesicherheit - "Haushaltskunden haben höchste Priorität"

Deutschland und besonders Berlin-Brandenburg sind abhängig von Gas und Öl aus Russland. Doch auch wenn sich die Krise in der Ukraine weiter verschärfen sollte, schätzen Experten die Lage für Verbraucher als sicher ein. Von Anna Hanke
Rund die Hälfte des Erdgases, das in der Region verbraucht wird, kommt aus Russland – und Benzin, Diesel und Heizöl beziehen die Berliner und Brandenburger fast vollständig aus der Schwedter PCK-Raffinerie in Schwedt. Deren Rohöl stammt aus russischen Ölfeldern.
Die Versorgung mit Erdgas ist aber gesichert. Zum einen gibt es die Speichersysteme, neben Russland bezieht Deutschland auch noch Gas aus Norwegen und den Niederlanden. "Wenn es dazu kommt, dass man tatsächlich spürbar weniger Gas hat, dann ist eines sicher: Die Versorgung von Haushaltskunden. Die haben höchste Priorität", beruhigt der Pressesprecher der Energie Mark Brandenburg (EMB), Jochen-Christian Werner.
Die EMB versorgt im Westen Brandenburgs, zwischen Fürstenberg und Treuenbrietzen. 90.000 bis 95.000 Kunden mit Gas.
Stopp von Gaslieferungen "fernab jeder Realität"
Die Einschätzung teilt auch Michael Harms, der Geschäftsführer des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft. Wenn es zu einer Reduzierung käme, träfe es in erster Linie die energieintensiven Unternehmen. "Das Letzte, was man tun wird, ist die Haushalte abzuschalten." Er hält ohnehin einen Stopp von Gaslieferungen aus Russland für "fernab jeder Realität". Dazu ist Harms zufolge die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Deutschland und Russland zu groß.
Eine andere Frage sind die Gaspreise – die sind im vergangenen Jahr stetig angestiegen. Laut Werner vom Westbrandenburger Energieversorger EMB teilweise sogar um das Fünffache. Aber das Unternehmen muss das Werner zufolge nicht in der vollen Höhe auf die Kunden umlegen. "Für den Winter, für die aktuelle Heizperiode können wir sagen, wird der Preis stabil bleiben", sagt er. "Was danach passiert, das beobachten wir, und werden dann entsprechend reagieren müssen, wenn die Preise weiterhin auf dem Niveau sind."
Keine großen Auswirkungen durch Stopp von "Nord Stream 2"
Die Bundesregierung hatte am Dienstag die Ostseepipeline "Nord Stream 2" gestoppt. Sie sollte Gas aus Russland nach Deutschland liefern – das dann über die Eugal-Pipeline weitergeleitet werden sollte.
275 Kilometer von Eugal führen durch Brandenburg. Deren Betreiber Gascade, der zu 50 Prozent dem russischen Unternehmen Rosneft und zu 50 Prozent der BASF gehört, bedauert das Aus für die von Gazprom betriebene Ostseepipeline: "Es wäre schön gewesen, wenn wir Nordstream einbinden könnten. Aber Eugal funktioniert auch eigenständig, weil die Pipeline in ein weit verzweigtes Netz eingebunden ist", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme für den rbb.
Der Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, hält den Stopp von "Nord Stream 2" nach eigener Aussage für politisch notwendig. Auch wenn es rein wirtschaftlich betrachtet sinnvoll wäre, diese Gasquelle zu nutzen. Dennoch denke er, dass die unmittelbaren Auswirkungen nicht besonders hart sein würden, sagt Fuest weiter. "Bei 'Nord Stream 2' geht es ja um die Zukunft, also wie wird künftig die Gasversorgung sein."
Beim Öl gibt es Alternativen
Auch der Ölpreis ist in jüngster Zeit weiter gestiegen - und die Preise drohen weiter zu steigen, wenn die Ukraine-Krise weiter eskaliert, wie Fuest schätzt. In der Region spielt russisches Öl eine besonders große Rolle, schließlich bezieht die PCK-Raffinerie Schwedt ihr Rohöl über die Druschba-Pipeline aus Russland. Und erst am Mittwoch gab das Bundeskartellamt den Kauf von Anteilen der PCK-Raffinerie durch Rosneft frei. Damit hält der russische Staatskonzern fast 92 Prozent der Anteile der Raffinerie, ein Großteil der Benzinproduktion für die Region liegt also in den Händen Russlands.
Dennoch sieht Michael Harms vom Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft dort nach eigener Aussage keinen Grund zur Besorgnis. "Der Ölmarkt ist ein weltweiter Markt, ich glaube, das kann man auch substituieren", sagt Harms. "Das wäre jetzt kein schönes Szenario aber ich glaube, da kann man Alternativen finden."
Mehr Unabhängigkeit von Russland hat ihren Preis
Dem Wirtschaftsforscher Fuest macht die große Abhängigkeit von Russland Sorgen, wie er sagt. Langfristig sei klar, dass Deutschland mehr diversifizieren, im Bereich des Gases vielleicht mehr Flüssiggas verwenden müsse. Und das ist teurer: "Die Diversifizierung, die politische Unabhängigkeit von Russland hat einen gewissen Preis, und den zahlen hier die Verbraucher."
Sendung: Brandenburg aktuell, 23.02.2022, 19.30 Uhr
Die Kommentarfunktion wurde am 23.02.2022 um 19:30 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.