Russland-Ukraine-Konflikt - So abhängig ist die Region von Energierohstoffen aus Russland

Sanktionen gegen Russland sind eine immer wieder diskutierte Option, um auf russische Aggression zu reagieren. Das Problem: Deutschland bezieht große Teile seiner Energie aus dem Land. Das gilt besonders für die Region Berlin-Brandenburg. Von Helena Daehler
Wer auf die nackten Zahlen schaut, dem wird klar: Die Abhängigkeit besteht, und sie ist ziemlich hoch: 34 Prozent des Rohöls bezieht Deutschland aus der Russischen Föderation, beim Erdgas liegt der Anteil sogar bei 50 Prozent, wie Martin Pein, Erdöl- und Erdgas-Experte der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), sagt.
"Beim Erdgas muss man dazu sagen, dass Deutschland zwar einer der größten Importeure weltweit ist, wir aber dieses Erdgas nicht vollständig verbrauchen", betont Pein. Zur Hälfte werde es in europäische Nachbarstaaten weitergeleitet. Neben Gas und Öl dürfe aber auch die Steinkohle nicht vergessen werden, ergänzt Pein, denn auch hier stammen 45 Prozent aus Russland.
Raffinerie in Brandenburg in russischer Hand
Für Berlin und Brandenburg rückt bei der Frage nach der Herkunft der Energierohstoffe auch die Weiterverarbeitung in den Fokus. Die Schwedter PCK-Raffinerie ist eine der größten Raffinerien in Deutschland und bezieht ihr Rohöl über die Druschba Pipeline direkt von den russischen Ölfeldern. Die Raffinerie produziert Rohölprodukte wie Benzin, Diesel und Heizöl und versorgt nach eigenen Angaben mehr als 95 Prozent der Region mit Treibstoff.
Der russische Ölgigant Rosneft hatte Shell im November ein Aktienpaket abgekauft und hält nun mehr als 90 Prozent der Anteile.
Umstellung auf andere Lieferanten würde dauern
Ein Lieferstopp der Energierohstoffe aus Russland hätte aufgrund der Abhängigkeit drastische Konsequenzen, sagt BGR-Experte Martin Pein: "Russland hat eine derartige Marktstellung in Deutschland und auch in Europa, dass es relativ schwierig ist, diese kurzfristig zu ersetzen." Andere Länder, die ebenfalls Öl oder Gas liefern, könnten ihre Liefermengen auch nicht von heute auf morgen erhöhen.
Norwegen ist nach Russland der zweitgrößte EU-Gaslieferant und könnte nicht einspringen, so Pein: "Norwegen produziert bereits weitgehend am Maximum, da ist es nicht wahrscheinlich, dass größere Mengen nach Deutschland geliefert werden könnten."
Gespeichertes Erdgas und Erdöl
Die Energierohstoffe können allerdings gebunkert werden. Die Bevorratung von Öl in Tanklagern entspricht der durchschnittlichen Vebrauchsmenge von 90 Tagen. Das berechne sich jedes Jahr neu und richtet sich nach dem Vorjahresverbrauch. Auch Erdgas wird in sogenannten Kavernen, das sind Salzstöcke, in die Hohlräume gespült wurden, gespeichert. In Deutschland beträgt die Kapazität rund 24 Milliarden Kubikmeter, das ist knapp ein Drittel des jährlichen Verbrauchs.
Doch im Gegensatz zum Öl sehe es beim Erdgasvorrat knapper aus, sagt Martin Pein: "Gegenwärtig sind die Deutschen Erdgasspeicher zu 32 Prozent gefüllt, das ist unterdurchschnittlich, in den letzten Jahren waren es einige Prozentpunkte höher." Der Verbrauch sei im bisherigen Winter 2021/2022 allerdings aufgrund des milden Temperaturen deutlich geringer.

Endverbraucher merken es als letzte
Sollten aufgrund der Ukraine-Krise aber tatsächlich weniger Energierohstoffe aus Russland nach Deutschland geliefert werden, wären die Endverbraucher allerdings die letzten, die es mitkriegen würden. Der Großverbraucher sei die Industrie, betont Pein. "Da würde man vermutlich eher den Firmen Bescheid geben, den Erdgasverbrauch zu drosseln, als die Bürger einen möglichen Mangel spüren zu lassen", so seine Einschätzung. Eine langfristige Lösung wäre das natürlich nicht.
Sendung: Inforadio, 16.02.2022, 16.20 Uhr
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