Steinbach und Habeck einig - Ruf nach staatlicher Kontrolle für die Raffinerie in Schwedt wird lauter

Mit dem Begriff "Verstaatlichung" solle man vorsichtig sein, mahnt der Brandenburger Wirtschaftsminister Jörg Steinbach. Trotzdem will er die PCK-Erdölraffinierie in Schwedt nicht mehr in russischer Hand sehen.
Der Brandenburger Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) hat es als wünschenswert bezeichnet, wenn die PCK-Erdölraffinerie in Schwedt (Uckermark) nicht mehr in der Hand des russischen Konzerns Rosneft läge. Er sagte dem rbb am Dienstag, er stimme mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) darin überein, dass Rosneft als Mehrheitseigner der Raffinerie in Schwedt im Rahmen der Sanktionen ein Damoklesschwert darstelle. Welcher Weg gewählt werde, um das zu ändern, werde jetzt im Bundeswirtschaftsministerium diskutiert.
Steinbach sagte zudem, dass er mit dem Bundeswirtschaftsministerium in engem Austausch stehe. Entsprechende Kontakte habe Steinbach auch zu Rosneft. Es sei völlig unsicher, ob die Unter-Treuhand-Stellung von Gazprom Germania eine "Blaupause" darstelle, für das, was man im Bereich Schwedt machen könne.
Verstaatlichung ist juristisch problematisch
"Vorsicht aber mit dem Begriff Verstaatlichung. Das ist ein Schritt, der ist juristisch sehr, sehr problematisch. Da müssen andere Schritte gefunden werden", so Steinbach im rbb-Interview weiter. Das etwas unternommen werde, sei aber klar. Was genau gemacht und wie das vollzogen werden soll, ist noch nicht bekannt.
Generell gesprochen ist es Rosnefts Geschäftsmodell in Schwedt, russisches Rohöl billig über die Druschba-Pipeline einzukaufen, im PCK zu verarbeiten und so die eigenen Gewinne zu maximieren. Zwar hängen Berlin-Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern sowie Teile Westpolens zu 90 Prozent am Treibstoff-Tropf des PCK. Allerdings sei deutschlandweit für mindestens 200 Tage Treibstoff eingelagert, so dass es nicht sofort zu Engpässen kommen würde, so Steinbach.
Mit russischen Gegenreaktion ist zu rechnen
Es erscheint Steinbach zufolge als denkbar, dass Russland auf die mögliche Übernahme kritischer Infrastruktur, zu der die Raffinerie Schwedt durchaus zu zählen sei, durch Deutschland reagieren werde. So stehe ein mögliches Abdrehen der Ölpipeline in Richtung Deutschland im Raum. Neben dem PCK wird über diese Leitung auch die Raffinerie Leuna (Sachsen-Anhalt) des französischen Totalkonzerns versorgt.
"Sollte die Ölversorgung gestoppt werden, würde dies mit großen Herausforderungen sowohl für die Raffinerie wie auch für die Versorgung von Berlin und Brandenburg verbunden sein", sagte Steinbach. Wichtig zu wissen sei hierbei, dass "Deutschland über eine – im Vergleich zu Gas – relativ weitreichende Reserve von Rohöl wie auch von raffinierten Produkten verfügt. Auch die lokalen Reserven in Schwedt bieten Puffer für die Versorgung, bis Ersatzmaßnahmen greifen", betonte der SPD-Politiker. "Die Umstellung der Vertriebswege verläuft möglicherweise nicht völlig reibungslos, sie wird aber funktionieren." Insofern werde die Ölversorgung weiterhin aufrechterhalten bleiben können. "Mittel- und langfristig werden wir in Brandenburg und in ganz Deutschland einige andere Öl-Lieferanten im Portfolio haben", so Steinbach weiter.
Leuna und der französische Totalkonzern wollen sich dem Wirtschaftsverband Fuels und Energie zufolge bis zum Jahresende unabhängig von russischem Öl machen. Wie und ob dies auch fürs PCK möglich werde, sei unklar. Es sei zunächst eine politische Aufgabe, sagte ein Verbandssprecher. Dieser wolle sich das Bundeswirtschaftsministerium aber stellen.
Experten geben zudem zu bedenken, dass eine Umstellung vom russischen Öl auf andere Sorten nicht ohne Umbauaufwand in der Raffinerie zu bewerkstelligen ist. Da müssten ganze Produktionsanlagen umgestellt werden, weil das russische Öl sehr viel schwefelhaltiger sei. Vor daher werde es ein langer Weg sein, sind sich Experten sicher.
CDU spricht sich für staatlichen Einfluss aus
Auch der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Brandenburger Landtag, Jan Redmann, sprach sich dafür aus, den Einfluss des Staates auf die PCK-Erdölraffinerie in Schwedt zu erhöhen. Er sagte am Dienstag in Potsdam, der Staat habe bereits die deutsche Tochter des Gazprom-Konzerns unter treuhänderische Verwaltung gestellt. Etwas Ähnliches könne er sich auch für die Raffinerie in Schwedt vorstellen.
Redmann warnte, dass ein sofortiger Stopp von Öl-Lieferungen aus Russland vor allem Ostdeutschland vor große Probleme stellen würde. Das ostdeutsche Gasnetz habe keine Verbindung zum westeuropäischen Netz. Auch die bisherigen Pläne, Flüssiggas nach Deutschland zu importieren, würden dieses Problem nicht lösen. Redmann sagte, es sei deshalb sinnvoll, auch an der deutschen Ostseeküste Kapazitäten für Flüssiggas zu schaffen. Es gebe bereits Pläne für Rostock. Wichtig sei es, sich schnell aus der Abhängigkeit von Russland zu befreien. Das werde aber einige Zeit in Anspruch nehmen.
Diskussionen um dem Kohleausstieg
Der Lausitzbeauftragte der Brandenburger Landesregierung, Klaus Freytag äußerte sich am Dienstag im rbb-Bürgertalk "Wir müssen reden" zum geplanten Datum für den Kohleausstieg. Ob 2038 oder "idealerweise" 2030, wie es die Ampel im Koalitionsvertrag festgehalten hat, sei für ihn "mittlerweile eine sekundäre Diskussion", sagte Freytag.
"Strukturwandel muss das Thema sein, egal wann wir aus der Kohle aussteigen", betonte Freytag. Es geht jetzt vielmehr um die Sicherheit von Energieversorgung und Arbeitsplätzen. "Und wir brauchen natürlich auch die Sicherheit für die Leute." Die soziale Sicherheit müsse gewährleistet sein. "Es muss bezahlbar sein. Es darf nicht sein, dass nur noch bei den Besserverdienenden der elektrische Schwibbogen im Fenster steht", so Freytag.
Für Benjamin Raschke, Grünen-Fraktionsvorsitzender im Brandenburger Landtag, steht ein Ausstieg aus dem Kohleausstieg nach eigener Aussage nicht zur Debatte. Er kritisierte vielmehr die "verfehlte Energiepolitik der letzten Jahrzehnte" und betonte: "Wir als Grüne waren nie für Nord Stream 2." Da die Leitung jetzt aber da sei, ergäben sich daraus auch Perspektiven für neue Energiespeicher.
"Gazprom wurde unter Treuhand gestellt. Das hat konkrete Auswirkungen für Brandenburg", so Raschke weiter. "Eine Tochter von Gazprom hat Anteil an der Eugal-Pipeline. Die läuft ja hier durch. (...) Das ist an sich schon ein riesiger Speicher, den man nutzen kann.". Solche Gedankenspiele seien "vor wenigen Tagen noch undenkbar" erschienen, so Raschke weiter.
Sendung: Antenne Brandenburg, 06.04.2022, 14:40 Uhr
Mit Material von Georg-Stefan Russew