Brandenburger Wald als Ware - Das Problem mit dem Holz für die Hütten
Berlin und Brandenburg rufen Holzbau-Offensiven aus. Doch dem Wald, der das Holz liefern soll, geht es schlecht. Und die Baubranche ist nicht die einzige, deren Hunger auf Holz wächst. Von Constantin Stüve und Nico Schmolke
Jeanette Blumröder sucht Kiefern. Das ist in Brandenburger Wäldern normalerweise leicht, aber hier auf den riesigen verbrannten Waldflächen in der Nähe von Treuenbrietzen tut sich der Nadelbaum schwer. "Hier wurde nach dem Brand alles kahlgeschlagen, gepflügt und dann mit Kiefern bepflanzt", erklärt die Forscherin von der Hochschule Eberswalde. Sie überwacht seit der Brandkatastrophe im Hitzesommer 2018 die Versuche, den Wald wieder aufzuforsten.
Es dauert, bis Jeanette Blumröder einen Setzling entdecken kann. "Ich habe eine gefunden", ruft sie. "Beziehungsweise das, was von ihr noch übrig ist. Das ist nicht allzu viel." Eine kleine Kiefer, wenige Zentimeter hoch, mit eher roten als grünen Nadeln, kämpft sich aus dem sandigen Untergrund.
Monokulturen extrem anfällig
Noch macht die Kiefer 70 Prozent aller Bäume in Brandenburg aus. Denn eigentlich wächst sie schnell und gerade - und kann somit von den Waldbesitzern für gutes Geld an die Industrie verkauft werden. Brotbäume werden die Bäume genannt, die Menschen ein Auskommen sichern. Doch die weit verbreiteten Monokulturen sind extrem anfällig für Stürme und Schädlinge geworden. Trockenheit und Hitze der vergangenen Jahre haben der Kiefer ihre Widerstandskraft geraubt. In Treuenbrietzen kam es zu einem der größten Waldbrände in Deutschland seit Jahrzehnten.
Die neuen Kiefern haben offensichtlich auch in den Folgejahren Mühe, die trockenen Sommer zu überstehen. "In den letzten Jahrzehnten hat es gut funktioniert mit der Kiefer und der Fichte, da war genug Wasser da", erklärt die Ökologin Blumröder. "Aber wenn ein Faktor nicht mehr hinhaut, können diese Bestände flächig und sehr schnell zusammenbrechen."
Während die Kiefer erst anfängt zu schwächeln, sind in anderen Bundesländern bereits ganze Fichtenwälder gestorben. Die Fichte ist ebenso wie die Kiefer als Nadelbaum in der Industrie gefragt. Fast alle Holzhäuser werden aus ihrem leichten, aber enorm stabilen Holz gefertigt. Nadelbäume fallen der Klimakrise hierzulande als erstes zum Opfer. Etwa 280.000 Hektar Wald sind seit 2018 deutschlandweit vernichtet worden, eine Fläche dreimal so groß wie Berlin, überwiegend Fichten.

Holzbau-Offensive ausgerufen
Ausgerechnet jetzt wird eine Holzbau-Offensive ausgerufen. Der Berliner Senat und die Brandenburger Landesregierung haben sich dazu verpflichtet, das Bauen mit Holz zu fördern. Auf dem Areal des ehemaligen Flughafen Tegels soll das größte Holzbauquartier Europas entstehen. Und auch die neue Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) nennt Holz im rbb|24-Interview einen "Baustoff der Zukunft". Wurden kurz nach der Wende nur wenige Wohnhäuser in Deutschland aus Holz gebaut (1993: 8 Prozent), ist es nun schon jedes fünfte (2020: 20 Prozent).
Auf den ersten Blick ist Bauen mit Holz vernünftig. Der traditionelle Baustoff soll Beton ersetzen. Denn die Herstellung von Zement als Bestandteil von Beton ist in Deutschland für allein acht Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich. Durch die Verwendung von Holz könnte stattdessen viel CO2 in Wohnungen und Büros eingelagert werden, und im Wald wächst der Rohstoff einfach nach.
Angesichts der sterbenden Nadelbäume ist allerdings unklar, ob diese in Zukunft den Holzbedarf decken können. Unterstützer des Holzbaus zitieren gern Studien, die nahelegen, dass es für eine Holzbau-Offensive genug nachwachsenden Wald gebe. Doch das rasante Baumsterben der letzten Jahre stellt diesen Optimismus in Frage.
Naturwald versus Holzplantagen
Auch Jeanette Blumröder hält angesichts der Klimaentwicklungen wenig davon, das Bauen mit Holz anzukurbeln: "Wo soll das Holz denn herkommen? Wollen wir wirklich noch mehr Holzplantagen? Oder wollen wir nicht eher zu einem Naturwald kommen, in dem auch andere Baumarten zum Zug kommen?"
Teil der Lösung könnte sein, in Zukunft mehr Laubholz im Bau einzusetzen. Denn Laubbäume widerstehen der Klimakrise besser. Doch Buchen, Eichen und Co. wachsen krumm und langsamer, haben mehr Äste und kürzere Holzfasern. Während Förster einen schnellen Waldumbau hin zu mehr Mischwald betreiben, um die Wälder zu retten, halten Sägewerke und Industrie bislang an ihren geliebten Kiefern und Fichten fest.
Dabei ist schon jetzt das Holz knapp. Vor der aktuellen Waldkrise hat Deutschland mehr als doppelt so viel Baumstämme aus dem Ausland importiert wie dorthin exportiert. Allein mit dem heimischen Holzeinschlag konnte der Bedarf also nicht gedeckt werden. Das Holz aus dem Ausland kommt zudem teilweise aus Ländern, wo der Waldrückgang noch deutlich dramatischer ist. Ob der Wald als CO2-Speicher im Ausland oder hier in Deutschland stirbt, ist dem Klima bekanntlich egal.

Weitere Einsatzzwecke von Holz
Die Bauindustrie ist zudem nicht die einzige, die vermehrt Holz einsetzen möchte. Denn Holz soll nicht nur Beton ersetzen, sondern auch Kohle. Im Märkischen Viertel versorgt ein Heizkraftwerk von Vattenfall bereits 40.000 Haushalte mit Strom und Wärme – durch das Verbrennen von Holz. Auch Neuruppin und viele andere Städte setzen vermehrt Biomasse ein.
Neben der Bauwirtschaft und dem Energiesektor wird das Naturprodukt Holz auch für viele andere Industrien interessanter. Verpackungen bestehen immer mehr aus Papier und Pappe statt aus Plastik. Holzfasern landen in Textilien. Und die Chemieindustrie kann mit Holz natürliche Produkte herstellen. Die Bundesregierung will laut Koalitionsvertrag nun eine Biomassestrategie erarbeiten und wird darin wohl darlegen müssen, wie der Holzhunger gestillt werden kann. "Man sollte definitiv nur das Holz verwenden, was man unbedingt verwenden muss", fordert Jeanette Blumröder sicher. "Und vielleicht haben wir nicht mal dafür genügend Holz. Wir müssen an allen Ecken und Enden den Konsum zurückschrauben."
Der Film "Ware Wald – Die Schattenseiten des Holzbooms" – läuft heute Abend um 20:15 Uhr im RBB Fernsehen und ist bereits jetzt als Stream in der ARD Mediathek: LINK
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