Verwaltungsgericht Cottbus  - Leag muss Tagebau Jänschwalde am 15. Mai anhalten

Fr 18.03.22 | 16:13 Uhr
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Blick über den Rand des ehemaligen Braunkohletagebaus Cottbus-Nord auf das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde, wo Wasserdampf aus den Kühltürmen steigt. (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Video: Brandenburg Aktuell | 18.03.2022 | Aline Lepsch | Bild: dpa/Patrick Pleul

Umweltverbände haben mit einem Eilantrag vor dem Cottbuser Verwaltungsgericht Erfolg: Die Leag muss am 15. Mai den Tagebau Jänschwalde in der Lausitz anhalten. Der Tagebaubetreiber pumpt seit Jahren deutlich mehr Grundwasser ab als erlaubt.

Der Energiekonzern Leag muss den Tagebau Jänschwalde am 15. Mai anhalten. Das hat das Verwaltungsgericht Cottbus entschieden, teilte die Leag am Donnerstag mit. Hintergrund ist ein Rechtsstreit zwischen der Deutschen Umwelthilfe und dem Landesbergamt um die Wasserentnahme am Tagebau Jänschwalde.

Infolge des Streits befürchtet der Tagebaubetreiber Leag gravierende Folgen für die Energieversorgung in der Region.

Sechsfaches Volumen des Müggelsees abgepumpt

Laut einer Recherche der Umweltverbände Grüne Liga und Deutsche Umwelthilfe, pumpt der Tagebaubetreiber Leag für den Betrieb der Grube seit Jahren deutlich mehr Grundwasser ab, als erlaubt. Das Verwaltungsgericht gab der Umwelthilfe recht.

Ein Hauptbetriebsplan dürfe nur zugelassen und umgesetzt werden, wenn er über alle Erlaubnisse verfüge. Die Erlaubnis für die Entnahme von so viel Wasser gebe es aber nicht, sagte Dirk Teßmer, der die Umweltverbände rechtlich vertritt.

Demnach hätten im Jahr 2020 42 Millionen Kubikmeter Wasser entnommen werden dürfen. Tatsächlich habe die Leag jedoch 114,06 Millionen Kubikmeter abgepumpt, heißt es. Insgesamt seien in Jänschwalde seit dem Jahr 2017 etwa 240 Millionen Kubikmeter mehr Grundwasser entnommen worden als wasserrechtlich erlaubt. Das entspreche dem sechsfachen Volumen des Müggelsees in Berlin. Das sei im wasserarmen Brandenburg ein Skandal.

Versorgungssicherheit mit Strom in Gefahr?

"Wir bedauern diese Gerichtsentscheidung zum Tagebau Jänschwalde, die aus unserer Sicht weitreichende Folgen sowohl für die aktuell bereits vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs in Frage gestellte Versorgungssicherheit mit Strom und Wärme hat als auch gravierende Auswirkungen für die Natur und die Strukturentwicklung in der Region um den Tagebau mit sich bringt", teilte Leag-Bergbauvorstand Phillipp Nellessen mit. Angesichts der aktuell angespannten Situation auf den Energiemärkten mit weiterhin steigenden Energiepreisen sei es sehr kritisch, die Kohleförderung in Jänschwalde zu stoppen.

Die Leag prüft nun eine Beschwerde und sieht gravierende Folgen für die Versorgungssicherheit mit Strom und Wärme. Ein Teil der Belegschaft soll den Sicherungsbetrieb im Tagebau aufrechterhalten, der Rest auf andere Tagebaue verteilt werden.

Leag-Betriebsrat reagiert mit Unverständnis

Die Vertretung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Energieunternehmens Leag hat mit "großem Unverständnis" auf den Gerichtsbeschluss zum Stopp des Tagebaus
Jänschwalde reagiert. Mit dem Ukraine-Krieg bekomme das Thema Energieversorgung in Deutschland eine andere Dimension, hieß es vom Konzernbetriebsrat am Freitag in einer Mitteilung. Das gelte ganz besonders mit Blick auf den kommenden Winter. "Wer jetzt die
Kohleförderung in Jänschwalde zum Erliegen bringt, der reduziert die gesichert verfügbare Menge an heimischer Braunkohle und damit auch an gesicherter Stromerzeugung."

"Den Fehler müssen wir an dieser Stelle zugeben"

Dass der Tagebaubetrieb in Jänschwalde ab Mitte Mai gestoppt werden muss, ist aus Sicht des Brundenburger Wirtschaftsministers kein Verschulden des Energiekonzerns. Jörg Steinbach (SPD) sagte am Freitag dem rbb, das Kohle- und Energieunternehmen habe nichts verkehrt gemacht. Vielmehr wurde der Zeitraum, in dem das Gebiet ausgebaut werden soll von 2017 bis 2024 verlängert und das sei für die wasserrechtliche Genehmigung nicht in gleichem Maße geschehen. "Den Fehler müssen wir an dieser Stelle zugeben", so Steinbach wörtlich.

Bei dem Tagebau handele es sich allerdings nicht um eine Fabrik, die Wasser verbraucht. Hier werde Grundwasser entnommen und dem Oberflächenwasser wieder zugeführt. Es gebe deshalb in dem Sinne keinen Verbrauch, erklärte Steinbach weiter. Das sei oftmals eine Diktion, die nicht ganz richtig sei.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes werde jetzt vom Landesbergamt als Genehmigungsbehörde geprüft. Das kündigte dessen Präsident Sebastian Fritze an.

"Deutsche Umwelthilfe hat der Umwelt mehr Schaden zugefügt als alles andere"

Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtes sei sie entsetzt gewesen, sagte Ute Liebsch, Bezirksleiterin der IGBCE im Gespräch mit dem rbb. Liebsch wörtlich: "Die Deutsche Umwelthilfe hat der Umwelt damit mehr Schaden zugefügt als alles andere. Und nicht nur der Umwelt sondern auch den Beschäftigten im Tagebau Jänschwalde."

Für sie werden nun Lösungen gefunden werden müssen, kündigte Liebsch an. Sie würden demnächst in den Tagebauen Welzow-Süd bzw. Nochten-Reichwalde arbeiten. Bei den gegenwärtigen Benzinpreisen sei das eine Herausforderung durch die längeren Arbeitswege.

Sendung: Antenne Brandenburg, 17.03.2022, 19:20 Uhr

79 Kommentare

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  1. 79.

    Hallo "John",
    was für ein Fremdwort ist denn nun "Votalität"? Ich hab's bei Wikipedia nicht gefunden...

  2. 77.

    Industriereife Speichertechnologie ist der Durchbruch der Energiewende, sagt die Wissenschaft!
    (nur der Ulf siehts anders)
    Aktuell haben wir ca 125GW PV und WKA installiert...reicht trotzdem nicht für die 80GW Verbrauch.
    Aber Votalität ist Ihnen ein Fremdwort...
    Kohle ist aktuell (20:00 Uhr) wichtigster Energieträger, trotz 125GW installierter Erneuerbarer.

  3. 76.

    Die Kinetik gehört zur Physik.
    Wie die einzig sinnvoll nutzbaren Großspeicher Pumpspeicherwerke.

  4. 75.

    In den langen Berichten steht allerdings auch, dass Habeck so auch den Weg für H2 ebnen möchte.

    In der Tat erscheint es dämlich, dass wir so stark fossil (nicht nur beim Gas) von Russland abhängig sind. Noch dämlicher sind aber die, die heute immer noch von einem Frieden ohne Waffen träumen. Die Friedendivende ist schon lange aufgebraucht. Heute steht die BW ziemlich nackt da, es mangelt selbst an Unterwäsche.

    Dabei hatten Sie ja neulich zudem gefragt, wo das Gas herkommen könne. Hier mal einiges mit N in bewusster Reihenfolge: Norddeutschland, Nordsee, Norwegen, Niederlande, Nordafrika, Naher Osten, Nordamerika ...

  5. 74.

    Wenn man Energie doch nur Speichern könnte... Physik eben -- oder Chemie?

  6. 73.

    Das ist genau der Fehler in Ihrem Gedanken. Großspeicher werden noch lange nicht gebraucht.
    Die EE bis zu diesem Punkt auszubauen hätte schon mal den Vorteil ein Großteil der Kohlebuden nicht mehr gebraucht werden. Wenn am Tag nur 4 Stunden keine Wolke am Himmel ist ist mein Haus Stromautark. Jetzt wird der Speicher noch vergrößert damit im Jahresdurchschnitt nicht mehr als 10% Strom aus dem Netz gebraucht wird. Das hätte die BR für alle,auch Mieter, fördern sollen anstatt den Kohlekonzernen Milliarden hinterher zu schmeissen.

  7. 72.

    Hier ist gerade wieder der gesamte Tagebau in der Stadt unterwegs.
    Wann hört es endlich auf mit diesem Dreck im Garten und auf Terasse?

  8. 71.

    Sorry; hatte ja nachgelesen und es auch gemerkt. Habe eben den Satz in Erinnerung gehabt, dass jemand diesen Bahnhof später nie betreten wird; er meinte Einsturzgefahr etc. Aber MEG hat in Bayern einen Großstützpunkt. ( Märkische Eisenbahn Gesellschaft ) im Auftrag der DB. Bayern liefert dafür "Käse". ;=)

  9. 70.

    Was ich nie für möglich gehalten habe: Ein grüner Wirtschaftsminister fliegt in den arabischen Raum um für Deutschland Flüssiggas zu ergattern. Jahrzehnte Gasimport über NS-1; auch für andere EU-Länder und jahrelanger Milliardenbau NS-2. Abhängig von uns war Russland auch; eben wechselseitig. Mit Krieg gegen die Ukraine hat niemand gerechnet obwohl es schon lange nicht spannungsfrei war. So viel Tote; so viel Zerstörung; so viel Flucht und Ungewissheit. Mindestens 10 Jahre wird noch Gas benötigt; wenn nicht gar mehr. Belgien betreibt anfällige AKW und Frankreichs sind "grün" zertifiziert. die heutigen Kinder werden später sagen: Was habt ihr da nur für Fehler gemacht; nicht an uns gedacht ? Das sagen auch Kinder in anderen Ländern. Frieden erhalten ist leichter als wieder Frieden zu machen.

  10. 69.

    Nein, Braunkohle ist nicht die Zukunft. Aber wo kommt ihr Strom her? Aus der Steckdose? Ich habe übrigens Wärmesolar und PV auf dem Dach und benötige mit 4 Personen weniger als 1500 kWh aus dem deutschen Strommix pro Jahr.

  11. 68.

    Stuttgart liegt in Baden-Württemberg. Ansonsten war mein Thema, dass mit dem Stop des Jänschwalder Kohle-Bergbaus der Umwelt / dem Wasserhaushalt nicht das kleinste bisschen geholfen ist. (das also blanke Symbolpolitik der so genannten Umweltverbände ist). Der Rüdersdorfer Kalkabbau ist in den Dimensionen sicher viel kleiner. Jeder Eingriff des Menschen ist zu hinterfragen. Appopos S21: Millionen für Umsiedlung von Zauneidechsen (10.000€ / Stück). Wieder nur Symbolpolitik auf unsere Kosten.

  12. 67.

    Energiewende - auch da kann ich mitreden. PV-hat der deutsche Stromkunde mit hohen Subventionen preisgünstig gemacht und dadurch zum weltweiten Durchbruch geholfen. Wind Land - ist mittlerweile wirtschaftlich aber hat Grenzen (siehe Uckermark). Wind Offshore ist aufwendig und die deutschen Firmen haben bei Null angefangen anstatt von Ländern mit langjähriger Erfahrung zu lernen. Das kostete Milliarden. Alles super, aber die fehlenden großtechnischen Speichermöglichkeiten setzen Grenzen.

  13. 66.

    Der Kalksteintagebau in Rüdersdorf geht noch einige Jahrzehnte weiter. Was da an Grundwasser zur Trockenhaltung abgepumpt wird hat hier kürzlich ein Schöneicher Bürger genannt. Eines der Endprodukte von CEMEX ( Mexiko ) ist ja der hochwertige Zement, der durch die MEG auch nach Bayern geschafft wird - auch für so "beliebte" Projekte wie "Stuttgart-21". Man könnte das Grundwasser in den Straussee pumpen- ist wohl zuviel Aufwand. So plämpert es Richtung Spree und Müggelsee. Eggersdorf ist nicht weit weg. Ein Trockenkegel neben den anderen. Grundwassermanagement sieht so aus ?

  14. 65.

    Für solch unsinnige Stromerzeugung holte man aber auch Protestierer aus den Bäumen damit für den Kohleabbau weiter gebaggert werden kann. Ist eben "Stand der Technik" in Deutschland. Gefällt Ihnen das so ?

  15. 64.

    @„was haben wir bisher davon…?“
    Äh… Strom! bezahlbare Energie, zuverlässige Verfügbarkeit, regional erzeugt.

  16. 63.

    Sie können den Ausbau der EEs vervielfachen, trotzdem sind diese nicht grundlastfähig so dass es noch immer konventionelle Kraftwerke geben muss. Physik eben...

  17. 62.

    Ich habe nachgedacht, über den Unsinn den Sie hier von sich geben und komme zu einem völlig anderen Ergebnis.
    Was genau haben wir von dem bisher produzierten Kohlestrom außer Umweltschäden und Ewigkeitslasten?

  18. 61.

    Mit dem nachdenken ist das so eine Sache...Was Sie in Ihrer Äußerung vergessen haben ist die jahrzehntelange Verschlampung einer echten Energiewende. Merkel, Altmeier und Gabriel haben uns die jetzige Situation eingebrockt. Hätten die sich nicht von der Kohlelobby die Politik diktieren lassen wäre Putin heute zumindest wirtschaftlich kein Problem. Die tatsächlichen Kosten von Kohlestrom erwarten uns noch, die Umwelt zerstört und der Strom ist weg.

  19. 60.

    Meine Familie ist bergbauvertrieben (Klingmühl). Mein Opa hatte auf einem Absetzer gearbeitet. Ich maße mir daher eine qualifizierte Meinung an. Was Sie in Ihrer Äußerung vergessen haben ist die jahrzehntelange sichere, von Importen unabhängige Stromversorgung von Millionen Menschen. Wenn jetzt das Erdgas nicht mehr durch Rohre zu uns kommt, sondern als LNG (+ 26% mehr CO2) dann ist der CO2 Fußabdruck identisch mit der Braunkohle. Nur die Wertschöpfung wandert aus. Kein Fortschritt!

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