Angriff auf Ukraine und Energiesicherheit - "Haushaltskunden haben höchste Priorität"

Do 24.02.22 | 07:39 Uhr | Von Anna Hanke
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Symbolbild: Regelstation des Gasverteilnetzbetreibers NBB Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg, Mitarbeiter überprüft die Druckmessgeräte der Zu- und Weiterleitungen von Erdgas durch das Netz. (Quelle: Jochen Zick/Kystone/pa)
Video: Brandenburg aktuell | 23.02.2022 | Charlotte Gerling | Bild: Jochen Zick/Kystone/pa

Deutschland und besonders Berlin-Brandenburg sind abhängig von Gas und Öl aus Russland. Doch auch wenn sich die Krise in der Ukraine weiter verschärfen sollte, schätzen Experten die Lage für Verbraucher als sicher ein. Von Anna Hanke

Rund die Hälfte des Erdgases, das in der Region verbraucht wird, kommt aus Russland – und Benzin, Diesel und Heizöl beziehen die Berliner und Brandenburger fast vollständig aus der Schwedter PCK-Raffinerie in Schwedt. Deren Rohöl stammt aus russischen Ölfeldern.

Die Versorgung mit Erdgas ist aber gesichert. Zum einen gibt es die Speichersysteme, neben Russland bezieht Deutschland auch noch Gas aus Norwegen und den Niederlanden. "Wenn es dazu kommt, dass man tatsächlich spürbar weniger Gas hat, dann ist eines sicher: Die Versorgung von Haushaltskunden. Die haben höchste Priorität", beruhigt der Pressesprecher der Energie Mark Brandenburg (EMB), Jochen-Christian Werner.

Die EMB versorgt im Westen Brandenburgs, zwischen Fürstenberg und Treuenbrietzen. 90.000 bis 95.000 Kunden mit Gas.

Stopp von Gaslieferungen "fernab jeder Realität"

Die Einschätzung teilt auch Michael Harms, der Geschäftsführer des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft. Wenn es zu einer Reduzierung käme, träfe es in erster Linie die energieintensiven Unternehmen. "Das Letzte, was man tun wird, ist die Haushalte abzuschalten." Er hält ohnehin einen Stopp von Gaslieferungen aus Russland für "fernab jeder Realität". Dazu ist Harms zufolge die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Deutschland und Russland zu groß.

Eine andere Frage sind die Gaspreise – die sind im vergangenen Jahr stetig angestiegen. Laut Werner vom Westbrandenburger Energieversorger EMB teilweise sogar um das Fünffache. Aber das Unternehmen muss das Werner zufolge nicht in der vollen Höhe auf die Kunden umlegen. "Für den Winter, für die aktuelle Heizperiode können wir sagen, wird der Preis stabil bleiben", sagt er. "Was danach passiert, das beobachten wir, und werden dann entsprechend reagieren müssen, wenn die Preise weiterhin auf dem Niveau sind."

Keine großen Auswirkungen durch Stopp von "Nord Stream 2"

Die Bundesregierung hatte am Dienstag die Ostseepipeline "Nord Stream 2" gestoppt. Sie sollte Gas aus Russland nach Deutschland liefern – das dann über die Eugal-Pipeline weitergeleitet werden sollte.

275 Kilometer von Eugal führen durch Brandenburg. Deren Betreiber Gascade, der zu 50 Prozent dem russischen Unternehmen Rosneft und zu 50 Prozent der BASF gehört, bedauert das Aus für die von Gazprom betriebene Ostseepipeline: "Es wäre schön gewesen, wenn wir Nordstream einbinden könnten. Aber Eugal funktioniert auch eigenständig, weil die Pipeline in ein weit verzweigtes Netz eingebunden ist", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme für den rbb.

Der Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, hält den Stopp von "Nord Stream 2" nach eigener Aussage für politisch notwendig. Auch wenn es rein wirtschaftlich betrachtet sinnvoll wäre, diese Gasquelle zu nutzen. Dennoch denke er, dass die unmittelbaren Auswirkungen nicht besonders hart sein würden, sagt Fuest weiter. "Bei 'Nord Stream 2' geht es ja um die Zukunft, also wie wird künftig die Gasversorgung sein."

Beim Öl gibt es Alternativen

Auch der Ölpreis ist in jüngster Zeit weiter gestiegen - und die Preise drohen weiter zu steigen, wenn die Ukraine-Krise weiter eskaliert, wie Fuest schätzt. In der Region spielt russisches Öl eine besonders große Rolle, schließlich bezieht die PCK-Raffinerie Schwedt ihr Rohöl über die Druschba-Pipeline aus Russland. Und erst am Mittwoch gab das Bundeskartellamt den Kauf von Anteilen der PCK-Raffinerie durch Rosneft frei. Damit hält der russische Staatskonzern fast 92 Prozent der Anteile der Raffinerie, ein Großteil der Benzinproduktion für die Region liegt also in den Händen Russlands.

Dennoch sieht Michael Harms vom Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft dort nach eigener Aussage keinen Grund zur Besorgnis. "Der Ölmarkt ist ein weltweiter Markt, ich glaube, das kann man auch substituieren", sagt Harms. "Das wäre jetzt kein schönes Szenario aber ich glaube, da kann man Alternativen finden."

Mehr Unabhängigkeit von Russland hat ihren Preis

Dem Wirtschaftsforscher Fuest macht die große Abhängigkeit von Russland Sorgen, wie er sagt. Langfristig sei klar, dass Deutschland mehr diversifizieren, im Bereich des Gases vielleicht mehr Flüssiggas verwenden müsse. Und das ist teurer: "Die Diversifizierung, die politische Unabhängigkeit von Russland hat einen gewissen Preis, und den zahlen hier die Verbraucher."

Sendung: Brandenburg aktuell, 23.02.2022, 19.30 Uhr

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Beitrag von Anna Hanke

21 Kommentare

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  1. 21.

    Gas-Versorgung ist gesichert - aber zu welchem Preis ??? Die Tarife hatten sich Anfang des Jahres bereits verdoppelt. Jetzt nochmal doppelt soviel? Statt 2000 Euro pro Jahr demnächst fast 10.000 Euro, nur für das Heizen? Das wird viele Leute in die Privatinsolvenz treiben. Haus und Hof verkaufen wegen zu hoher Energiekosten. "Danke" Russland. "Danke" an alle, die uns in diese prekäre Abhängigkeit getrieben haben. Das wird große soziale Unruhen bringen.

  2. 20.

    Nur ist das eben nicht die Braunkohle, sondern neben einheimische Erdgasvorkommen, die man ob des Widerstandes aus der Bevölkerung links hat liegen lassen, vor allem die EE.

  3. 19.

    Erstmal alle in Sicherheit wiegen und wenn es dann anders kommt, na ja, dann hat der kleine Mann die Zeche zu zahlen. Es ist meiner Meinung nach der falsche Zeitpunkt für die Energiewende. Zu spät ist er sowieso und auch mit falschen Ansätzen. Aber da ist ja geschultes Fachpersonal am Basteln. Prost Mahlzeit

  4. 18.

    Derzeit sind die Speicher allerdings zu über 30 % gefüllt - was aber im langjährigen Vergleich sehr wenig ist. Zudem würde es Putins Oligarchen sehr treffen, wenn man deren Vermögenswerte einfrieren würde.

  5. 17.

    Mit EE kann man sehr wohl heizen. Versäumt hat man aber nicht nur bei Wind und PV die Nutzung einheimischer Ressourcen sondern z.B. auch die eigenen Erdgasvorkommen (deckten 2001 noch ein knappe Viertel des Bedarfs, heute ist es durch russ. Gas großteils ersetzt) oder auch den Bau von Flüssiggasterminals.

  6. 16.

    In einer globalisierten Welt sind alle voneinander abhängig. So etwas funktioniert nur im Frieden und ohne Zwang einer Macht, der so manches nicht gefällt. Was jetzt geschehen ist macht uns alle nur traurig; Krieg hatte ich so für unmöglich gehalten. Eine neutrale Ukraine wäre wie eine neutrale Schweiz. Sie könnte sogar Vermittler sein. Geschützt durch sichere Verträge. So denkt man eben als Bürger, der anders denkt als Politiker.

  7. 15.

    309 Tage 08 Stunden 45 Minuten bis zum AKW-Ausstieg. Also bei mir ist Party - notfalls auch mit Kerzen, dicken Socken und offenem Feuer.

  8. 14.

    Nun zeigt sich, wer auf einen strategischen und sinnvollen Energiemix setzt, wird unabhängig sein und kann Preise stabilisieren. Wer einseitig denkt verliert...

  9. 13.

    jupp, aber wen interessiert es , und wer trägt von den Varantwotlichen die Konsequenzen dafür? ganz genau ... niemand
    Der dumme Steuerzahler ist der Depp

  10. 12.

    Wo sollen denn die Windräder stehen. Brandenburg ist doch schon "verspargelt". Vor dem Reichstag wollen die Politiker auch keine Windräder.

  11. 11.

    Die Speicher werden von russischen Firmen betrieben, aber wie viel da rein und rausfließt entscheiden deutsche Firmen. Da wird gespeichert wie bestellt wird.

  12. 10.

    Womit heizen die meisten Haushalte in Deutschland noch gleich? Kohle? Atomkraft? Ach nein, Gas. Von Gazprom. Eine konsequent durchgeführte Energiewende hätte heute schon zu einem deutlich höheren Anteil an Wärmepumpen geführt und uns vom russischen Gas weniger abhängig gemacht.

  13. 9.

    Nachtrag: Es ist ja nun gerade die "Energiewende" mit ihren Abschaltungen von Kohle- und Atomkraftwerken, die überhaupt erst die Notwendigkeit zusätzlicher Erdgaskraftwerke und damit die Importabhängigkeit geschaffen hat.

  14. 8.

    Mit irgendwelchem Windradgebastel kann man weder heizen noch bei Windstille die Stromversorgung sichern.

  15. 7.

    "Mehr Unabhängigkeit von Russland hat ihren Preis"
    Diesen Preis bezahlen die Verbrauche schon seit Monaten. Russland hat sich bisher an vertraglich festgelegte Liefermengen und Preise gehalten. Trotzdem dind die Energiepreise gestiegen. Die Energiekonzerne betreiben nur Gewinnmaximierung und nutzen dafür jedes Gerücht und Lobbyismus.
    Man könnte ja die Abhängigkeit vom russischen Gas reduzieren, indem man Biogasanlagen nutzt und ausbaut. Stattdessen wird den Betreibern von Biogasanlagen die Abnahme ihrer Energie verweigert, wie der MDR vor einigen Tagen berichtete.

  16. 6.

    Danke für den hilfreichen und konstruktiven Kommentar.

  17. 4.

    Jetzt wird sich bitter rächen das die CDU 16 Jahre den Ausbau der EE torpediert hat.

  18. 3.

    Ihr werdet euch noch umschauen!!!!!!

  19. 2.

    Ein Großteil der Erdgasspeicher in Deutschland gehört russischen Firmen und diese Speicher waren schon vor dem Winter nur zu 25 % gefüllt. Auch PCK gehört nun einem russischem Konzern. Ganz so unabhängig sind die Deutschen nun doch nicht von der russischen Energie.

  20. 1.

    Dann ist es doch schön zu wissen, daß wir einen Wirtschaftsminister haben, der schon die Lösung für die drohende Preisexplosion parat hat. Er wartet auf das Ende des Winters. Das nenn ich mal Kriesenmanagement!!! Die Aussetzung von Steuern und Abgaben, solange die Krise anhält, wäre zwar auch eine Option, aber warum den Bürger entlasten?

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