Protest in Berlin - Rund 1.000 Beschäftigte fordern vom Senat mehr Geld für Krankenhäuser

Veraltete Technik, bröckelnde Fassaden: Der Investitionsstau in den Kliniken führt zu vielen Problemen, bemängelt die Berliner Krankenhausgesellschaft. Zahlreiche Betroffene haben am Montagvormittag darauf aufmerksam gemacht. Von Anja Herr
Etwa 1.000 Beschäftigte von Berliner Krankenhäusern haben am Montagvormittag vor dem Abgeordnetenhaus für mehr Geld für die Krankenhäuser demonstriert. Zu der Protestaktion unter dem Motto "Klinikoffensive jetzt" hatte ein Bündnis mit Vertretern von Krankenhäusern, Ärzten, Pflegepersonal und Krankenkassen aufgerufen. Das Bündnis fordert 350 Millionen Euro pro Jahr für Investionen in die Krankenhäuser.
Moderne Gebäude und Technik könnten auch die Mitarbeitenden entlasten, sagte der Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft, Marc Schreiner, am Montag radioeins vom rbb. Im Haushaltsentwurf des Senats sind für dieses Jahr 148 Millionen Euro vorgesehen und für das kommende 155 Millionen. Das sei weit von dem entfernt, was man brauche, kritisierte Schreiner.
Die Krankenhäuser seien jahrelang kaputtgespart worden. Um nötige Investitionen finanzieren zu können, hätten die Krankenhäuser Geld einsetzen müssen, dass eigentlich für Personal und Sachkosten vorgesehen war. Die Politik sei deshalb mitverantwortlich für den Personalnotstand.
Schreiner: Koalitionsplan ist "eine Farce"
"Das im Koalitionsvertrag ausgerufene 'Zukunftsprogramm für Krankenhäuser' wird mit dem Haushaltsentwurf des Senats zur Farce", sagt er dem rbb. Weder gebe es damit moderne Medizininfrastruktur, noch ließen sich die Arbeitsbedingungen verbessern. Dabei sei das notwendig. "Das hatte die Politik versprochen und ist auch unser gesetzlicher Rechtsanspruch gegen das Land. Deshalb fordern wir nun vom Parlament eine echte Klinikoffensive ein."
Viele hatten sich zur Demo angekündigt. Zum Beispiel Andreas Mörsberger, Vorstandsmitglied der Johannesstift-Diakonie, der acht Krankenhäuser angehören. Es wäre so viel zu tun, sagt er. Aber das Land Berlin stelle einfach nicht das nötige Geld zur Verfügung.
So müsste zum Beispiel die Intensivstation des Martin-Luther-Krankenhauses in Schmargendorf erweitert und modernisiert werden, berichtet Mörsberger. "Wir kriegen die Patienten nicht unter. Es kommt zunehmend vor, dass wir Leute nicht aufnehmen können, weil kein Platz ist." Dafür benötigt Mörsberger 10 Millionen Euro - seit mehr als zwei Jahren wartet er auf das Geld. Bis jetzt wurde die Summe nicht bewilligt. Auch auf Gelder für die seiner Meinung nach dringend notwendige energetische Fassadensanierung im Waldkrankenhaus in Spandau wartet er bislang vergeblich.
35 Jahre alte OP-Säle, Unterbringung in Vierbett-Zimmern
Was ihn besonders ärgert: Dass Zuschüsse zum Bau einer Pflegeschule mit 550 Ausbildungsplätzen seit zwei Jahren nicht bewilligt werden. Dabei liegen die Pläne fertig in der Schublade. "Hier besteht wirklich Not, wir brauchen Nachwuchs-Pflegepersonal. Wenn ich daran denke, dass das Land hier kein Geld zur Verfügung stellt - da steigt bei mir der Blutdruck", sagt er aufgebracht.
Auch Christian Friese, Geschäftsführer der DRK Kliniken Berlin, unterstützt die Demo. "Einige unserer OP-Säle sind mittlerweile über 35 Jahre alt. Auch wenn wir uns permanent bemühen, diese an einzelnen Stellen zu modernisieren, wäre eine grundlegende Sanierung nötig", berichtet er. Außerdem gebe es immer noch Stationen, in denen Patienten in Drei- oder Vierbett-Zimmern untergebracht werden müssen. Dabei seien längst Einzel- und Zweibett-Zimmer Standard.
Grüne: Kein Spielraum für weitere Krankenhaus-Investitionen
Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus sehen derzeit allerdings keinen Spielraum für zusätzliche Investitionen in Berliner Krankenhäuser. Es sei wichtig, aus der Corona-Pandemie zu lernen und die Daseinsvorsorge krisenfest zu machen, sagte die Fraktionsvorsitzende Silke Gebel am Montag in der rbb24 Abendschau.
Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass es im Landeshaushalt das dritte Jahr in Folge keine Überschüsse gebe. Schulen und Krankenhäuser seien für die Landesregierung eine Priorität, deshalb plane der Senat rund 150 Millionen Euro pro Jahr für die Krankenhäuser ein.
Senat reagierte nicht auf offenen Brief
Dass das Land seinen Investitionsverpflichtungen seit Jahren nicht nachkomme, kritisieren neben der Krankenhausgesellschaft auch der Landespflegerat, der Marburger Bund, die AOK und der Verband der Ersatzkassen.
"Die Krankenhäuser haben einen Investitionsanspruch gegen das Land. Dieser ist einzulösen", schrieben sie bereits im März in einem Offenen Brief an das Abgeordnetenhaus. Die Erfahrungen der Corona-Pandemie hätten gezeigt, wie wichtig eine starke Krankenhausinfrastruktur für die Versorgung der Bevölkerung und eine funktionierende Gesellschaft sei. Nach Angaben von Marc Schreiner gab es bislang keine Reaktionen des Senats auf den offenen Brief.
Rund 60 Klinikstandorte in Berlin
In Berlin gibt es rund 60 Klinikstandorte mit etwa 55.000 direkt dort Beschäftigten. Jährlich werden um die 880.000 Patientinnen und Patienten vollstationär und rund 1,2 Millionen Menschen mit akuten Erkrankungen versorgt. Der Entwurf für den Doppelhaushalt 2022/2023 war am 1. März vom Senat beschlossen worden und wird im Abgeordnetenhaus beraten. Die Beschlussfassung ist im Juni geplant.
Sendung: rbb24 Abendschau, 25.04.2022, 19:30 Uhr