Streit um Tarife - Störrische Stromversorger erschweren den Anbieterwechsel
Tariferhöhung trotz Preisgarantie und verweigerte Kündigungen - immer wieder melden sich Betroffene von sperrigen Stromanbietern bei den Verbraucherzentralen. Diese wissen, wie man gute von schlechten Verträgen unterscheidet. Von Björn Tritschler
Irrungen und Wirrungen rund ums Thema Stromtarife stellen viele Verbraucher:innen vor Probleme. Michael Wrase aus Kleinmachnow wechselte im April 2021 zu Voxenergie, einem Strom- und Gasversorger mit Sitz in Berlin. Im September 2021 verlängerte er den Vertrag sogar noch bis 2025 - mit Preisgarantie.
Tariferhöhung trotz Preisgarantie
Ein Schnäppchen, dachte der Rentner. Doch auf einmal erhöhte das Unternehmen, nur einen Monat nach Vertragsverlängerung, die Abschlagszahlungen von 165 auf 307 Euro. "Das ist schon ein harter Schlag gewesen", sagt Michael Wrase. Er versuchte, aufgrund der Preiserhöhung den Vertrag zu kündigen, wollte ein schnelles Ende nach dem Schrecken, aber der Stromanbieter ließ ihn so einfach nicht ziehen.
Voxenergie akzeptierte die Sonderkündigung nicht, leugnete sie gegenüber dem Grundversorger Vattenfall und drohte stattdessen mit Mahnungskosten und einer Betrugsanzeige.
Ärger, den auch Hans-Peter Faas aus Berlin-Kreuzberg kennt. "Ich habe mich von Anfang an geärgert, zu Voxenergie gegangen zu sein", sagt er. Auch er erhielt trotz Preisgarantie eine Tariferhöhung, kündigte und hörte nichts mehr von seinem Anbieter. Solche Fälle bekommen die Verbraucherzentralen immer öfter zu hören. Die Beschwerden häufen sich.
Auf die Anfrage des rbb zu den beiden Fällen reagiert Voxenergie nicht.
Verbraucherzentralen bieten Unterstützung
"Wenn die Firma die Kommunikation verweigert, dann kann die Rechtsberatung der Verbraucherzentralen in Anspruch genommen werden", empfiehlt Dr. Katarzyna Trietz, Leiterin der Abteilung Recht und Verbraucherschutz der Verbraucherzentrale Brandenburg. Und es gibt eine weitere Möglichkeit. Verbraucher:innen können sich an die Schlichtungsstelle Energie wenden, die außergerichtliche Lösungen sucht. Hierbei sei allerdings zu beachten, dass das Ganze etwas dauern kann, weil sich die Beschwerden häuften, so Tietz.
Michael Wrase dauerte das zu lange. Er nahm sich rechtlichen Beistand. Seine Anwältin Jenni Falkenberg fordert eine strengere Regulierung von Billiganbietern und deren Geschäftsmodellen und strengere Konsequenzen. Die Hürden, sich zu wehren, seien zu hoch. "Ziel des Energiewirtschaftsgesetztes ist der Verbraucherschutz, das steht ganz zu Anfang in den Zweckbestimmungen. Dementsprechend besteht da Verbesserungspotenzial", so Falkenberg. Denn selbst wenn die Rechtslage völlig klar sei, bleibe ein Restrisiko. Und das trage dann der Mandant mit seinem Kostenrisiko.
Stromanbieter verzögert Kündigung
Weil der Stromanbieter sich stur stellte, konnte Michael Wrase nicht pünktlich wechseln. Der Kreuzberger Hans-Peter Faas fand dagegen eine Lücke im Kleingedruckten. "Voxenergie hat mir ein weiteres Angebot geschickt. In dem Schreiben stand, dass der Vertrag beendet wäre, sollte ich das Angebot innerhalb von fünf Tagen nicht annehmen", so Faas. Er leitete den Brief an den Nachversorger weiter - mit Erfolg. "Da Voxenergie eine indirekte Bestätigung geschickt hat, dass die Kündigung wirksam ist, konnte ich auch Vattenfall davon überzeugen."
Faas wartet zwar noch immer auf eine Endabrechnung, aber den Versorger ist er auch ohne offizielle Kündigungsbestätigung los. "Klar, man will Geld sparen. Aber am Ende sind es dann auch die Nerven, die dafür draufgehen. Man ärgert sich, weil man so machtlos ausgeliefert ist", sagt Faas.
Verbraucherzentrale empfiehlt kurze Laufzeiten
Um einen guten Tarif zu finden, empfiehlt Katarzyna Trietz von der Verbraucherzentrale Vergleichsportale im Internet. Die idealen Voreinstellungen sind für sie dort Verträge mit kurzen Laufzeiten und eine Kündigungs- und Verlängerungsfrist von einem Monat. Und das Kleingedruckte ist wichtig. Günstige Angebote im ersten Jahr und Boni und Prämien werden oft querfinanziert - durch höhere Preise im zweiten Jahr.
Vor Vertragsabschluss empfiehlt Trietz zusätzlich eine Internetrecherche: "Was finde ich dazu? Gibt es viele Beschwerden über den Anbieter? Sind es untergeschobene Verträge? Drastische Preiserhöhungen?". Hierbei können neben Beschwerdeportalen im Netz auch das Verbraucherportal der Bundesnetzagentur oder die Seiten der Verbraucherzentralen helfen.
Michael Wrases Kündigungsbestätigung kam schließlich am letzten Tag der Beschwerdefrist. Wegen der entgangenen günstigen Preisgarantie, dem Stress und seinen Anwaltskosten könnte er Entschädigung verlangen. Aber er ist skeptisch, denn das bedeutet viel Arbeit für wenig Ertrag.
Sendung: SUPER.MARKT, 31.01.2022, 20:15 Uhr