Energetische Sanierungen - Spagat zwischen Denkmalpflege und Klimaschutz
Energiesparen ist das Gebot der Stunde und Gebäude sind der größte Hebel dafür. Sie müssen bestimmte Energiestandards erfüllen, doch bei denkmalgeschützten Gebäuden ist das nicht so einfach. Ein Beispiel. Von Franziska Ritter
Martin Hess legt einen quietschenden Hebel um, um die Tür zu seiner Terrasse zu öffnen. Der Charlottenburger wohnt mit seiner Familie in einem zweigeschossigen Reihenhaus, das 1959 im Stil der Bauhausarchitektur gebaut wurde. Das ganze Ensemble, zu dem neun Häuser gehören, steht von innen wie außen unter Denkmalschutz. Deshalb kann seine Wohnung, in dem sich große Fenster mit Holzrahmen befinden, nicht ohne Weiteres saniert werden.
"Man kann hier nicht einfach neue Standardfenster einbauen, sondern muss das vom Tischler nachbauen lassen, damit man damit die Denkmalschutz-Auflagen erfüllt", sagt er. "Das ist teuer, und deswegen sträubt sich die Hausverwaltung dagegen, das zu tun. Und wir leben mit einer zugigen Tür." Das Wohnzimmer, von dem aus die Familie ins Grüne blickt, geht ins angrenzende Esszimmer und die Küche über. Eine offene Treppe führt ins Obergeschoss. "Das Haus, so toll wie es ist, führt leider auch dazu, dass wir einen permanenten Luftzug haben. Wenn wir auf dem Sofa sitzen und fernsehen, müssen wir uns in eine warme Decke einmummeln, sonst wird es nicht richtig behaglich."
"Klimaschutz muss gleichberechtigt sein"
Die Innenwände des Hauses und einige Außenwände sind ungedämmt, weil der Denkmalschutz vorgeht. Schließlich soll das Erscheinungsbild von Baudenkmälern erhalten bleiben. Ist das in Zeiten von Klimawandel und Energiekrise noch zeitgemäß? Keinesfalls, sagt Daniela Billig, die als Sprecherin für Denkmalschutz und ökologische Quartiersentwicklung für die Grünen im Abgeordnetenhaus sitzt. "Es muss im 21. Jahrhundert möglich sein, dass Klimaschutz und energetische Sanierungen auch bei denkmalgeschützten Gebäuden umgesetzt werden", sagt sie. "Natürlich ist Denkmalschutz wichtig, aber Klimaschutz muss mindestens gleichberechtigt sein."
Wer Umbauten oder Sanierungsmaßnahmen an einem Baudenkmal plant, muss diese im Vorfeld unbedingt mit der zuständigen Denkmalschutzbehörde absprechen, sonst kann sie einen Rückbau verlangen oder Bußgelder verhängen. Die Denkmalpfleger entscheiden immer im Einzelfall und das ist auch gut so, findet Katja Kampmann, die beim Berliner Landesdenkmalamt für Klimaschutzfragen zuständig ist. "Wir können bei einem Denkmal ohnehin nicht die Effizienzstandards erreichen wie ein neu gebautes Gebäude oder ein saniertes Gebäude, das aus dem regulären Altbaubestand kommt", argumentiert die Architektin.
Fernwärme und Solarenergie keine Option
Doch wie könnte ein Spagat zwischen Denkmalpflege und Klimaschutz aussehen? Martin Hess steigt die Treppe in den Keller seiner Wohnung hinab, wo eine Ölheizung steht, die schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat. Alle Häuser in der Siedlung haben eigene Öltanks im Keller, die die Mieter selbst auffüllen müssen. Angesichts historisch hoher Energiepreise kostete das Martin Hess und seine Familie zuletzt fast einen Euro pro Liter – im Vorjahr waren es noch 33 Cent, rechnet er vor.
Ab 2026 sollen Immobilienbesitzer Öl-Heizungen, die älter als 30 Jahre sind, möglichst austauschen. Doch die Wohnanlage im Charlottenburger Westend wird nicht ans Fernwärmenetz angeschlossen. Solaranlagen auf dem Dach sind – sofern sichtbar – in der Regel schwer mit dem Denkmalschutz zu vereinbaren. Die Hausverwaltung denkt deshalb nach eigener Auskunft über Wärmepumpen nach. Doch da deren Außeneinheiten mit 40 bis 60 Dezibel vor sich hin brummen, zögert sie noch. Katja Kampmann vom Landesdenkmalamt wirbt unterdessen für individuelle Lösungen: "Mitunter ist es so, dass man nur durch minimale Veränderungen schon viel erreicht, zum Beispiel indem man das Dach oder die oberste Geschossdecke dämmt oder einen Dämmputz auf die Fassade aufbringt."
Martin Hess wünscht sich ein "zeitgemäßes Konzept" für sein Haus, vor allem in Bezug auf die Heizungsanlage. Er hofft auf eine neue Anlage und hätte gerne jemanden, der sich auskennt und sich darüber Gedanken macht. Einfach scheint das aber nicht zu sein, im Spannungsfeld zwischen Denkmalschutz und energetischer Sanierung.
Sendung: Inforadio, 25.03.2022, 10.35 Uhr