Auf dem Weg zur klimaneutralen Hochschule - Plan A für das Klima

Di 08.03.22 | 17:59 Uhr | Von Martin Küper
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ESMT, Staatsratsgebäude, Schlossplatz (Quelle: dpa/Joko)
Bild: dpa/Joko

Klimaneutralität ist erstmal ein politisches Schlagwort, aber wie setzt man das eigentlich um? Viele Unternehmen fragen sich das und manche in Berlin packen es mit Start-Up-Unterstützung an. Von Martin Küper

Parkplätze mitten im Zentrum: Die sind teuer und knapp. Für die Mitarbeiter der European School of Management and Technology Berlin (ESMT) im ehemaligen DDR-Staatsratsgebäude am Schlossplatz aber ist das kein Problem – sie kommen sowieso lieber zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Arbeit. Erst recht, seitdem ihre Hochschule den ehrgeizigen Plan verfolgt, bis 2025 klimaneutral zu sein. In die Rechnung, ob das zu schaffen ist oder nicht, fließen nämlich auch die Arbeitswege mit ein, und da sieht die private Hochschule sehr gut aus. Zu einer verlässlichen Klimarechnung gehören natürlich aber noch weit mehr Komponenten: der Ressourcenverbrauch von Energie und Büromaterial, Dienstreisen, Entsorgungsstrategien.

Wie viele andere Unternehmen und Institutionen braucht die ESMT auf diesem Weg Hilfe und hat sie sich bei einem der Berliner Start ups geholt, die aus dem Wunsch nach Dekarbonisierung einen Plan gemacht haben und den zusammen mit ihren Kunden umsetzen.

Der Bedarf ist groß

"Plan A" heißt dieses Start Up. Plan A ist eines von vier weiteren Neugründungen im Berliner Ökosystem mit diesem Unternehmensziel. Sie alle wissen, dass dieser Markt in Zukunft deutlich wachsen wird.

Nur etwa zehn Prozent der Unternehmen nämlich, so schätzen Experten, sind in der Lage, ihren Klima-Fußabdruck selbst und seriös zu ermitteln – alle anderen brauchen Hilfe und die dafür nötigen Programme. Viel investieren muss man da gar nicht: die ESMT zahlt für ihren Zugang zum Beispiel nur eine sehr niedrige vierstellige Summe.

Direkte Emissionen sind am leichtesten zu beziffern, schwierig wird es bei all dem, was ein Unternehmen ausmacht und klima-relevant ist: dazu gehört der Energieverbrauch, der Umgang mit den Ressourcen und auch das Verhalten der Angestellten. All das soll erfasst werden, be- und verrechnet nach dem Klima-Kriterium Co2-Ausstoß.

Klima-Kennziffer wird immer wichtiger

Die meisten Unternehmen definieren sich bisher durch Umsatz- und Gewinnzahlen, mit der Stärke ihrer Belegschaft und ihrer Produktivität. Seit einigen Jahren schon gewinnt aber auch die Nachhaltigkeit immer mehr Bedeutung – viele Geschäftspartner, Kunden, Behörden sehen auch auf die Klima-Bilanz derer, mit denen sie zu tun haben.

Dabei soll ein "greenwashing" verhindert werden, also eine auf plakative Werbeaktionen beschränkte Nachhaltigkeitsstrategie ohne wirklich kontrollierbare Schritte. Kritik gibt es auch am so genannten Ablasshandel, also dem vergleichsweise bequemen Ausgleichen von Emissionen - wichtiger wäre nach Ansicht vieler Klimaaktivisten der tatsächliche Abbau von vermeidbaren Emissionen.

Photovoltaikanlage auf Dach soll helfen

Für die ESMT ist diese Diskussion vergleichsweise akademisch, denn direkte Emissionen sind hier nicht das Problem. Die Hochschul-Verantwortlichen kümmerten sich zunächst vielmehr um altbewährte Mittel wie konsequente Mülltrennung, Papiervermeidung und einen möglichst ökologischen Arbeitsweg.

Der Blick auf die monatliche Plan-A-Analyse zeigte dann aber ziemlich deutlich, wo die eigentlichen Problemfelder liegen: "Man konnte darin sehr gut sehen, dass die Hauptverursacher bei uns Energieverbrauch und Elektrizität sind", fasst Georg Garlichs das Ergebnis zusammen: "So kriegen wir nun Transparenz in die Sache, wo man auch sinnvollerweise etwas tun kann."

Sinnvoll wäre zum Beispiel, das riesige, schattenfreie Dach mit einer Photovoltaikanlage zu nutzen. Entsprechende Anträge wurden bereits gestellt, vor allem der Denkmalschutz hat bei dieser historischen Immobilie mitzureden: "Da sind wir noch in Gesprächen", so Garlichs, "da muss man aber auch sagen, dass die denkmalschutzrechtlichen Belange ihre Berechtigung haben, das Energie-Potenzial jedoch wäre enorm."

Plan A heißt so, weil es nach Ansicht der Gründer keinen Plan B gibt zur Dekarbonisierung. 2017 gegründet, bieten sie nun einen selbst entwickelten ökologischen Fußabdruck-Rechner an, aber auch Unternehmensberatung in Sachen Klimaeffekte. Inzwischen beschäftigen sie 80 Mitarbeiter, unter ihnen nicht nur Softwareentwickler, sondern auch Dateningenieure und Wissenschaftler: Plan A ist weltweit aktiv und haben rund 400 Unternehmenskunden, vor allem in Europa und Amerika.

Vermeidung oder Ausgleich? Für die Plan-A-Gründerin und studierte Business-Managerin Lubomila Jordanova kann es da nur eine Antwort geben: "Die Klimakrise ist definiert durch das Wachstum der Emissionen. Deshalb fokussieren auch wir uns auf die Reduzierung der Emissionen, das ist unsere einzige Möglichkeit, Firmen und Unternehmen auf dem Weg zur Nachhaltigkeit zu helfen."

Zu ihrem Beratungsangebot gehören mehr als 200 mögliche Schritte auf dem Weg zur Nachhaltigkeit: teilweise sehr kleine Schritte, die dann aber zusammengenommen einen großen ergeben. Dazu zählt beispielsweise der Einsatz recycelter Geräte, eine ökologische Ausrichtung der Dienstreisen und neue Wege im Beschaffungswesen. Wie bei der ESMT ist auch bei vielen anderen Büro-dominierten Klima-Kunden von Plan A vor allem und immer wieder der Energieverbrauch im Fokus, es sind also die Themen Heizen und Stromverbrauch, die den mit Abstand größten Co2-Abdruck in der Klimabilanz hinterlassen.

Energie, Logistik, Produktion: Da geht überall noch was

Auch andere Berliner Unternehmen und Institutionen haben sich auf den Weg gemacht: Zalando etwa, das seine Logistik-Ketten überprüft, aber auch die Smartphone-Bank N26 und der Möbelversender Home24.

Berliner Start ups wie Planetly, Climatiq oder eben Plan A begleiten diese Prozesse.
"Grundsätzlich ist das sinnvoll", sagt Klimaexperte Volker Quaschning, Professor an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft, "aber es ist eben nur ein erster Schritt". Nach Quaschnings Ansicht kommt es darauf an, nicht nur Zahlen zu erheben und zu analysieren - sondern die sich daran anschließenden Maßnahmen wirksam zu kontrollieren. Am besten sei es, den Prozess mit speziellen Co2-Grenzwerten politisch voranzutreiben – würden die überschritten, könnten zusätzliche Abgaben erhoben werden, damit sich wirklich auch langfristig positive Effekte einstellen.

Sendung: Abendschau, 07.03.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Martin Küper

6 Kommentare

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  1. 6.

    Naja, wenn man gut über achtzig ist kann man das Geld vielleicht auch einfach den Enkeln schenken, das stimmt. Für die meisten Hausbesitzer macht eine PV Anlage aber finanziell Sinn. Kredite sind auch ziemlich billig zur Zeit, man braucht also gar nicht viel Eigenkapital.

  2. 5.

    Ich hätte auch gerne eine Photovoltaik auf meinem Dach, habe aber nach mehreren Angeboten feststellen müssen, dass diese sich erst amortisiert hätte wenn ich bereits ein paar Jahre auf dem Friedhof liege. Klimaneutralität muss man sich auch leisten können.

  3. 4.

    Für die Installation einer Photovoltaikanlage ist den Gebäudeeignern viel Erfolg zu wünschen. Denn die Außenwirkung des geschützten Gebäudes wird in keiner Weise beeinträchtigt.Nur sehe ich schon Statikprobleme, denn so eine Anlage hat ja auch eine Last.Ich kann mir schon vorstellen, dass da der DSch gewisse Probleme sieht. Nur sollte man sich angesichts der großen Herausforderungen des bauseitigen Beitrags zum Klimaschutz zu Kompromissen der Sicherung des Vorhabens im Inneren, Konstruktionen, Gestaltungselemente tragender Art zumindest im oberen Teil des Gebäudes einigen. Bleibt zu hoffen, dass "innovativ" eine technische Lösung gefunden wird, die "mögliche Eingriffe in die innere Baustruktur" abmildern können. Insgesamt muss man sagen, dass diese Herausforderungen an den Klimaschutz auf alle historischen Baudenkmale zutrifft. Je älter sie sind, um so raffinierter müssen dann Lösungen sein, wenn man sie überhaupt hinbekommt. Daran zeigt sich,wie das Wissen der Menschheit gewachsen ist

  4. 2.

    Sie kommen mit dem Rad... Bei Wind, Regen, Kälte... Nicht mal die Baerbock denkt an Kraftstoff sparen. Ich fühle mich verscheißert. Warum sind nicht längst die Dächer mit PV belegt ? Made in Germany !!!!

  5. 1.

    Typisches Stadtmenschendenken. Da werden die Unterschiede zwischen Stadt und Land aber wieder mal sehr deutlich.

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