Steinbach und Habeck einig - Ruf nach staatlicher Kontrolle für die Raffinerie in Schwedt wird lauter

Mi 06.04.22 | 15:56 Uhr
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PCK-Raffinerie in Schwedt (Quelle: imago/Jochen Eckel)
Audio: Antenne Brandenburg | 06.04.2022 | Nico Hecht und Georg-Stefan Russew | Bild: imago/Jochen Eckel

Mit dem Begriff "Verstaatlichung" solle man vorsichtig sein, mahnt der Brandenburger Wirtschaftsminister Jörg Steinbach. Trotzdem will er die PCK-Erdölraffinierie in Schwedt nicht mehr in russischer Hand sehen.

Der Brandenburger Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) hat es als wünschenswert bezeichnet, wenn die PCK-Erdölraffinerie in Schwedt (Uckermark) nicht mehr in der Hand des russischen Konzerns Rosneft läge. Er sagte dem rbb am Dienstag, er stimme mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) darin überein, dass Rosneft als Mehrheitseigner der Raffinerie in Schwedt im Rahmen der Sanktionen ein Damoklesschwert darstelle. Welcher Weg gewählt werde, um das zu ändern, werde jetzt im Bundeswirtschaftsministerium diskutiert.

Steinbach sagte zudem, dass er mit dem Bundeswirtschaftsministerium in engem Austausch stehe. Entsprechende Kontakte habe Steinbach auch zu Rosneft. Es sei völlig unsicher, ob die Unter-Treuhand-Stellung von Gazprom Germania eine "Blaupause" darstelle, für das, was man im Bereich Schwedt machen könne.

Verstaatlichung ist juristisch problematisch

"Vorsicht aber mit dem Begriff Verstaatlichung. Das ist ein Schritt, der ist juristisch sehr, sehr problematisch. Da müssen andere Schritte gefunden werden", so Steinbach im rbb-Interview weiter. Das etwas unternommen werde, sei aber klar. Was genau gemacht und wie das vollzogen werden soll, ist noch nicht bekannt.

Generell gesprochen ist es Rosnefts Geschäftsmodell in Schwedt, russisches Rohöl billig über die Druschba-Pipeline einzukaufen, im PCK zu verarbeiten und so die eigenen Gewinne zu maximieren. Zwar hängen Berlin-Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern sowie Teile Westpolens zu 90 Prozent am Treibstoff-Tropf des PCK. Allerdings sei deutschlandweit für mindestens 200 Tage Treibstoff eingelagert, so dass es nicht sofort zu Engpässen kommen würde, so Steinbach.

Mit russischen Gegenreaktion ist zu rechnen

Es erscheint Steinbach zufolge als denkbar, dass Russland auf die mögliche Übernahme kritischer Infrastruktur, zu der die Raffinerie Schwedt durchaus zu zählen sei, durch Deutschland reagieren werde. So stehe ein mögliches Abdrehen der Ölpipeline in Richtung Deutschland im Raum. Neben dem PCK wird über diese Leitung auch die Raffinerie Leuna (Sachsen-Anhalt) des französischen Totalkonzerns versorgt.

"Sollte die Ölversorgung gestoppt werden, würde dies mit großen Herausforderungen sowohl für die Raffinerie wie auch für die Versorgung von Berlin und Brandenburg verbunden sein", sagte Steinbach. Wichtig zu wissen sei hierbei, dass "Deutschland über eine – im Vergleich zu Gas – relativ weitreichende Reserve von Rohöl wie auch von raffinierten Produkten verfügt. Auch die lokalen Reserven in Schwedt bieten Puffer für die Versorgung, bis Ersatzmaßnahmen greifen", betonte der SPD-Politiker. "Die Umstellung der Vertriebswege verläuft möglicherweise nicht völlig reibungslos, sie wird aber funktionieren." Insofern werde die Ölversorgung weiterhin aufrechterhalten bleiben können. "Mittel- und langfristig werden wir in Brandenburg und in ganz Deutschland einige andere Öl-Lieferanten im Portfolio haben", so Steinbach weiter.

Leuna und der französische Totalkonzern wollen sich dem Wirtschaftsverband Fuels und Energie zufolge bis zum Jahresende unabhängig von russischem Öl machen. Wie und ob dies auch fürs PCK möglich werde, sei unklar. Es sei zunächst eine politische Aufgabe, sagte ein Verbandssprecher. Dieser wolle sich das Bundeswirtschaftsministerium aber stellen.

Experten geben zudem zu bedenken, dass eine Umstellung vom russischen Öl auf andere Sorten nicht ohne Umbauaufwand in der Raffinerie zu bewerkstelligen ist. Da müssten ganze Produktionsanlagen umgestellt werden, weil das russische Öl sehr viel schwefelhaltiger sei. Vor daher werde es ein langer Weg sein, sind sich Experten sicher.

CDU spricht sich für staatlichen Einfluss aus

Auch der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Brandenburger Landtag, Jan Redmann, sprach sich dafür aus, den Einfluss des Staates auf die PCK-Erdölraffinerie in Schwedt zu erhöhen. Er sagte am Dienstag in Potsdam, der Staat habe bereits die deutsche Tochter des Gazprom-Konzerns unter treuhänderische Verwaltung gestellt. Etwas Ähnliches könne er sich auch für die Raffinerie in Schwedt vorstellen.

Redmann warnte, dass ein sofortiger Stopp von Öl-Lieferungen aus Russland vor allem Ostdeutschland vor große Probleme stellen würde. Das ostdeutsche Gasnetz habe keine Verbindung zum westeuropäischen Netz. Auch die bisherigen Pläne, Flüssiggas nach Deutschland zu importieren, würden dieses Problem nicht lösen. Redmann sagte, es sei deshalb sinnvoll, auch an der deutschen Ostseeküste Kapazitäten für Flüssiggas zu schaffen. Es gebe bereits Pläne für Rostock. Wichtig sei es, sich schnell aus der Abhängigkeit von Russland zu befreien. Das werde aber einige Zeit in Anspruch nehmen.

Diskussionen um dem Kohleausstieg

Der Lausitzbeauftragte der Brandenburger Landesregierung, Klaus Freytag äußerte sich am Dienstag im rbb-Bürgertalk "Wir müssen reden" zum geplanten Datum für den Kohleausstieg. Ob 2038 oder "idealerweise" 2030, wie es die Ampel im Koalitionsvertrag festgehalten hat, sei für ihn "mittlerweile eine sekundäre Diskussion", sagte Freytag.

"Strukturwandel muss das Thema sein, egal wann wir aus der Kohle aussteigen", betonte Freytag. Es geht jetzt vielmehr um die Sicherheit von Energieversorgung und Arbeitsplätzen. "Und wir brauchen natürlich auch die Sicherheit für die Leute." Die soziale Sicherheit müsse gewährleistet sein. "Es muss bezahlbar sein. Es darf nicht sein, dass nur noch bei den Besserverdienenden der elektrische Schwibbogen im Fenster steht", so Freytag.

Für Benjamin Raschke, Grünen-Fraktionsvorsitzender im Brandenburger Landtag, steht ein Ausstieg aus dem Kohleausstieg nach eigener Aussage nicht zur Debatte. Er kritisierte vielmehr die "verfehlte Energiepolitik der letzten Jahrzehnte" und betonte: "Wir als Grüne waren nie für Nord Stream 2." Da die Leitung jetzt aber da sei, ergäben sich daraus auch Perspektiven für neue Energiespeicher.

"Gazprom wurde unter Treuhand gestellt. Das hat konkrete Auswirkungen für Brandenburg", so Raschke weiter. "Eine Tochter von Gazprom hat Anteil an der Eugal-Pipeline. Die läuft ja hier durch. (...) Das ist an sich schon ein riesiger Speicher, den man nutzen kann.". Solche Gedankenspiele seien "vor wenigen Tagen noch undenkbar" erschienen, so Raschke weiter.

Sendung: Antenne Brandenburg, 06.04.2022, 14:40 Uhr

Mit Material von Georg-Stefan Russew

34 Kommentare

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  1. 34.

    "Wir können froh sein, dass der Winter vorbei ist und Russland bisher vertragsgetreu liefert und nicht seinerseits Sanktionen gegen uns verhängt."

    Ähhhh... und wie finanziert der Diktator dann seinen Angriffskrieg und bestialische Menschenrechtsverletzungen gegen unschuldige Zivilisten?

    Ich frage mich warum da überhaupt noch diskutiert wird. Taten statt Lippenbekenntnisse und Sontagsreden, Herr Scholz!

  2. 33.

    "Also wenn hier jemand fordert er möchte kein russisches Öl/Gas mehr haben dann bitte nicht nur schreiben sondern handeln. Heizung aus, Auto stehen lassen, ÖPNV nicht mehr benutzen, Plastikartikel, Lebensmittel, Kleidung, Urlaubsflüge uvm überall in diesen Dingen steckt russisches Öl und Gas drin oder wird daraus produziert. Es ist eigentlich ganz einfach, aber wahrscheinlich will dann doch keiner so richtig auf seine Annehmlichkeiten versichten. Und noch eins bei einem sofortigen Stopp von Öl und Gas dauert es nach einem Bericht (Experten f. Wirtschaft)1 Woche und die Industrie/ Wirtschaft in DE liegt am Boden und hier gehen fast alle Lichter aus."

    Ihr Putintrolle seid schon drollig. Jetzt wo euere direkte Unterstützung eines Diktators, Kriegsverbrechers und eines Krieg gegen Zivilisten nicht so gut ankommt versucht ihr es aus andere Weise. Anderes Thema, die gleichen Fake News.

    "Geredet ist schnell !!" Vor allem dummes Zeug von waschechten Putintrollen.

  3. 32.

    Wenn ich hier in den Kommentaren lese wir müssen sofort das oder das,dann kann ich nur sagen, noch sollte das jeder für sich entscheiden. Also wenn hier jemand fordert er möchte kein russisches Öl/Gas mehr haben dann bitte nicht nur schreiben sondern handeln. Heizung aus, Auto stehen lassen, ÖPNV nicht mehr benutzen, Plastikartikel, Lebensmittel, Kleidung, Urlaubsflüge uvm überall in diesen Dingen steckt russisches Öl und Gas drin oder wird daraus produziert. Es ist eigentlich ganz einfach, aber wahrscheinlich will dann doch keiner so richtig auf seine Annehmlichkeiten versichten. Und noch eins bei einem sofortigen Stopp von Öl und Gas dauert es nach einem Bericht (Experten f. Wirtschaft)1 Woche und die Industrie/ Wirtschaft in DE liegt am Boden und hier gehen fast alle Lichter aus. Also bitte nochmal in Ruhe überlegen ob wir das so wollen ,den die Konsequenzen werden auf jeden Fall hart für uns alle und wir müssen dann damit leben !! Geredet ist schnell !!

  4. 31.

    Wie kann es sein, dass Gas und Öl jetzt zu Preisen verkauft wird, wo die Teuerung auf die Einkaufspreise der Hersteller erst jetzt langsam durchschlagen? Mitnahmeeffekte?

    P.S. Was macht das Kartellamt gerade?

  5. 30.

    " Ist das PCK systemrelevant?"

    Als sogenannter "KRITIS-Betreiber" gehört PCK zur kritischen Infrastruktur Deutschlands.
    Definition des BSI hierzu:
    "Kritische Infrastrukturen (KRITIS) sind Organisationen und Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden."

    Also lautet die Antwort klar "JA".

  6. 29.

    Brauchen Sie ne Info wie sich der Gasverbrauch in DE zusammensetzt?

    Da werden Sie sehen, dass für die Wärme in Haushalten genug Erdgas auch ohne Russland da ist. Also keine Sorge. Tesla dagegen könnte leer ausgehen.

    War natürlich trotzdem doof jahrelang LNG Terminals zu blockieren und sich von einem einzelnen Diktator abhängig zu machen.

  7. 28.

    So langsam müsst doch auch dem letzten klar werden, dass diese Argumentation oder Fragestellung nix taugt.
    Sanktionen gegen bewaffnete Aggression und töten von Zivilisten verrechnen kriege ich im Kopf nichtmal ansatzweise hin, selbst wenn die Sanktionen juristisch bewertet ein Vertragsbruch sein sollten, bleibt auf russischer Seite tausendfacher Mord also nicht vergleichbar.
    Noch sind wir zum Glück nicht auf dem Level Auge um Auge, Zahn um Zahn,

  8. 27.

    Ich bilde mir garnichts ein.

    Sich selber zur Schau zu stellen, überlasse ich gern anderen. Die sind dann eher fürs Marketing zuständig und die Ausrichtung der eigenen Aktivitäten daran.

    Grundlegend neue Ideen sind fern staatlich bestellter Abteilungsleiter wie auch fern vordergründiger eigener Vorteile entstanden.

  9. 26.

    Das ist ja genau meistens so. Auch hier gilt die 80/20 Regel.

    P.S. Und immer schön auch das Risiko nicht vergessen. Verluste gibt es auch.

  10. 25.

    Das ist ja genau meistens so. Auch hier gilt die 80/20 Regel.

    P.S. Und immer schön auch das Risiko nicht vergessen. Verluste gibt es auch.

  11. 24.

    Sanktionen sind doch auch oft selbst Vertragsbruch oder ordnen Vertragsbruch an oder verstehe ich da etwas falsch?
    Also ich kenne das so, wenn man von einem Dieb etwas kauft, also Geschäfte macht, dann sind diese nichtig. Und jetzt gibt es gute Diebe und schlechte Diebe?

  12. 23.

    Da gibt es nur einen Denkfehler. Der Schaffende leiert irgendetwas an, was die anderen nicht auf die Reihe kriegen. Aus welchen Gründen auch immer. Sonst könnten Sie es ja selber machen. Deswegen organisiert er die Firma, Arbeitsplätze, Aufträge, Produkte. Ob Microsoft, Apple, Amazon oder Aldi, die sind alle nicht vom Himmel gefallen. Ohne die dahinter stehenden Leute, wären die Firmen heute nichts. Sie bilden sich ein, dass Sie oder jeder xbleiebige Andere Musk ersetzen könnte, selbst wenn sie all sein Geld hätten? Nicht ansatzweise! Weder wenn Sie etwas neues aufbauen sollten, noch, wenn sie Tesla übernehmen würden. DAS ist der feine Unterschied der Leute, gegen die Sie motzen.
    Jedes Startup lebt von solchen Leuten oder stirbt mit ihnen. Und die, die überleben, haben etwas an sich, was die vielen, die pleite gegangen sind, nicht haben.

  13. 22.

    "Liberale Positionen sind immer für das Schaffen."

    Liberale Positionen sind tendenziell für die Annahme, dass Derjenige, der viel verdient, im Umkehrschluss auch pauschal viel geleistet haben müsse. Mit tatsächlichem Schaffen hat das u. U. recht wenig zu tun.

  14. 21.

    .. wenn es noch genug Gas für ALLE Privathaushalte gibt. Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen haben sicher auch noch vor privat Vorrang. Wir können froh sein, dass der Winter vorbei ist und Russland bisher vertragsgetreu liefert und nicht seinerseits Sanktionen gegen uns verhängt.

  15. 20.

    Die Greenpeace Taktik sich seinerzeit bei Shell einzukaufen um die Strategie zu beeinflussen, wäre doch ein Weg.
    Warum sollte das der Bund oder Land nicht dürfen?
    Oder das VW-Modell indem Niedersachsen und sogar die Belegschaft immer noch einiges zu melden haben gegenüber Fam. Piech und Porsche.
    Ist VW Systemrelevant? Ist das PCK systemrelevant? Für den Osten des Landes offensichtlich.

  16. 19.

    Eins ist sicher, wie auch bei der Wohnungsenteignung. Das zieht einen enormen Vertrauensverlust für den Standort D. nach sich. Man weiß ja heute nicht, ob man Morgen schon der nächste ist und welche Gründe dann angegeben werden.
    Genau dasselbe sagt man ja zu Russland, wenn es Verträge brechen sollte. Dann würde nie wieder jemand Vertrauen haben.

  17. 18.

    Herr Neumann, Sie wissen doch, dass der Privatverbraucher nicht eingeschränkt wird. Gasmangel geht 100% zu Lasten der Industrie.

    Wenn man halbwegs solidarisch mit Arbeitsplätzen in der Industrie ist, dann hilft aber trotzdem jeder mit beim sparen. Bisher seh ich diese Solidarität noch nicht....

  18. 17.

    Beim Gasnetz hat er schlicht Unrecht, ihre Karte ist richtig.

    Ich denke er meinte das Öl Pipelinenetz, da hörts in Leuna auf...gibt sozusagen Schwedt nach Rostock und nach Leuna. Wieviel in Rostock per Schiff eingespeist werden kann weiß ich nicht, da werden wohl einige Investitionen nötig, ging ja bisher in die andere Richtung....

  19. 16.

    „Das Ziel muss so dann auch erreichbar sein... Wenn man Mieten senken könnte, verbunden mit freier Wohnraumwahl, dann ist das auch mit den Liberalen möglich.“

    Wollen Sie sich etwas zurückhalten, verschärfende Verunglimpfung vermeiden? Nicht eine „neoliberale“ These wurde geäußert. Von Keinem hier.

  20. 15.

    Kapier nicht, dass wir eine Sanktion nach der anderen losballern, dann erwarten, dass die andere Seite Verträge einhält. Ich habe den Eindruck, die Russen sind die einzigen, die derzeit die zwischen uns geschlossenen Verträge einhalten.

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